An die Ufer der Jagst

Wir nutzen dieses zweite Aprilwochenende, um das Reisen im Camper noch ein wenig mehr kennenzulernen. Es bieten sich Necker und Jagst an. Dort ist es wärmer als auf den Höhen der Mittelgebirge, wie wir sehen werden.

Der Tag beginnt erst einmal mit dem Verkauf meines PKW, den ich nicht mehr benötige, weil ich den langen Arbeitsweg nicht mehr habe. Aber das ist eine andere Geschichte. Nachdem das alles erledigt, Auto und Geld getauscht sind, gehen wir zu unserem Wohnmobilparkplatz und räumen Camperkalli ein. Danach füllen wir am Wohnmobilstellplatz am Kallebad den Wassertank auf. Nun geht’s endgültig los, über den zweiten Ring zur A 671, über das Mainspitzdreieck auf die A 60, A 67, A 5 bis zur Abfahrt Eberstadt, dort den Berg hinauf, an Nieder- und Ober-Ramstadt vorbei, durch Groß-Bieberau und Richtung Reichelsheim, dann hoch nach Böllstein. Hinter Böllstein biege ich links ab, hier kenne ich einen exponierten Haltepunkt mit Blick auf den Odenwald. Hier halten wir, ich habe einen Mordshunger, es ist schon nach zwölf. Ich mache mir mein Müsli, wir trinken Kaffee, den haben wir in der Thermoskanne mitgebracht. 

Weiter geht es über Brombachtal nach Erbach. Hier steigen wir aus und schauen uns die Altstadt an. Sie ist sehr hübsch mit dem großen Schloss und den vielen renovierten Fachwerkhäusern. Wir machen viele Fotos und fahren weiter. Am Ortsende von Erbach ist die direkte Bundesstraße nach Süden, die B 45,  gesperrt. Die Umleitung führt weitläufig über Mossautal. Hinter Beerfelden fällt die Straße stetig ab. War es auf den Odenwaldhügeln noch saukalt, wird es jetzt wärmer und freundlicher. In Eberbach stoßen wir auf den Neckar. Wegen Corona verzichten wir darauf, uns den Ort näher anzusehen und fahren weiter den Neckar entlang bis nach Zwingenberg. 

Am Ortseingang ist ein großer Parkplatz neben einem Ausflugslokal. Hier stehen schon einige Wohnmobile. Wir stellen uns dazu und gehen ans Flussufer. Oberhalb des Ortes ist eine große, gut erhaltene Burg, Schloss Zwingenberg. Das mächtige Bauwerk stammt aus dem 13. Jahrhundert. Da sich die Bewohner aber als Raubritter betätigten, wurden sie vertrieben und die Burg geschleift. Und zwar im Auftrag des Kaissers durch den Pfalzgrafen Ruprecht, der die Universität Heidelberg gegründet hat.

Wir suchen den Weg dorthin. Über die Wolfsschlucht ist es nicht möglich, denn die ist nach Sturmschäden aus Sicherheitsgründen gesperrt. Wir gehen in den Ort hinein, über eine schmale Straße an alten Häusern vorbei, hoch zur Bahnlinie, über die eine Fußgängerbrücke führt. Dahinter verläuft ein Weg hoch zur Burg. Die Burg selbst ist nicht zugänglich, aber der Blick aufs Tal ist schön, hinter der Burg kann man in die Schlucht schauen. Es lohnt sich wiederzukommen. Vor dem Eingang der Burg hat sich eine Wandergruppe mit vielen Kindern niedergelassen. Wir verschwinden wieder. Auf dem Rückweg sammelt Ingrid Bärlauch ein, der im Hang wächst. Am Parkplatz angekommen, kauft Ingrid beim Wirt , der sich darüber freut, zwei Becher Kaffee für Dreivierzig. Wir setzen uns ins Freie, Ingrid auf die Trittstufe, ich auf einen der Hocker, trinken den Kaffee, essen einen Teil des leckeren Backwerks, das Ingrid morgens beim Bäcker Klein gekauft hat, und versuchen uns an Selfies. Dann ist es an der Zeit weiterzufahren.

