Von Dietkirchen über den Westerwald nach Boppard

Tag 2 meiner kleinen One-Man-Exkursion, der kleinen Flucht aus dem Alltag durch heimatliche Gefilde.

Was für ein Tag. Ich sitze im Wohnmobil auf einem Waldparkplatz am Waldrand auf der Straße von Boppard nach Emmelshausen. Die Sonne ist im Westen hinter den Hügeln verschwunden und leuchtet noch die gegenüberliegenden Rheinhügel an. Der Blick reicht weit, sehr weit. Ich sehe die Marksburg und die feindlichen Brüder, zwei Rheinschleifen davor. Außerdem den Turm auf der Höhe von Pfaffeneck/Waldesch. Die Hochhäuser der Karthause. Ich habe eingeparkt, den Stoffvorhang vor das Heckfenster angebracht und die Gasflasche aufgedreht. Hier will ich heute nacht bleiben. Das Ende eines abwechslungsreichen Tages.

Heute morgen weckte mich der Wecker um 6 Uhr aus dem Tiefschlaf. Es war saukalt, aber unter den zwei Decken kuschelig warm, solange ich kein Körperteil aus den Decken herausstreckte. Ich schlief zwar relativ unruhig, was dem Umstand geschuldet ist, im Auto und somit draußen zu schlafen, aber das Gefühl der Unsicherheit, das ich anfangs hatte, ist durch die zunehmende Erfahrung weniger geworden. Das Auto knackt manchmal, das muss mit den Temperaturen zusammenhängen. Anfangs dachte ich, ein Tier streicht am Auto entlang. Ich stelle den Wecker aus und klettere aus dem Bett, stelle Heizung und Warmwasser an und setze Kaffeewasser auf, fülle Kaffee in die Frenchpress, stelle die Kanne und den Becher bereit, hole die Hafermilch aus dem Kühlschrank. Jetzt heißt es warten, bis das Wasser kocht. Ich schütte den Kaffee auf und lasse ihn ziehen. 

Draußen dämmert es bereits, ich öffne den hinteren Sichtschutz ein wenig. Alles ruhig vor der Tür. Ich gieße mir Kaffee in die Tasse und den Rest in die Thermoskanne. Zurück ins Bett zum Kaffeetrinken. Heiß und stark, ausgezeichnet. Ich trinke zwei Tassen in Ruhe, lese dabei. Dann scheint die erste Sonne von vorne durch das Sunroof. Das gibt ein interessantes Foto durch die Struktur der Kunststoffscheibe. Ein Foto mache ich, indem ich durch die Dachluke nach oben steige. Ein schönes Bild von der Morgensonne über den Auen. Jetzt ins Bad unter die Dusche. Das Wasser ist schön heiß. Danach Bett machen und aufräumen. Nicht gerade wenig, was der Ordnung halber morgens zu tun ist. Aber in einem sehr kleinen Raum ist es wichtig, Ordnung einzuhalten. Spart letztlich viel Zeit. 

Die nächste Tasse Kaffee trinke ich draußen. Dann gehe ich auf die Brücke und schaue über die Lahn und zur Lubentiuskirche. Fotos von der Kirche von vorne, aus dem Ort heraus. Ich drehe einen Bogen durch das Dorf, vorbei an den fürchterlichen Einfamilienhäusern, hässlich, egal ob aus den 1950er Jahren oder neu. Zurück an der Uferstraße sehe ich das Wohnmobil, das hier über Nacht gestanden hat. Er, älterer Mann, ist draußen am Fluss, sie, ich sehe sie durch das verdunkelte Fenster nur schemenhaft, schenkt sich gerade Kaffee aus einer Frenchpress ein. Schön. Ich sehe, dass ein Fußweg hoch zur Kirche führt und folge dem Weg. Er ist schön steil, oben bellt mich ein Hund aus und kommt auch gleich angelaufen. Er sieht aber nicht böse aus. Die Besitzerin kommt und ruft ihn, redet aber nur mit dem Tier, nicht mit mir. Auch recht. Ich gehe aufs Kirchengelände, das Tor ist nicht abgeschlossen, aber leider ist der Weg unter der Kirche durch auf die rückseitige Außenfläche durch ein Tor verschlossen. Aber es gibt eine Stelle, an der ich aufs Ufer schauen kann.

