Mit Camperkalli nach Spanien (Teil 1): Annecy und der Mont Ventoux

Unsere Reise nach Spanien liegt nun schon ein paar Monate zurück. Die Zeit, sie auch im Blog festzuhalten, fehlte bisher. Aber das wollen wir heute nachholen. Die Videos zu den einzelnen Etappen sind längst online und werden hier eingebunden.

Mitte September sind wir zu einer zweieinhalbwöchigen Reise nach Spanien aufgebrochen. Wenn wir mit dem Wohnmobil reisen, planen wir nur noch sehr grob, damit wir unterwegs spontan reagieren können, wenn uns etwas besonders gut gefällt. So haben wir nur festgelegt, dass wir bis Valencia fahren und dass wir die Route entlang der Mittelmeerküste wählen wollen.


Da wir bei Fahrten nach Spanien oder Südfrankreich in der Regel die Strecke durch das Rhonetal nutzen, haben wir uns dieses Mal für eine ganz andere Route nach Süden entschieden: durch die Schweiz und die französischen Alpen. Auch wenn die obligatorische Autobahnvignette für die Schweiz mit 42 Euro zu Buche schlägt, lohnt sich die Ausgabe, denn aus Zeitgründen würden wir auch für die Frankreichdurchquerung die schnellste Strecke über die mautpflichtigen Autobahnen über Besançon und Lyon wählen, hätten dort also ähnliche Kosten.



Zugegeben, die Fahrt von Wiesbaden über Straßburg, Mulhouse, Besancon, Lyon verliefe wesentlich zügiger als durch die Schweiz und die französischen Alpen. So wählen wir als ersten Übernachtungsspot schon die recht weit nördlich gelegene Alpenstadt Annecy. Weil wir sie noch nicht kennen. 


Wir verlassen Wiesbaden am Nachmittag und fahren bis Zell am Hamersbach im Schwarzwald. Nach einem familiären Besuch übernachten wir auf dem Stellplatz. Die Parkuhr dort ist außer Betrieb, so dass uns die Übernachtung nichts kostet.  



Vorbei an Freiburg im Breisgau und dem Kaiserstuhl überqueren wir die Grenze zur Schweiz, fahren auf der Stadtautobahn quasi über den Dächern von Basel, halten uns Richtung Bern, dann Richtung Genf, und stoppen in Estavayer-le-Lac, einer Kleinstadt am Neuenburger See im Schweizer Kanton Freiburg für eine kleine Pause. Es ist Herbst, unübersehbar, der See ist rauh, der Strand ist schon für den kommenden Winter vorbereitet. Die Altstadt von Estavayer-le-Lac lohnt einen längeren Aufenthalt. 



Aber nicht heute, wir fahren weiter und erreichen den Genfer See. Die Autobahn verläuft in größerer Entfernung zum See, er ist mehr zu ahnen denn zu sehen. Auch Genf ist nur an der größeren Dichte an Auf- und Abfahrten und dem zunehmenden Autoverkehr zu spüren, die Stadt entzieht sich dem Blick. Schon sind wir in Frankreich. Für heute verlassen wir die Autobahn, um die Mautgebühr einzusparen, und fahren über die Departementstraße weiter nach Annecy. Das zieht sich,  die Straße ist kurvenreich, die ständigen Kreisverkehre halten zusätzlich auf. 



Aber alleine der schöne Blick auf Schlucht und Brücke, den wir am Pont de la Caille erhaschen, lässt das Gekurve fast vergessen. Wir erreichen Annecy von Norden her und wollen auf die Südseite an den gleichnamigen See, an dessen Ufer sich auch die Altstadt befindet.



Doch zuerst wird getankt. Wir passieren einen Supermarkt mit einer in Frankreich üblichen preiswerten Tankstelle. Nach den deutschen und schweizerischen Dieselpreisen ist das hier ein positiver Schock.


Park4night kennt den Wohnmobilstellplatz am Seeufer, den steuern wir an. Er hat aber nur wenige Plätze, und die sind alle belegt. Also zurück Richtung Stadt. Linker Hand liegt ein größerer PKW-Parkplatz unter Bäumen, auf der hinteren, erhöhten Parkreihe stehen etliche Wohnmobile. Doch die Einfahrt ist mit einer auf zwei Meter Höhe angebrachten Barke begrenzt. Aber die Ausfahrt ist ohne Höhenbegrenzung, da sind wohl alle gegen die Einbahnstraßenregelung hineingefahren.



