Im Ahrtal: Engel und Teufel rund um das schönste Tal der Welt

Dieser Blogbeitrag handelt von Engeln und Teufeln, die auf den Hügeln rings um Altenahr herumirren, aber nur schwer aufzufinden sind. Dort, wo die Ahr eine fast vollständige 360 Grad-Kurve hinlegt. Wir durchwandern einen mitteleuropäischen Urwald, bei der heutigen Witterung fast ein tropischer Regenwald, und sehen uns unerwarteten olfaktorischen Herausforderungen gegenüber, bevor wir gänzlich ungeplant alte Burgen erklettern. 

Nach Himmelfahrt und Pfingsten kommt jetzt Fronleichnam, der dritte Feiertag in Folge. Sind wir nicht gesegnet? Und dazu lockert sich gerade der Lockdown etwas, in einigen Regionen geht wieder was. So auch im rheinland-pfälzischen Ahrtal. Dorthin zieht es uns.

Ich habe den Wecker auf 5:45 Uhr gestellt. Wir hatten mal die 7 Uhr angepeilt, dann wird es aber doch 8 Uhr. Kein Problem. Es ist noch ruhig draußen, kaum jemand unterwegs. Als ich beim Einräumen schon vorher mal im Wohnmobil war, geht ein junges Paar vorbei. Sie sehen aus, als hätte die Nacht sie ausgekotzt, um es mal despektierlich auszudrücken. Der Typ ist aggressiv drauf, schreit die Frau an und tritt gegen einen Reifen des hinter uns stehenden Autos. Ich überlege, was ich täte, wenn er das bei uns machen würde oder gar gegen das Blech treten würde. Mit Argumenten wäre hier wenig zu erreichen. Keine leichte Sache. Bevor ich mit meinen Überlegungen weitergekommen bin, sind die beiden um die nächste Ecke verschwunden. 

Es ist alles im Auto, was mit soll. Wahnsinn, was alles in den Kühlschrank hineinpasst, ich habe große Mengen an Obst, Gemüse, Tupperdosen eingeräumt, es ist immer noch Platz. Der Kuchen, die gestern frisch gebackene Linzer Torte auf ihrem großen Teller, passt leicht hinein. Das Gefrierfach ist noch völlig leer, die Gefrierstufe ist zwar ausgeschaltet, wird aber mitgekühlt. Ich lege den Salat dort hinein. Alle Schränke und Fächer sind verschlossen, die Kleidung eingeräumt, Taschen verstaut. Es geht los. 

Wir fahren die übliche Schleife über Mainz und Bingen auf die A 61. Der Verkehr hält sich auch dort in Grenzen, allerdings sind recht viele LKW auf der Straße, offenbar gilt heute nur ein eingeschränktes Fahrverbot, da der Feiertag kein bundesweiter ist. Macht aber nix, ich überhole trotzdem mit zurückhaltenden 100 km/h und eingeschaltetem Tempomaten. In der großen Baustelle hinter der Raststätte Hunsrück geht es wie üblich mit 60 weiter, danach läuft es dann wieder. Es war eine ruhige Fahrt, als wir dann am Dreieck Bad Neuenahr abfahren und uns über die Bundesstraße dem Ahrtal nähern. Wahnsinnig schön, An der „bunten Kuh“, einem in das enge Tal hereinragenden Felsen, sind wir so richtig im engen Ahrtal angekommen. 

In Resch sehen wir linker Hand schon den ersten, bereits auf park4night gelisteten Wohnmobilstellplatz, schön grün, er scheint auch noch Platz zu haben, aber ich will weiter ins Tal, das sagt mir zumindest mein Gefühl. In Mayschoß sehen wir schon sehr viele Wohnmobile herumstehen, andere gerade ankommen. Wir fahren auf die andere Ahrseite und parken abseits.  Wir gehen zum Eingang des Stellplatzes, er liegt, das wusste ich schon, gleich am Bahnhof, in dem auch ein Gartenlokal ist. An der Einfahrt ein Schild, dass der Platz belegt sei. Aber die Schlange der Wohnmobile davor wartet darauf, dass Fahrzeuge abfahren, um dann nacheinander die freien Plätze wieder zu besetzen. Mir gefällt der Platz nicht, es ist viel zu voll, die Wohnmobile stehen eng beieinander, der Boden ist geteert, keine Möglichkeit, die Markise aufzustellen. Hier will ich keinesfalls bleiben.