Die Kirche und das Gelände herum sind sehr schön, ich kenne sie noch von früher. Vor siebzehn Jahren, am 13. Mai 2004, haben wir hier eine Spielszene über den Stifter Konrad Kurzbold für die Dom-DVD gedreht. Mit der Szene haben wir versucht, einen Menschen des 13. Jahrhunderts vorzustellen und seine Motive heute verstehbar werden zu lassen. Ich finde, das ist uns damals gut gelungen. Bis auf den Fauxpas, der Domkapitular zu Eltz aufgefallen war, dass nämlich unser Kurzbold mit dem linken Bein am Altar kniete, nicht mit dem rechten. Unverzeihlich. Dazu war es seinerzeit sehr kalt, die Eisheiligen tobten sich aus. Wir haben den ganzen Tag fürchterlich gefroren.

Zurück runter an den Fluss und über die Brücke zum Auto. Noch einen Schluck Kaffee trinken und dann geht es los in den Tag. Ich starte den Motor und bewege das schwere Fahrzeug sanft vom Parkplatz auf die Straße, quer durch Eschhofen und weiter nach Limburg, die Lahn entlang. Ein schöner Blick auf Lahn und Dom, ich habe keine Lust anzuhalten, den Dom habe ich in meinem Leben schon oft fotografiert. Heute nicht. 

Am Rossmarkt biege ich rechts in die Altstadt ab, vorbei an der Post. Die Stadt ist leer, sie wird immer verkehrsberuhigter, und das in diesem konservativen Nest. Weiter über Staffel in den Westerwald. Auch hier setzt der Frühling seine grünen Farbtupfer. Der Tank ist leer, ich will in Assmannshausen nach den Dieselpreisen schauen, aber am Ortseingang von Montabaur, auf der Brücke über die Umgehungsstraße, werde ich abgeleitet, eine Tagesbaustelle. Ich muss also Montabaur umfahren und komme von der Koblenzer Straße rein. Die freie Tankstelle dort ist aktuell zu teuer, also tanke ich noch nicht. 

Mit meiner Mutter verbringe ich den Tag, wir gehen einkaufen, essen ordentlich zu Mittag und machen danach einen längeren Spaziergang in der Sonne, auf den Feldern hinter Ruppach-Goldhausen. An einem Wasserbassin parke ich das Auto. Es ist warm und sonnig, man braucht keine Jacke. Wir drehen unsere Runde, nicht zu schnell, sitzen zweimal auf einer Bank in der Sonne. Es sind auch hier einige Leute unterwegs, viele Ältere auf e-Bikes, einige Junge mit Kinderwagen, Hunden, sogar ein Pferd wird ausgeführt. Zurück am Wohnmobil hole ich den Tisch aus der Dinette erstmals nach draußen, er kann an der Küchenzeile vor der Schiebetür eingehängt werden. Wir setzen uns auf die neuen Stühle, essen selbstgebackenen Streuselkuchen mit Kirschen.

Später tanke ich an der freien Tankstelle im Industriegebiet gegenüber dem Realmarkt. Der Diesel liegt gerade bei 1,21, ein Spitzenwert auch für die Region. 77 Liter passen hinein. Jetzt wird es Zeit weiterzufahren, es ist sechs Uhr. Bei Edeka kaufe ich noch zwei Vollkornbrötchen, ich will nicht viel essen nach einem ordentlichen Mittagessen und Kuchen heute. Dann geht es auf die Bundesstraße nach Koblenz. Am sogenannten großen Herrgott fahre ich durch, obwohl dort die 3-Tonnen-Beschränkung ausgewiesen ist. Keine Lust für den Umweg. In Neuhäusel kann man Richtung Koblenz auf der Ortsumgehung bleiben, auch das spart Zeit. Dann über die Südbrücke und die Schleife auf die Bundesstraße 9 Richtung Boppard, die Strecke, die wir am Ostersonntag gefahren sind. 

