Die Felsen rauf und runter

Tag 2 des Pfingstausflugs in das Dahner Felsenwand. Heute wird es ernst, eine sechsstündige Tour will gegangen werden. Dabei sind wir nicht alleine. Es ist Pfingsten, und der Lockdown hat sich gelockert.

Was habe ich gut geschlafen. So ein Campingplatz gibt doch ein Gefühl der Sicherheit, so dass nicht ständig ein Ohr im Schlaf die Geräusche draußen verfolgt. Ich bin auch „erst“ gegen sieben wach. Es ist irre kalt, das Thermometer zeigt 12 Grad an. Nix wie die Heizung und das warme Wasser einschalten und Kaffeewasser aufsetzen. Das Jalousie der Schiebetür ein wenig aufschieben und einen ersten Blick nach draußen riskieren. Oh, die Sonne scheint. Den ersten Kaffee gibt es im Bett, dann geht es unter die Dusche. Als wir dann kurz nach acht vorzeigbar sind, teste ich aus, ob wir ein Frühstück draußen möglicherweise überleben. Ja, das geht, es ist warm genug. Obst klein schneiden, Dinkelbrötchen im Omnia aufbacken, den gepfefferten Ziegenhartkäse und die Pastrami anrichten, dazu Marmelade und Butter, jetzt noch das Vollkornmüsli und den Joghurt. Dann heißt es: Balkonfrühstück am Pfingstmontag (falls noch jemand das Lied von Heinz Rudolf Kunze in Erinnerung hat. Aber der singt vom Gewerbegebiet Nürnberg-Süd und nicht vom Dahner Felsenwand). Ein Frühstück in der Natur haben wir Stadtmenschen nicht so oft. Wie es aussieht, sind wir auch die einzigen, die es wagen. Naja. 

Anschließend packen wir Wasser und Proviant in die Rucksäcke, checken die Kameras und los geht’s. Der Startpunkt des Dahner Felsenpfades ist leicht gefunden, die Richtung ist egal, es ist ein Rundwanderweg. Wir gehen am Wachtfelsen vorbei, auf den wir am Vortag bereits hinaufgeklettert waren, und sind direkt an einer langgestreckten Felsenwand, praktisch noch mitten in Dahn. Ein wenig Zickzack durch die Ausläufer des Ortes, entlang einer grünen Au und über den geteerten Radweg Richtung Süden, dann geht es nach rechts in den Wald hinein, erst gemächlich ansteigend, dann etwas steiler hinauf. 

Weiter vor uns sehe ich aus den Augenwinkeln einen bunten Vogel. Er sitzt auf einem Ast und fühlt sich durch uns gestört. Er ist gar nicht so klein und hat am Federkleid eine leuchtend blaue Zeichnung. Bevor wir überlegen können, was für ein Vogel das ist, schließt von hinten schon ein Paar auf. Ein Eichelhäher, sagt der männliche Teil des Paares. Ich schaffe es, den Eichelhäher mit dem leider sehr trägen Zoom der Sony einzufangen. Das Zoom ist langsam, aber dafür reicht der Telebereich sehr weit. Wenn ich nicht allzusehr zittere, gelingt das ein oder andere Bild. Dieses gelingt, der Vogel macht sich erst nach dem Auslösen davon. Hier ist es ihm zu voll geworden.

Wir gehen weiter den Abhang hinauf. Oben wartet der erste von unzähligen Höhepunkten, eine steile Felsformation. Heller roter Stein, manchmal ins Gelbliche, manchmal ins Gräuliche übergehend, ausgewaschen, hier und da Ausbuchtungen und Höhlen bildend, immer wieder durchbrochen. Die Felsen ragen steil aus dem Boden hervor, manchmal sind sie noch so mit dem Boden verbunden, dass ihre Spitzen zu Fuß erreichbar sind, manchmal können sich geübte Kletterer nach oben durcharbeiten, manchmal bleiben sie den Falken vorbehalten. Zu diesen gehört die erste dieser Felsengruppen.

Der schmale Pfad führt am Hang entlang, der Linie der Felsen folgend. Ringsum ist dichter Wald. Heute ist Pfingsten, viele sind unterwegs. Anfangs, es ist noch früh, ist die Menge der Wandernden noch überschaubar, es wird gegrüßt und zurückgegrüßt, mitunter auch ein Wort oder zwei gewechselt. Mit der Zeit und der steigenden Zahl der Menschen sinkt die Lust dazu. Aber alle sind sichtbar froh, den Tag für diese Wanderung nutzen zu können. Dem Paar, das den Eichelhäher erkannt hat, begegnen wir den ganzen Tag über immer wieder an verschiedenen Streckenabschnitten. Wir wechseln mehr als zwei Worte miteinander. Schön.

Endlich kommt der Weg aus dem dichten Wald heraus und gibt den Blick in die nähere und ferne Umgebung frei. Ein Felsen ist bis nach oben zugänglich. Teilweise geht es steil nach unten. Dass hier noch kein Geländer angebracht ist, wundert sich eine Frau, die zwei Kinder dabei hat. Nach vielen Kurven und Auf und Abs landet der Weg wieder an einer hunderte von Metern langen und zwanzig oder mehr Meter hoher Felsformation. Der Weg biegt mittendrin ganz unvermittelt nach links unten ab und führt durch eine Höhle im Felsen hindurch. Dahinter verläuft er rechts zwischen Felsen und Abhang weiter. Ein Schild warnt davor, den Weg zu verlassen. Hier beginnt eine Schutzzone für die Falken, die hier ihre Nester haben. 