Es widerstrebt mir, hier gleich als Tourist gegen die Regeln zu verstoßen, aber es zieht uns förmlich dort hinein. Also los. Mit unserem Sechsmeter-Ducato kommen wir leicht in eine Parklücke hinein, neben uns ein kleiner Mini, auf der anderen Seite, neben der Lücke, die wir frei gelassen haben, weil das Wohnmobil nun einmal deutlich breiter als ein PKW ist, ein weiteres Wohnmobil. Unser Platz für die Nacht ist erreicht, auch dieser ist legal kostenfrei.  



Das Seeufer mit Sandstrand ist gleich vor der Nase, direkt hinter der gutbefahrenen Straße. Dort steht sogar ein Toilettenhäuschen. Den Strand entlang gehen wir Richtung Stadt. Hinter dem gegenüberliegenden Seeufer steigen die Berge hoch hinauf, wir sind in den französischen Alpen. 



Im Unterschied zur Schweiz ist es hier noch sommerlich warm, um uns herum relaxte Menschen. Über den Quai de la Tournette kommen wir ins Zentrum, hier mündet der Fluss Thiou in den See. Die Altstadt ordnet sich beiderseits des Flusses an. Mehrere kleine Fußgängerbrücken überspannen den Fluss, an dessen linkem Ufer wir über einen schmalen Weg gehen. 



Er hat sich bereits angekündigt und legt jetzt los: ein ordentlicher Platzregen zwingt uns zum Unterstellen. Vor vielen Cafés, Bars und Restaurants sitzen die Menschen unter großen Sonnenschirmen, die jetzt einen guten Regenschutz bieten. Wir haben langsam auch ordentlichen Hunger und setzen uns an den Tisch einer Creperie am Flussufer. Obgleich die in Frankreich verbindliche Restaurantöffnungszeit noch nicht erreicht ist, herrscht hier schon Betrieb, denn für Creperien gelten die strengen Regeln nicht. Ein deftiger Crêpe, den dunklen bretonischen Pfannkuchen, ein süßer hinterher, dazu eine Flasche Cidre.



Während wir unter dem Schirm im Trockenen sitzen und essen, läßt der Regen nach, so dass wir anschließend unseren Rundgang durch die Vieille Ville fortsetzen können. Das Leben pulsiert, überall sitzen Menschen an den Tischen vor den Lokalen. 



Am nächsten Morgen verlassen wir Annecy und fahren weiter über Chambery und Grenoble. Noch bleiben wir auf der Landstraße, aber das langsame Vorankurven durch Ortschaften, über enge Straßen und ständige Kreisverkehre wird ermüdend. In Grenoble wechseln wir wieder auf die  Autobahn, die hier, wie meistens in den Großräumen, mautfrei ist. 



Südlich von Grenoble wechseln wir auf die A 51, die recht neu zu sein scheint. Sie hört kurz hinter Saint-Paul-lès-Monestier auf, weiter geht es über eine Departementstraße. Die Landschaft ist sehr schön, wir kommen gut voran bis Serres, wo wir nach Westen abbiegen.



Die Straße verläuft entlang des Flusses Torrent de Blême. Teilweise geht es durch regelrechte Canyons bis nach Nyons, wo wir nach Süden abbiegen. In der Ferne sehen wir jetzt schon den gigantischen Mont Ventoux herausragen. Der Berg ist unser heutiges Ziel.



In Vaison-La-Romaine kaufen wir im Supermarkt ein, unter anderen Thunfischsteaks. Weiter geht es nach Malaucène, der kleinen Stadt am Südende des Ventoux-Massivs. Es gibt eine hübsche Altstadt mit hochgelegener Burg, von der aus man einen weiten Blick auf die Landschaft und das Bergmassiv hat. Wir informieren uns in der Touristeninformation über Stellplatz- und Wandermöglichkeiten und entscheiden uns, noch ein Stück den Berg hinauf zu fahren. 



Am dem Ventoux vorgelagerten Mont Serein, etwa fünfhundert Höhenmeter unterhalb des Gipfels, parken wir am Anfang einer großzügigen Parkplatzanlage. Hier haben wir einen Fernblick nach Norden und Westen über viele, viele Kilometer. Die Sonne steht schon tief im Westen, später sehen wir sie über dem Horizont untergehen.