Wir fahren also weiter, durch das Tal nach Altenahr und suchen dort den Campingplatz, er soll direkt am Fluss gelegen sein. Die Ortsdurchfahrt ist gesperrt, ich sehe noch den Text „ab 09.07.“, kann aber die Jahreszahl nicht mehr lesen. Später sehen wir, dass die Durchfahrt bereits seit 2019 gesperrt ist. Wir fahren also in den Ort bis zum Bahnhof, orientieren uns, ich sehe auf dem Navi, dass weit oberhalb des Ortes eine Bundesstraße zurück zur Ahr führt. Wir drehen und biegen im Ortskern ab, unterhalb der Burg vorbei, die Straße schlängelt sich herauf, hinter dem Ortsende stößt sie auf die Bundesstraße, die von Grafschaft her kommt. Wir biegen links ein Richtung Adenau und kommen durch eine beeindruckende Reihe neuerer Tunnel. Es geht wieder bergab, unten im Tal fahren wir zurück nach Altenahr, über eine kleine Steinbrücke auf einen geteerten Feldweg und zum Campingplatz. 

Zuerst kommen wir an einer langen Reihe feststehender Wohnwagen, Dauercamper, vorbei, dahinter ist die Einfahrt. Der Platz ist gut gefüllt, aber nicht überfüllt. Wir gehen in die Rezeption linker Hand, der nette Betreiber kommt gleich raus, fragt, ob wir reserviert hätten. Nein? Zwei freie Plätze hat er noch, gleich im Eingangsbereich. Die sehen wir und entscheiden uns sofort für den linken der beiden. Grasboden, ebenerdig, Stromanschluss in der Nähe. Toller Blick aus dem Talkessel auf die umliegenden Hügel. Wir sollen uns erst einmal einrichten und dann zur Registrierung kommen. Ihm fällt auch noch der Witz auf unserem Nummernschild auf. Wir parken ein, parallel zur Grenzmarkierung des Platzes. Motor aus, gut. Markise raus, Seitenwand eingehängt, Boden ausgelegt, Tisch und Stühle drauf - es läuft schon routiniert, wenn wir auch erst die Stange der Seitenwand nochmal drehen müssen. Danach zur Registrierung. 

Es sind noch Brötchen im Campingplatzladen, wir kaufen zwei und bestellen drei für den nächsten Morgen. Nebenan die Kneipe ist natürlich geschlossen, vielleicht besser so angesichts dessen, dass wir so nah daneben kampieren. Ver- und Entsorgung sind auch in der Nähe. Wir trinken erst mal unseren mitgebrachten Kaffee und essen die frischen Brötchen. 

Nach dem Kaffee ziehen wir los. Durch eine kleine Tür im Zaun gelangen wir auf den Radweg. Von dort aus durchs Grüne und über eine Brücke in den Ort.  Wir folgen der Durchgangsstraße, hinter dem Bahnübergang geht der Pfad steil den Berg hinauf. Rechter Hand ist der Campingplatz, wir sehen unseren Camper dort stehen. Rot leuchtend zwischen all der Weißware. Der Weg schlängelt sich hinauf,  vorbei an bunten Gesichtern, die in die verknoteten Astlöcher der Bäume hinein gemalt wurden. Ein erster Ausblick, das schwarze Kreuz. Altenahr liegt unter uns, dahinter groß und immer noch mächtig die Burgruine Are und darunter die Tunnel der Straße, der Bahn und des Radwegs auf einer ehemaligen Schienentrasse. Sie führen durch eine absolute Engstelle, vor und hinter diesem Felsen fließt gleich die Ahr, die hier eine große, fast 360 Grad betragene Schleife mäandert. Auf der anderen Seite der Ortsteil Altenburg, dahinter Kreuzberg mit der Burg Kreuzberg, die noch intakt ist. 

Wir verlassen das schwarze Kreuz, um den nachfolgenden Wanderern Platz zu machen und gehen den Weg weiter bergauf. Ein schmaler anspruchsvoller Pfad durch dichte Vegetation, zwischendrin immer wieder freie Blicke an exponierten Stellen. Weiter oben gabelt sich der Weg, links geht es steil bergauf, über einen gewaltigen abschüssigen, teilweise herausgebrochenen Schieferfelsen. Ein wenig im zickzack, und wir sind oben, die Spitze des felsigen Hügels ist durch ein großes Loch durchbrochen, das Teufelsloch. Auf der anderen Seite bildet ein Geländer regelrecht einen Balkon. Hier sind wir alleine, bis ein junges Paar dazukommt. Platz ist genug. Satt sehen können wir uns ohnehin nicht, also gehen wir weiter. 


