Wir haben zwei Wochen Zeit und beschlossen, mit dem Camper nach Slowenien zu fahren. Nach eineinhalb Jahren Pandemie der erste Auslandsaufenthalt. Da wir beide geimpft sind und zum Zeitpunkt des Reiseantritts keine Warnungen für Slowenien bestehen, wollen wir es wagen.
Ingrid hat die Reise wie gewohnt gut vorbereitet. Wir wollen in die Weinbaugebiete in Ostslowenien, in verschiedene Gebirgsregionen der slowenischen Alpen sowie nach Piran an die Adriaküste. Piran haben wir schon einmal besucht, als wir eine Woche im italienischen Triest verbrachten. Beginnen wollen wir mit dem Osten, unsere Fahrtstrecke wird über Würzburg, Nürnberg, Passau und Graz nach Maribor verlaufen.
Ich bereite das Wohnmobil vor, wasche es, damit man die rote Farbe wieder sieht, fülle den 100 Liter Frischwassertank, da wir die ersten Nächte freistehen wollen und nicht wissen, ob wir unterwegs Wasser nachfüllen können, und den 90 Liter Dieseltank auf, mit dem wir gut 1.000 Kilometer weit kommen. Denn bei moderater Fahrweise von 100 bis 110 km/h auf der Autobahn und zurückhaltender Beschleunigung auf Landstraßen verbraucht der 160 PS-Motor in Verbindung mit der Neungangwandlerautomatik etwas weniger als neun Liter Diesel.
An Lebensmitteln haben wir immer Reis, Nudeln, Couscous und Quinoa, Müsliflocken, in Dosen Schältomaten, Thunfisch, die ein oder andere Fleischkonserve, ein breites Sortiment an Gewürzen, Balsamicoessig, Raps- und Olivenöl, Marmelade, Kaffee sowie die ein und andere Flasche Wein an Bord, weil es sich sämtlich lange auf Vorrat lagern läßt. Für die Reise selbst füllen wir den riesigen Kühlschrank mit frischem Obst und Gemüse, ich koche auch gerne für die ersten ein oder zwei Tage vor, in diesem Fall einen veganen Reisauflauf mit mexikanischem Touch aus schwarzen und roten Bohnen, Paprika, Tacochips, Tomaten, viel Chili und einem Topping aus Erdnussmus und zerkleinerten Erdnüssen.
Am Samstagmorgen um neun Uhr sind wir auf der Piste. Die Strecke ist einfach, wir fahren am Wiesbadener Kreuz auf die A3 und bleiben auf ihr bis zur österreichischen Grenze hinter Passau. Wir passieren die Großräume Frankfurt, Würzburg und Nürnberg, etliche lange und sehr lange Baustellen, in denen wir mit dem inklusive Rückspiegel 2,35 Meter breiten Ducato meist brav auf der rechten Spur verharren. Wenn der Verkehr nicht allzu dicht ist und die Abstände zu gering zu werden drohen, bleibt der Tempomat auf ca. 105-110 km/h eingestellt. An das LKW-hafte Beobachten des rückwärtigen Verkehrs durch die Außenspiegel haben wir uns schnell gewöhnt, trotzdem wünschen wir uns oft genug einen permanenten Blick über einen Innenspiegelersatz. Fiat hat ja angeblich seit dem Modelljahr 2022 einen Monitor als Innenspiegel, der an eine zweite, permanent arbeitende Heckkamera gekoppelt ist. Das wäre eine Optimierung.
Kurz vor der Grenze kaufen wir die Autobahnvignette für Österreich, die preiswerteste gilt für 10 Tage und kostet 9,50 Euro. Das reicht leider nicht für die Rückfahrt in 14 Tagen, so dass wir dann erneut eine Vignette kaufen müssen, denn die nächste Kategorie ist die Zweimonatsvignette für 27,80 Euro. Hinter der Preispolitik steckt System.
Auch wenn Slowenien an einem Tag erreichbar wäre, wollen wir in Österreich eine Zwischenübernachung einlegen. Dafür haben wir uns den Traunsee ausgesucht und steuern die Kleinstadt Gmunden an. Am Ortseingang tanken wir erst einmal auf, der Diesel kostet hier nur 1,18 Euro, großartig. Mit Hilfe der Park4Night-App finden wir einen großen Parkplatz, der nachts kostenlos genutzt werden kann. Er befindet sich in Laufweite zur hübschen Innenstadt von Gmunden. Als wir am späteren Nachmittag ankommen, ist der Platz noch ordentlich mit geparkten Autos gefüllt, die bis zum Abend aber fast alle verschwunden sind. Der Platz liegt nicht weit vom Seeufer entfernten der Nähe befinden sich sogar zwei öffentliche WC, von denen eines die Nacht über geöffnet bleibt. Das ist gut, da wir dadurch das Bord-WC schonen können und nicht so schnell zum Entsorgen müssen.