Wir stehen nicht alleine hier oben, hinter uns stehen noch drei, vier weitere Wohnmobile, aber nach vorne und zur Seite ist nur Einsamkeit. Die Straße ist abends und nachts so gut wie nicht befahren, es ist also sehr ruhig. Wir kochen und essen unseren frischen Fisch und sehen den Tag in die Nacht übergehen. Hier oben ist es deutlich frischer als unten im Tal, so dass wir uns nicht mehr lange draußen aufhalten.



Der nächste Morgen beginnt sonnig, heute wollen wir auf den Gipfel des Ventoux gehen. Von unserem Parkplatz aus gehen wir zunächst bis zum Ende der Stichstraße, die von der Passstraße abzweigt. Vorbei an Skilitften, Ferienhäusern, Berghütten, endet die Straße an einem Campingplatz. Hier beginnt der Wanderweg, der sich zunächst sanft im Wald den Berg hinauf windet. Schilder warnen, dass das Gebiet alpin und daher nur mit der nötigen Erfahrung und Ausstattung zu begehen sei. 



Die Ausblicke sind gigantisch. Zunächst können wir nur dann in die Ferne schauen, wenn wir einen Waldabschnitt mit niedrigen Bäumen erreichen. Dann aber erreichen wir die Baumgrenze und haben eine uneingeschränkte Aussicht. Dafür wird es gleich schlagartig kalt und stürmisch. Je höher wir kommen, desto ungemütlicher wird es. Der Waldboden wurde längst durch Geröllfelder abgelöst. Aber der Weg ist gut erkennbar und leicht zu gehen. 



Vor mir in einiger Entfernung tauchen zwei große Tiere auf, sie haben lange, gerade Hörner an den Köpfen. Es sind Gämsen. Sie wittern und sehen uns, zögern zunächst. Dann geht die erste Gams los, in einiger Entfernung oberhalb von uns den Hang entlang, immer beobachtend, wie wir uns verhalten. Wir bleiben stehen, um die Tiere nicht zu irritieren. Die zweite Gams kommt hinterher. Wir schauen ihnen zu, bis sie im Gelände hinter dem nächsten Hügel aus unserem Blick verschwinden.



Den große Turm auf dem Gipfel vor Augen arbeiten wir uns nach oben. Der Wind erschwert uns jeden Schritt. Unterhalb des eigentlichen Gipfels liegt eine große ebene Fläche, die Straße verläuft hier, nach Osten fällt das Plateau sanft ab, bevor es in der Ferne doch wieder steil runter geht. Hier oben hat der Wind keinen Widerstand, es haut uns fast um. Bis zum Turm sind es noch gut 200 Meter, dann stehen wir endlich im Windschatten und blicken nach Süden Richtung Mittelmeer. Die Sonne wärmt wieder etwas.



Während wir uns zu Fuß den Berg hinauf gekämpft haben, sind viele andere mit Rennrädern die Straße heraufgekommen. Was für eine tolle Leistung. Die Strecke von Malaucène aus ist mehr als 20 Kilometer lang und klettert fast 1.600 Höhenmeter hinauf, mit einer durchschnittlichen Steigung von 7,5 Prozent. Sie ist eine beliebte Etappe der Tour de France und war Anfang des 20. Jahrhunderts auch ein beliebtes Ziel für Autoenthusiasten. 



Heute ist es ein Kinderspiel, mit dem Auto auf den Ventoux zu fahren. Während die Radfahrer und die Wanderer sich von der körperlichen Anstrengung erholen, fällt eine weitaus größere Zahl an Menschen aus den Autos, die auch hier die Szene beherrschen. Aber das 360 Grad-Panorama vom Gipel des Mont Ventoux ist auch wirklich überwältigend. 



Wir kehren kurz auf einen Kaffee in der Brasserie unterhalb des Gipfels ein. Dort herrscht noch die Ruhe vor dem mittäglichen Ansturm. Wir nehmen unsere Mahlzeit abseits des Trubels im Windschatten der Chapelle Sainte-Croix ein, bevor wir uns auf den Weg nach unten machen. Diesmal geht es ein gutes Stück die Straße entlang, zwar können wir über Fußwege abkürzen, aber sie bringen uns immer wieder auf die Teerstraße zurück. 



Auffallend viele Rennradfahrer - die weitaus meisten tatsächlich Männer - kraxeln den Berg hinauf. Die Straße steigt beständig, mitunter steil, dann wieder geht sie in eine flachere Etappe über, die den Radsportlern das Atemholen ermöglicht.