In Boppard wollte ich die zweite Straße den Berg hinauf nehmen, die erste ist auf 2 Tonnen begrenzt, die sind wir im März Richtung Mosel gefahren. Ich erwische die Straße nach Emmelshausen und weiss in dem Moment nicht, dass es sich um eine andere als die ursprünglich geplante handelt. Erst geht es kurvenreich durch Randlagen von Boppard, dann in Serpentinen den Berg hinauf. Sehr schön und immer wieder ein Vergnügen mit dem Ducato. Oben ist eine Aussichtsstelle. Ich schaue auf maps.me und sehe einen Parkplatz ein kleines Stück weiter oben an der Straße. Dort fahre ich hin, der Parkplatz ist ein paar Meter abseits der Straße, ebenerdig, mit tollem Ausblick. 

Hier parke ich ein und suche mein Abendessen zusammen, denn da draußen ist ein Rastplatz mit Tisch und Bänken. Als ich hinten im Auto zugange bin, sehe ich zwei Leute mit Walkingstöcken auf das Auto zugehen. Ich denke, die wollen mir sagen, dass ich hier nichts zu suchen hätte wegen Corona und so. Bin also schon mal propylaktisch genervt. Ich öffne die Schiebetür und sehe, dass der Mann zwei Stöcke längs vors Auto gelegt hat. Ich frage, ob ich helfen kann. Er sagt, sie wollten herausfinden, wie lang das Auto ist. Sie seien selbst gerade dabei, sich für solch ein Fahrzeug zu entscheiden. Ich bin platt. Wir führen ein längeres Gespräch über das Auto und die Entscheidung, ein solches zu kaufen. Vielleicht konnte ich ja zur Klarheit beitragen, jedenfalls dazu, dass es sich um ein gutes Lebensgefühl handelt, mit einem solchen Auto unterwegs zu sein. 

Sie verabschieden sich und ich setze mich jetzt an den Tisch und esse meine Vollkornbrötchen mit Bergkäse und ohne Butter sowie einen Apfel. Es wird langsam kühl. Ich trage anschließend das restliche Obst ins Auto, ziehe meine Jacke über und gehe noch ein paar Schritte den Weg entlang. Auf dem Rückweg fliegt ein Specht an mir vorbei und auf einen großen Baum zu. Ich sehe den Vogel den Baum hinauf klettern und immer wieder in die Rinde hineinpacken. Erstaunlich, wie groß der Specht ist, auch die Augen sind sehr groß, am Hinterkopf hat er ein rotes Federbüschel. Er steigt soweit den Baum hinauf, dass ich ihn irgendwann nicht mehr sehen kann. 

Ich setze mich ins Auto und klappe das Notebook auf, um den heutigen Tag festzuhalten. Noch ist es hell und ich lasse die Fenster unverhängt. Später wird es kalt und ich schalte die Heizung ein, dafür haben wir sie ja. Frieren macht auch keinen Spass. Dann koche ich mir eine Kanne Tee - merkwürdig, ich weiss nicht, wo das rote Feuerzeug vom Shopride in Südafrika hingekommen ist. Zum Glück sind noch Streichhölzer da. Ich hole die kleine Akkuleuchte aus dem Oberschrank und zünde eine Kerze im Stövchen an. Das ist sehr heimelig. Ich freue mich auf den morgigen Tag. Ich hoffe, morgen früh ist das Wetter noch gut, so dass ich in Boppard den Berg hinauf laufen kann.   



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