Der See ist recht groß, laut Wikipedia ist er mit 24 Quadratkilometern Fläche der viertgrößte See Österreichs und mit 191 Metern sogar der tiefste! Was sich dort in den Tiefen wohl so alles abspielt? Von Gmunden aus kann man das Ende nicht sehen, da der See nach rechts abknickt. Da wollen wir morgen entlang fahren, Richtung Hallstädter See.
Das Ästhetische an Bergseen ist, dass das glatte blauschimmernde Wasser von Bergen eingerahmt wird. Auf dem See sind viele weiße Segel kleiner Boote zu sehen. Ein einzelner Mann steht auf dem ersten von gut zehn hintereinander gekoppelten Ruderbooten, die er offenbar ins Nachtquartier bringt. Auf dem Uferweg sind etliche Personen unterwegs, die Sonne steht schon tief und erzeugt ein warmes Licht. Richtung Stadt befindet sich der Zulauf der Traum, über eine Brücke und durch die dahinter liegende Durchfahrt des Kammerhofs geht es in die Stadt. An der Uferpromenade die üblichen Lokale mit Tischen draußen, Stege mit Segel- und Ruderbooten, auch einige wenige größere Passagierboote.
Wir gehen ein gutes Stück die Promenade entlang, auf der vorgelagerten Halbinsel links vor uns leuchtet weiß Schloß Ort. Dort gehen wir aber nicht hin, sondern ein Stück die Altstadt hinauf zum Marktplatz und durch die hübsche enge Traungasse zurück. Da es langsam dunkel wird und wir hungrig sind, setzen wir uns in den Camper, wärmen den verbereiteten Reisauflauf und lassen es und mit dem Essen und einem Glas Wein gut gehen.
Am frühen Morgen ist der Platz noch leer, nur links und rechts von uns haben sich zwei PKW eimgefunden, ganz dicht, als suchten sie die Wärme des Wohnmobils. Nach einem schnellen Kaffee und einer heißen Dusche fahren wir los, wir wollen ja nach Slowenien. Der Platz füllt sich derweil schnell, der Kleidung nach zu urteilen vorwiegend mit Wanderern. Denn nicht weit entfernt liegt die Grünbergseilbahn, mit der man schnell auf eine ordentliche Höhe kommt.
Wir durchqueren die Stadt und fahren am westlichen Seeufer entlang über Bad Ischl zum Hallstädter See. Die gut ausgebaute Landstraße biegt am See bei der Gosaumühle rechts ab, wir folgen dem engen Ufersträßchen nach Hallstadt. Das Ufer ist extrem schmal, der Berg erhebt sich steil aus dem See. An Hallstadt vorbei geht es durch einen Tunnel bis zum südlichen Ende der kleinen Stadt. Wir würden sie uns gerne anschauen, jedoch gibt es für Wohnmobile keine Parkmöglichkeit, nur Verbotsschilder. Auf dem Stellplatz wollen sie 10 Euro fürs Parken, das ist übertrieben, also verzichten wir auf den Stadtrundgang und fahren weiter bis zu einem Parkplatz, der gut drei Kilometer entfernt liegt und uns wenigstens einen Blick auf die Stadt erhaschen lässt.
Weiter geht es durch Obertraun und Koppenrast und den Koppenpaß hinauf. Der ist zwar nur knapp 700 Meter hoch, will aber über eine 23 prozentige Steigung erklommen werden. Der Ducato hat damit kein Problem. In Bad Aussee geht's wieder auf die Bundesstraße, die wir in Bad Goisern verlassen haben, der Heimatstadt von Hubert Achleitner, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Hubert von Goisern. Weiter zockeln wir kilometerweit durch das Salzkammergut, bis wir hinter Liesen die Autobahn 9 Richtung Graz erreichen. Für den Gleinalmtunnel ist Maut zu entrichten, das bremst den Verkehr wieder etwas aus, ansonsten läuft es gut. Vorbei an Graz und bald haben wir die Grenze nach Slowenien erreicht. Wir wechseln das Land, bleiben aber auch hinter der Grenze in der Steiermark.