Endlich verlassen wir die Straße und gehen durch den Wald, den wir wieder erreicht haben. Rechter Hand und im Hang über uns sehen wir Schatten: eine größere Gruppe von Gämsen ist dort am grasen, sie bemerken uns nicht, so dass wir ihnen länger zuschauen können. Weiter unten stoßen wir auf eine große Schafherde mit vielen kleinen Lämmern, die laut nach ihren Müttern schreien, obwohl diese stets in ihrer Nähe sind. Vereinzelt werden die Jungtiere gesäugt, wozu das Schaf kurz anhält, um dann gleich wieder weiterzulaufen, wenn es meint, dass es für das Junge jetzt reicht.



Wir sind zurück am Parkplatz und planen beim Kaffee die Weiterfahrt. Wir wollen heute bis kurz vor die spanische Grenze weiterfahren, um morgen als nächste Etappe Tossa de Mar an der Costa Brava zu erreichen. Für heute wollen wir uns nach Möglichkeit einen Platz am Meer suchen.



Also geht es wieder den Berg hinunter nach Malaucène, die Straße ist nicht stark befahren, so dass wir den weiten Blick noch länger genießen können. In Malaucène biegen wir ab in Richtung Carpentras. Der Weg zieht sich endlos dahin, unten im flachen Land sehen wir überhaupt nicht, wo wir eigentlich entlang fahren. Flaches Land, Ortschaften, große und kleine Straßen. Carpentras umfahren wir und kommen irgendwann nach Avignon. Die Durchgangsstraße führt am Rhoneufer direkt am Pont Saint-Bénézet vorbei, der berühmten mittelalterlichen Brücke, die in dem weltbekannten Lied besungen wird. 



Wir wollen noch Wein kaufen, deshalb geht es nicht auf die Autobahn, sondern parallel dazu auf der Landstraße in Richtung Nîmes. Hier herrscht ein ganz schöner Verkehr, wir halten links und rechts Ausschau nach einem Weingut mit Weinverkauf - wenn wir schon hier sind, wollen wir nicht in einem Supermarkt kaufen. An einigen Verkaufsstellen sind wir schneller vorbei, als wir reagieren können. Da ist wieder ein Weingut, aber die Einfahrt ist sehr eng, also weiter. Ein paar hundert Meter weiter kommt ein Kreisverkehr, hier drehe ich und fahre zurück, der Straßenrand hat hier einen Seitenstreifen, da passt der Ducato drauf. Etliche Lastzüge und PKW später gelingt es uns, die Straße zu überqueren. Der Wein ist schnell probiert, ein paar Fläschchen eingekauft - wir wählen nicht die teuersten Sorten -, dann kann es weitergehen. Vor Nîmes fahren wir auf die Autobahn, um nicht zu viel Zeit zu verlieren, denn es ist schon fortgeschrittener Nachmittag.



Hinter Montpellier verlassen wir die Piste wieder und halten uns auf Sète, um die schmale Landzunge hinter dem Étang de Thau anzusteuern. Laut App gibt es hier einen Stellplatz, der nahe am Meer liegt. Den Stellplatz erreichen wir nach langem Gekurve, einem Stau in Sète und zahllosen Kreisverkehren. Die Einfahrt ist mit einer Schranke ausgestattet, man muss zuerst ein Ticket ziehen. Ich wundere mich, dass mir das nicht gelingt, bis ich merke, dass kein Ticket aus dem Automaten kommt, weil der Platz voll ist. Denn beim Vorbeifahren sah es so aus, als gäbe es noch ein paar Lücken.



Also weiter. Wir kommen an ein paar Campingplätzen vorbei, aber die liegen sehr versteckt abseits des Meeres und in einer nicht sehr schönen Umgebung. Rufen wir wieder die App zu Hilfe und folgen ihr nach Agde. Außerhalb der Stadt, am Ufer des Herault, soll ein Wohnmobilstellplatz liegen. Aire de Camping Cars Les Canoës. 



Idyllisch um Ufer des Flusses gelegen, inmitten hoher Palmen und anderem Grün liegt der große Platz. Die Betreiber sind längst im Rentenalter, wirken aber hoch motiviert, auch der deutsche Schäferhund wirkt sehr motiviert, frisst uns aber nicht gleich auf.


Leider wird es gleich schon dunkel, aber wir schaffen es noch rechtzeitig, uns einzurichten und ein wenig auf dem Platz und davor umzusehen. Es ist so warm, dass wir den Abend vor dem Auto ausklingen lassen können.


Die Videos zur Reise findest du auf Youtube unter youtube.com/camperkalli



Teil 1: Anreise über die Schweiz nach Annecy




Teil 2: Der Mont Ventoux



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