Jetzt kommen wir zu dem schon bekannten Abschnitt, der uns bis zum Rothsteigbrunnen führt. War es bisher recht heiter mit lockeren Wolkenformationen, fängt es plötzlich unvermittelt an zu schütten. Kein Problem, wer eine längere Strecke wandert, ist vorbereitet. Regenjacke, Mütze, alles dabei. Man muss nur kurz den Rucksack vom Rücken nehmen und die Regenkleidung herausfischen, überziehen, und weiter geht’s. Wir folgen eine Zeitlang einer Familie, die dieses Spiel des Regenschutz an- und wieder ausziehen in kurzer Zeit mehrfach durchführt. Das kommt mir ein wenig umständlich vor. Merkwürdig. Aber an so manchem Blick sehe ich, dass auch ich so manchem merkwürdig erscheine, denn statt der üblichen textilen Outdoorhalbschuhe, die hier heute einen Verbreitungsgrad von geschätzten 90 Prozent aufweisen, trage ich meine ultraflachen Barfusswanderschuhe. Das Vertraute definiert unser Verständnis von Normalität, das nicht Vertraute irritiert günstigstenfalls.

So schnell der Regen beginnt, hört er auch wieder auf. Der Weg zieht einen weiteren Linksbogen und führt mal wieder abwärts, um dann später, nach vielen Kurven, den nächsten felgenbestückten Hang hochzuklettern. Immer wieder tolle Ausblicke von oben, immer wieder steile Anstiege unter den Felsen durch. Lange schmale Pfade im Hang durch grüne Waldabschnitte.  Dann wieder runter in ein grünes Tal am Bach. Der Weg führt zur Dahner Hütte. Die ist zwar coronabedingt geschlossen, das hindert aber zu viele Menschen nicht daran, sich im Innenhof eng zueinander zu setzen. Nichts wie weg. 

Kurze Zeit spät ragt im Tal der Elwetritschefelsen auf, er steht steil und hoch über das Tal. Ein Pfad führt direkt nach oben, für Ungeübte schweißtreibend, aber lohnenswert. Toller Blick von oben, Zeit für ein paar Fotos und Videoaufnahmen, bevor wir den kleinen Platz an der Kante für andere freigeben. Jetzt sind wir im letzten Viertel der Wanderung. Der Felsenpfad bietet aber immer noch Spektakuläres. Immer wieder tauchen hohe Felsen auf, verläuft der Pfad mit engen Kurven, die unvermittelt unerwartete Ausblicke bieten. Dann erneut ein Durchbruch durch den Felsen, durch den der Weg mittendurch führt. Ich bin gerade am Eingang, als auf der anderen Seite ein kleiner Hund auftaucht. Die Kamera läuft gerade und fängt dieses wirklich lustige Bild ein. Furchtsame Gemüter erwarten Gespenster am Ende des dunklen Tunnels, dieses Gespenst ist ein kleiner netter Hund.

Jetzt geht es bergab Richtung Dahn, noch ein Aussichtspunkt ist zu erklettern, noch ein Rundblick zu werfen, dann wieder runter bis auf die Höhe des Ortes. Aber auch hier hört der Weg noch nicht auf, sondern steigt hinter einem Sportplatz erneut in die Höhe, eine letzte Felsengruppe, ein allerletzter freier Blick, und schon sind wir zurück am Campingplatz. Am Ende haben wir hunderte von Fotos geschossen, dutzende Videosequenzen mit dem iPhone aufgenommen, die noch zu einem Film zusammengeschnitten werden wollen. Wir sind erst einmal zurück, nach ungefähr sechs spannenden Stunden. Jetzt heißt es Kaffee kochen und den runden Apfelstreuselkuchen auf den Tisch. Das haben wir uns verdient. 

Das Wetter hat sich wieder gefangen, wir können also draußen sitzen, in unserem temporären Garten vor dem Wohnmobil. Zum Aperitif später gibt es einen Portugieser Weißherbst, den wir im Kiosk des Campingplatzes kaufen, lieblich zwar, doch kalt gut zu trinken. Dann mache ich mich ans Kochen. Heute mit dem Omnia, der schwedischen Camper-Allzweckwaffe. Ich gestehe, Zucchini und Möhren brate ich vorher in der Pfanne an, gebe Zwiebeln und Paprika dazu, bevor ich die Vollkornnudeln und Schältomaten in den Omnia und das Gemüse dazu gebe. Nach einer halben Stunde kommt der Mozzarella oben drauf (schon wieder Mozzarella, fällt mir gerade auf, dabei ist das für mich unüblich, da ich gerade mehr zum veganen Kochen neige). Eine weitere halbe Stunde, und der Nudelauflauf ist fertig. Der Käse ist natürlich nicht knusprig geworden, da muss ich noch ein wenig forschen und experimentieren. Aber es schmeckt sehr gut. Wir bleiben beim Weißherbst. Erneut können wir draußen essen, spülen anschließend, um dem Chaos im Camper nicht die Vormacht zu zu geben, sehen der Dämmerung beim Dämmern zu und gehen hinein, als es kalt wird. Wieder ein wahnsinnig schöner Tag, den wir im Auto beschließen, gewärmt von der Dieselheizung, in freudiger Erwartung auf einen gesunden Schlaf im bequemen Bett. Morgen ist ein neuer Tag.




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