Vor der Grenze war es an der Zeit, eine weitere Autobahnvignette zu kaufen. Denn auch Slowenien setzt das praktische Vignettensystem ein. Die Siebentagevignette kostet 15 Euro, die nächste Kategorie der Einmonatsvignette kostet 30 Euro. Da wir zwei Wochen bleiben werden, kaufen wir natürlich die Monatsvignette.
Unser erster Stop ist die Stadt Maribor, die Hauptstadt der slowenischen Steiermark und mit gut 110.000 Einwohner:innen zweitgrößte Stadt Sloweniens. Ich kannte sie bislang nicht und lerne, dass sie unter der deutschsprachigen österreichischen k & k-Monarchie Marburg hieß, Marburg an der Drau. Jetzt verstehe ich, warum das hessische Marburg stets mit dem Zusatz an der Lahn genannt wird. Alte Sprachgewohnheiten sind hartnäckig. Wovor haben eigentlich die Gendersternchenkritiker solche Angst?
Es ist eine ordentliche Strecke von der Autobahn über den Gewerbegürtel in die Innenstadt von Maribor, aber der Weg lohnt sich. Wir finden einen guten Parkplatz in der Razlagova Ulrica, von dem aus wir loslaufen, nachdem ich endlich mein dem Intervallfasten geschuldetes spätes Müslifrühstück zu mir genommen habe. Auf dem Platz Trg Svobode steht das große kugelförmige Denkmal des nationalen Befreiungskrieges, das an die Partisanen erinnert, die im zweiten Weltkrieg von unseren verbrecherischen Landsleuten getötet worden sind. Das Elend, dass die Nationalsozialisten über Europa gebracht haben, ist auch heute noch überall gegenwärtig. Eine Schande, die ein leider bekannter AfD-Opa hier mit dem Ausdruck Fliegenschiss zu relativieren versuchte.
Vorbei am historischen Museum geht es in die Fußgängerzone. Hier sehen wir die Labels, die wir aus Deutschland kennen, C&A, Aldis österreichischer Ableger Hofer, DM-Markt, Drogerie Müller. Diese und viele andere Ketten findet man in ganz Slowenien. Auf dem Hauptplatz mit der Pestsäule und dem Rathaus setzen wir uns in den Außenbereich eines Cafés. Die Kaffeekultur in Slowenien schlägt eine interessante Brücke zu denen der Nachbarländer Österreich und Italien: Wasser zum Kaffee und dieser schön stark aufgebrüht. Die Bedienung ist sehr nett und aufmerksam.
Slowenisch erschließt sich für uns unbedarfte Erstbesucher:innen in keiner Weise, wir scheitern schon am fremdartigen Schriftbild mit den fehlenden Vokalen und großzügig eingesetzten Akzenten. Umso mehr erleichtert uns heute und in den folgenden Tagen, dass wir uns trotzdem mit den meisten Menschen verständigen können, mit den Jungen auf Englisch, mit vielen, insbesondere Älteren, auf Deutsch.
Wir gehen weiter bis zum Ende der Fußgängerzone, wo die Altstadt aufhört und sich ein modernistisches Einkaufszentrum anschließt, biegen ab zum Ufer der Drava und den Fluß entlang zurück durch den alten Stadtteil Lent. Nette Lokale, eine grüne Uferpromenade, vorbei am runden Turm namens Sodni Stolp und der Synagoge Žički dvor. Zurück über den Marktplatz und durch die Altstadtgässchen, kurz einen Blick auf die Kathedrale geworfen und dann Richtung Franziskanerkirche und zum Parkplatz, wo das Wohnmobil wartet. Maribor verdient eindeutig mehr Aufmerksamkeit, Grund genug, wiederzukommen.
Doch heute fahren wir weiter nach Ptuj, die alte Stadt, auf Deutsch Pettau, sie gilt als die älteste der slowenischen Steiermark, und liegt flußaufwärts an der Drava. Da der Nachmittag bereits fortgeschritten ist, wollen wir zunächst die Stellplatzfrage klären. Park4Night schlägt einen Platz in der Stadt am linken Flussufer vor, mehr oder weniger im Hof eines Lokals. Eine Alternative ist ein neuer offizieller Wohnmobilstellplatz ein paar Kilometer südlich von Ptuj am Ufer der Drava, dort wo sie zum Ptujsko Jezero, dem Ptujsee, aufgestaut ist. Das klingt verlockender, vor allem, weil das Wetter schön ist und wir noch ein wenig in Ruhe die Sonne in der Natur genießen wollen.