Wir folgen dem Weg, der ständig die Richtung ändert, mal rauf, mal runter führt. Auch hier immer wieder schöne Fernblicke auf die gegenüberliegenden Felsen, grüne Täler, ein Urwald. Hier oben sind weniger Leute unterwegs als erwartet, die meisten bleiben im Tal der Ahrschleife. Der schmale Pfad endet an einer Weggabelung, wir folgen einem anderen, breiten Weg, der auf der halben Höhe im Hang bleibt und gehen auf diesem immer oberhalb der Ahrschleife, bis sich die Gelegenheit ergibt, hinabzusteigen. Wir passieren gewaltige Schieferfelsformationen, die im dunklen Wald, das satte Grün der Laubbäume filtert viel Licht, regelrecht schwarz glänzen. Schließlich sind wir unten im Tal angelangt und folgen einem breiten Pfad entlang der Ahr.  Der kleine Fluß fließt in seinem Bett durch hellgrüne Wiesen, mit erdigen Ufern, über die tiefhängende Äste das Wasser streifen. An sonnigen Stellen wächst saftiges hohes Gras, warm von der Sonne beschienen. Viele Stellen laden dazu ein, sich hinzusetzen und die Zeit zu vergessen. Einfach nur sitzen und schauen, hören und riechen. Mehr nicht. Die Zeit vergessen. 

Wir aber gehen weiter. Mit dem Lauf des Wassers folgen wir den ständigen Linkskurven des Tals. Links und rechts sehen wir spitze Felsen auf den Höhen, links die Engels-, rechts die Teufelsley. Auf der Teufelslay steht ein Gipfelkreuz, durch das Teleobjektiv sehen wir einige Personen neben dem Kreuz auf dem abschüssigen Felsen in hoher Höhe stehen. Unser Weg passiert einige schroffe steile Felsen, immer wieder auch steile glatte Wände. Schließlich gelangen wir zur Brücke eines Teerweges, der an einer Kläranlage endet. Sie ist nicht zu überriechen. 

Aber wir sind hartgesottene Camper, mit den olfaktorischen Begleiterscheinungen der Entsorgung vertraut. Wir gehen über diese Brücke und verlassen den Uferweg, der sich noch bis Reimerzhoven, dem nächsten Dorf, schlängelt. Auf der anderen Flussseite stehen wir vor dem Straßentunnel. Dies ist die schmalste Stelle der Ahrschleife. Das massive Felsgestein an dieser Stelle, auf der auch die Burg Are steht, nötigt die Ahr zu dem großen Umweg der Schleife durch weichere Erdformationen. Neben dem Straßentunnel befinden sich die zwei Röhren der Eisenbahntunnel, von denen einer schon lange die Trasse des Ahrtalradweges führt. 

Linker Hand steht das Gebäude der freiwilligen Feuerwehr. Links von der Straße, die sich hier gerade aus einer Serpentine heraus windet, steigt erneut der Hang steil auf, dicht bewaldet. Ich sehe einen steilen schmalen Pfad. Laut maps.me führt der hoch zur Engelsley und über den Kamm weiter ins Tal. Diesen Weg nehmen wir. Der Anfang ist mühsam, weil es sehr steil durch lockeres Geröll geht. Aber gut 10 Meter weiter oben wird es etwas ebener und ein ausgetretener Pfad ist erkennbar, der erst einmal ein gutes Stück geradeaus verläuft und sich dann in gut begehbaren Serpentinen den Hang hinauf schraubt. Immer wieder bieten sich tolle Ausblicke auf das urwaldartige Tal der Ahr und den gegenüberliegenden Hang mit dem bereits identifizierten Gipfelkreuz der Teufelsley. Schnell sind wir oben auf dem Kamm angelangt und können auf der anderen Seite runter auf Altenahr und die Burg Are sehen. Eine tolle Perspektive. Der Kamm steigt weiter an, wir suchen zwischen den Felsen den Weg. Ingrid geht links weiter, zu Beginn deutet sich ein offensichtlich benutzter Pfad an, dann wird es uneindeutig. Geradeaus unüberwindbare Felsen, nach oben steil und glatt, nach unten verliert sich jede Spur, wenn überhaupt müssten wir ins Ungewisse absteigen. Zurück zum Kamm. Auf der anderen Seite lassen sich ebenfalls gerade noch pfadähnliche Spuren erkennen, hier das selbe Spiel: nach oben in die Felsen, nach unten ins Nichts. Die Bäume und Sträucher erschweren das Durchkommen zusätzlich. Also zurück. 