Bei Mosbach wird das Tal breiter, es kommt viel Industrie, wir sind nahe an Neckarsulm und Heilbronn. Ingrid hat einen Ort namens Bad Wimpfen recherchiert, der liegt malerisch auf der Höhe oberhalb es Neckars. Den steuern wir an, parken am Bahnhof und gehen maskengeschützt in die Altstadt. Ganz großartige Fachwerkarchitektur, sehr gut in Schuss, leider auch hier zu viele parkende Autos. Von der Stadtmauer aus haben wir einen guten Blick ins Neckartal. 

Es geht schon auf den Abend zu, wir fahren weiter, zurück über den Neckar und rein ins Jagsttal, erst am linken Ufer entlang, dann über den kleinen Fluss auf die Jagsttaltouristenstraße. Wir kommen durch nette kleine Orte, vorbei an vielen Burgen und Fachwerkstädtchen. Wo übernachten? Sollen wir die kleinen Sträußchen zum Ufer abklappern? Das macht wenig Sinn, denn die meisten sind für Autos gesperrt, außerdem fahre ich nicht mit einem Dreienhalbtonner ohne Not auf schlecht befestigte Wege. Deshalb fahren wird vom Tal weg auf die Höhe und suchen uns in den Wäldern einen versteckten Platz. 

In Widdern biegen wir links ab den Berg hinauf, nach einigen Kilometern biegen wir nochmal ab auf eine kleinere Straße, die sich weiter den Berg hinauf windet. Jetzt sind wir im Wald, links und rechts tauchen schon Wege auf, die grundsätzlich geeignet erscheinen, aber noch nicht recht überzeugen. Oben auf dem Berg lichtet sich der Wald, wir fahren rechts auf einen einspurigen geteerten Weg, der laut Beschilderung zu einem kleinen Dorf führt. Links ist Wald, rechts sind Felder, soweit das Auge blicken kann. Es ist sehr schön. 

Kurz bevor der Ort in Sicht kommt, scheuchen wir links vom Weg ein Reh auf, haben noch Zeit, es in Ruhe zu fotografieren, bevor es wegläuft. Ich drehe um und fahre ein Stück zurück. Rechts im Wald sehe ich einen verwilderten, offensichtlich nicht mehr genutzten Weg. Hier stoße ich vorsichtig rückwärts hinein, bis wir ungefähr 20 Meter von der Straße entfernt sind und eben stehen. Ich steige aus und schaue, wie der Weg weitergeht. Er endet schnell im Nichts, ein halb verfallender Förstersitz erinnert an bessere Zeiten. Weiter hinten schon ist die Autobahn zu hören. Vermutlich hat sich hier durch den Bau der A 81 einiges geändert. Wir stehen also gut. 

Noch ist es hell und wir beschließen, ein paar Schritte zu gehen. Weit entfernt sind noch zwei Traktoren auf Feldern unterwegs. Dem einen Bauern begegnen wir, als er zurück aufs Feld fährt. Später fährt er mit dem Trecker an unserem Weg vorbei, offenbar um zu schauen, was hier passiert. Das war aber schon das einzige Mal, dass sich jemand für uns interessiert hat. Wir setzen uns ins Auto und kommen an. 

Dann meldet sich der Hunger. Ich öffne die Gasflasche und bringe noch eine Flasche Kaiserstuhler Rotwein aus dem Keller mit nach vorne. Ich wärme den Nudelauflauf vom Vorabend auf, wir sitzen gemütlich in der Diente, essen, spülen anschließend das Geschirr, trinken in Ruhe den Wein und unterhalten uns angeregt. Gegen elf Uhr liegen wir dann in unserem gemütlichen Bett. Es ist ein großartiges Glücksgefühl, hier zu liegen, mitten im Wald, geschützt und warm, und sich auf den nächsten Tag zu freuen. Ich habe vergessen, den Kühlschrank auf Nachtabsenkung zu stellen, so lärmt er ab und zu herum. Aber das ist jetzt egal, ich stehe nicht mehr auf. Gute Nacht.



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