Dank Navi lässt sich der kleine Platz gut über Nebenstraßen und geteerte Feldwege ansteuern. Er bietet für gut 10 Wohnmobile ausgewiesene Stellplätze, jeder Platz ist mit einer geteerten ebenen Parkfläche, einem Stück Wiese und einer Hecke zum Nachbarplatz begrenzt. Es sind noch einige Plätze frei, als wir kommen. Es gefällt uns gut, wir beschließen zu bleiben. Eine Ver- und Entsorgungsstelle ist ebenfalls eingerichtet und macht einen ordentlichen Eindruck. Der Platz ist bereits mit einer Schranke versehen, aber derzeit ist er noch kostenlos nutzbar. Das ist ein ganz toller Service der Gemeinde Zabovci, auf deren Gemarkung der Platz liegt.
Es gibt auch einen Stromanschluss, doch auf den verzichten wir, da wir in der Sonne stehen, wodurch das Solarpanel auf dem Dach seiner Arbeit nachkommen kann, und wir heute schon eine lange Strecke gefahren sind, während der die Lithiumbatterie ordentlich aufgeladen wurde. Jetzt erst einmal ankommen, Markise, Tisch und Stühle raus, Kaffee kochen und den Apfelkuchen, den ich vor der Abfahrt gebacken habe, auf den Tisch. Der Kuchen ist besonders kalorienarm, mit nur zwei Eiern und Dinkelvollkornmehl sowie Agavendicksaft statt Zucker gebacken.
Um über den See zu schauen, müssen wir zuerst auf den hohen Deich steigen. Vor dem Deich ist noch ein tiefer Wassergraben angelegt, den in regelmäßigen Abständen eine Fußgängerbrücke quert. Den Deich hoch geht es über eine Treppe. Der Blick ist überwältigend schön. Rechts in einiger Entfernung sieht man die Altstadt von Ptuj und die alte Burg darüber. Hinter dem See ein sehr interessanter Mittelgebirgszug, eine hügelige Landschaft, einen Teil von ihr, das Weinanbaugebiet Haloze, werden wir am nächsten Tag noch durchqueren. Die kroatische Grenze ist nah, ein Teil dessen, was wir sehen, wird schon zu Kroatien gehören.
Obwohl wir noch genügend Reisauflauf im Kühlschrank haben, wollen wir am Abend essen gehen. Google Maps kennt ein Restaurant am Ende des Ptuisko Jezero, gleich hinter der Staumauer. Die Beschreibung liest sich gut. Wir gehen dort hin und benötigen knapp eine halbe Stunde, vielfaches Stehenbleiben, Staunen und Fotografieren eingerechnet. Das Gasthaus, auf slowenisch Gostilna, heißt Okrepčevalnica Palaska, wobei Okrepčevalnica ganz bescheiden für Imbiss steht.
Wir setzen uns in den Biergarten hinter dem Haus, außer uns sitzt nur ein älterer, bäuerlich gekleideter Mann beim Feierabendbier, aber dann füllt sich der Garten sehr schnell mit weiteren Gästen. Die junge Frau, die alleine den Service macht, ist sehr aufmerksam und schnell. Die Speisekarte ist umfangreich, wir wählen eine Fischplatte für zwei Personen, eine Flasche Mineralwasser und eine Flasche Weißwein.
Der Wein ist ein Cuvee aus dem Anbaugebiet Jerusalem-Ormož, das hier ganz in der Nähe liegt und dass wir ebenfalls aufsuchen wollen, einfach und herb, die Literflasche für weniger als 10 Euro. Die Fischplatte ist riesig, verschiedene gebratene Fische am Stück, kleine Garnelen, Pulpo. Dazu jede Menge unterschiedliches in der Pfanne zubereitetes Gemüse, Salzkartoffeln und Pommes Frites. Großartig.
Als wir zum Camper zurückkommen, ist es längst dunkel. Der Wohnmobilstellplatz ist nicht nur voll, es stehen auch noch Fahrzeuge auf der Wiese hinter dem Platz, und immer noch kommen Wohnmobile über den Feldweg angefahren. Am Morgen sind die meisten wieder verschwunden, während wir in Ruhe unseren Kaffee trinken, den Nachbarn zuschauen, wie sie sich mit ihren beiden Hunden beschäftigen, und anschließend WC und Grauwassertank entsorgen und Frischwasser nachfüllen. Dann brechen wir unsere Zelte ab und fahren nach Ptuj, um uns die Stadt anzuschauen. Darüber berichten wir im nächsten Beitrag.



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