Wir folgen dem Kamm in die andere Richtung und gelangen zu einem großen Loch im Felsen, ähnlich dem Teufelsloch auf der anderen Seite von Altenahr. Dieses hier ist, was sonst, das Engelsloch. Weiter auf dem Kamm oberhalb des Tunnels an der Engstelle der Flussschleife gehen wir nicht, das sieht zu schwierig aus, wir wollen nichts riskieren. Also gehen wir den Pfad zurück, runter auf der dem Ort abgewandten Seite. Dort, wo die Serpentinen beginnen, biegt nach links ein weiterer Pfad ab. Versuchen wir es. Der Weg ist sehr schmal und ausgesetzt, er steigt steil an, um das Tunnelportal zu überwinden. Die Straße liegt jetzt weit unter uns, der Weg führt weiter, jetzt hoch über den Gleisen. Immer geradeaus überwindet er den Hang und führt uns erneut auf den Kamm, diesmal unterhalb der Burg Are. Hier wird es noch steiler, es geht durch Schiefergelände, der Schiefer ist in kleine Steine mit viel Sand und Erde auseinander gebrochen. Er macht den abschüssigen Weg noch unbegehbarer. Laut maps.me geht es bis nach oben auf einen Querweg. Also weiter. Immer wieder müssen die Hände zu Hilfe genommen werden, um die steilen Stellen zu überwinden. Schließlich sind wir auf einem Plateau unterhalb der Burg. Einige Burgbesucher blicken neugierig auf uns herunter. Einen Querweg gibt es nicht, wir müssen zur Burg hinauf. Das letzte Stück klettern wir die Burgmauer hoch, bis wir auf der unteren äußeren Plattform landen. Der Blick zurück lässt schwindeln. Ganz schön steil, von hier sieht es unbegehbar aus. Aber jetzt können wir von der Burg aus den leichten Fußweg runter nach Altenahr nehmen. Nachdem wir auf den Bergfried gestiegen und die Aussicht in alle Richtungen genossen haben.

Die Burg ist gut besucht, jetzt gilt es wieder, den Abstand zu wahren. Der Weg führt runter in den Ort,  hier verläuft Altenahr in dem schmalen Seitental des Rossbachs in jeweils einer Häuserreihe links und rechts der viel benutzten Straße hoch zur Bundesstraße 257. In der Ortsmitte sehen wir einen geöffneten Weinladen. Die Preise im Fenster erscheinen uns akzeptabel. Wenn wir uns in einem Weinanbaugebiet befinden, wollen wir auch den lokalen Wein probieren. Wir gehen hinein, werden von einem schon etwas älteren Mann nach unseren Wünschen gefragt. Wir orientieren uns üblicher Weise am Preis. Die 6,90 im Fenster für einen Spätburgunder und die 6,80 für eine Riesling erscheinen uns hoch genug. Die Weine in Rheinhessen sind günstiger und nach unserem Dafürhalten von guter Qualität. 

Also fragen wir nach den Weinen im Fenster. Das ist für einen Fachmann wie unser Gegenüber natürlich ein suboptimaler Einstieg. Ob wir mit Wein Erfahrung hätten. Ja? Wo wir denn herkämen? Aus Wiesbaden? Und wir würden rheinhessischen dem Rheingauer Riesling vorziehen? Das ginge ja überhaupt nicht. Da traut man sich ja nicht mehr zu sagen, dass wir den Aufpreis für einen Rheingauer Wein als grundsätzlich überhöht ansehen. Natürlich wissen wir, dass wir uns am unteren Preissegment für Wein aufhalten. Aber es handelt sich um ordentlichen Wein und keine Massenware, um Winzerwein mit Vor- und Zunamen. Immerhin kaufen wir einen Sechserkarton mit jeweils zwei trockenen Rieslingen, zwei Blanc de Noir und zwei Spätburgundern. Und nicht zu wenig ehrlich verdientes Geld wechselt dabei den Besitzer.


Bereichert um den Weinkarton gehen wir durch den Ort zurück zum Campingplatz. Jetzt ist Zeit für eine gute Tasse Kaffee und ein Stück selbstgebackene Linzer Torte. Dann ein bisschen Entspannung unter der Markise. Später bereite ich das Abendessen zu. Wir schälen zusammen den grünen Spargel, mehr als ein Kilo. Dann kommt der Spargel in die Pfanne und wird lange und ordentlich gebraten. Abgeschmeckt mit Pfeffer und Salz und am Ende ein ordentlicher Schuss Balsamico. Darüber gebe ich frisch geriebenen Parmesan. Eigentlich wollte ich Vollkornspiralnudeln dazu geben, aber die Pfanne ist doch zu klein. Also koche ich die Nudeln separat, brate sie etwas an und gebe auch hier ein wenig Parmesan darüber. Wir uns das Essen bei einem Glas Spätburgunder schmecken und den Tag im Freien ausklingen.


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