Adijo Piran, wir fahren weiter. Wie immer stehen wir früh auf, heute ist schon mehr los auf dem Platz. Wir haben hier drei Nächte gestanden, um uns herum haben die Fahrzeuge gewechselt. Standen anfangs fast nur Camper mit deutschen Kennzeichen, überwiegen jetzt die Slowenen mit Nummernschildern aus Ljubljana, Maribor, Celje, denn es ist Samstag, Wochenende.
Nachdem wir das Wohnmobil abfahrbereit haben, laufen wir zur Rezeption und zahlen. Entsorgen ist möglich, dazu lässt uns der junge Mitarbeiter zunächst vom mit der Schranke verschlossenen Platz und öffnet uns die Schranke für den eigentlichen Campingplatz. Die WC-Entsorgung findet in der Behindertentoilette statt, diese Tür schließt mir eine Mitarbeiterin auf. Das Grauwasser sollen wir in den Gulli hinter dem Sanitärgebäude ablassen, na gut, wenn das gewünscht ist, machen wir das so. Unser Spülmittel und die Seifen sind biologisch vollständig abbaubar, damit können wir keinen Schaden anrichten. Jetzt haben wir einen großen Personalaufwand verursacht, aber nach unserer Beobachtung ziehen die meisten Wohnmobilisten nach einer Nacht weiter und leeren ihre Tanks nicht hier.
Als die Entsorgung erledigt ist - Frischwasser hatte ich schon am Vorabend in mehreren Gängen quer über das Gelände mit dem 20 Liter-Kanister aufgefüllt -, verlassen wir den Platz, durchqueren die Außenbezirke von Piran und fahren Richtung Triest. Doch vorher wollen wir noch einen Abstecher nach Izola machen, auch diese nette Hafenstädtchen hatten wir vor sechs Jahren schon einmal kurz besucht.
Von der höher verlaufenden Durchgangsstraße geht es steil runter, der Ort liegt in voller Pracht vor uns. Wir parken ein wenig außerhalb des Zentrums und laufen durch den modernen Sporthafen Richtung Altstadt. Rechter Hand taucht ein großer Wohnmobilstellplatz auf, vorne Blick aufs Meer und die Segelboote, hinten auf Häuserfronten. Kein schlechter Platz für ein oder zwei Übernachtungen. Auf der Promenade sitzen die ersten Kafeetrinker in den Bars, hinter einer Kurve wird vom Kutter fangfrischer Fisch verkauft. Da wir heute in Triest essen gehen wollen, müssen wir leider passen.
Izola ist kleiner und unspektakulärer als Piran, besitzt aber auch eine sehr interessante Altstadt mit vielen engen Gassen. Im caffe alle Porte, an der Kreuzung zweier Gassen gelegen, setzen wir uns an einen Außentisch und bestellen Kaffee. Das Café, sowie das gleich gegenüber liegende, sind an diesem Samstagmorgen gut besucht, dem Anschein nach überwiegend von Einheimischen, die ihren Geschäften nachgehen, auf dem Weg zum Markt sind und angeregt miteinander reden.
Der Markt besteht hauptsächlich aus verschiedenen Obst- und Gemüseständen mit den frischen Produkten der Saison im Angebot. Wie in allen Orten in Slowenien stehen auch hier kleine Buden mit einem ganz besonderen Angebot: Palačinke - auf Deutsch (besser: Österreichisch?) Palatschinken, Pfannkuchen auf die Hand. Verlockend, aber wir passen auch hier.
Zurück zum Auto bereiten wir uns statt dessen unser tägliches Müsli zu. Während wir im Auto sitzen und das späte Frühstück einnehmen, fährt vor unserer Nase auf der Straße der weiße Knaus-Ducato mit Moerser Kennzeichen vorbei, unsere Stellplatznachbarn aus Jeruzalem. Zufälle gibt es! Sie sehen uns nicht und sind schnell hinter der nächsten Ecke verschwunden. Gute Reise weiterhin!
Wir verschwinden jetzt ebenfalls, zurück auf die Straße nach Koper, die bald vierspurig wird und in die Stadtautobahn nach Triest mündet. Die italienische Grenze ist ohne Probleme überquert, wir folgen den Schildern Richtung Hafen, die Stadtautobahn verläuft erhöht zwischen Meer und Stadt, sie ist heute wenig befahren, wir sind schnell am Hafen. Vor der Einfahrt zum Freihafen, an der Riva Traiano, ist eine Reihe von Parkplätzen, die kostenfrei genutzt werden können. Hier könnten wir auch über Nacht stehen, jedoch erscheint uns das Gelände nicht sicher genug. Hier sind zwar ständig LKW unterwegs, aber die Fahrer sind mit ihren Dingen beschäftigt. Ansonsten ist das Gelände zu wenig einsehbar.
Da fahren wir lieber wieder ums Eck in den hinteren Bereich der Via Ottaviano Augusto. Rechter Hand, bevor die Via Giulio Cesare abbiegt, sind Parkbuchten, die lange und breit genug für den Camper sind. Es stehen auch schon ein paar andere dort. Gegenüber befindet sich der erste größere Parkplatz von denen, die sich die gesamte Promenade entlang ziehen. Ab hier ist das Parken kostenpflichtig, hier hinten noch 80 Cent je Stunde, weiter im Centrum 1,20 je Stunde. Ab 20 Uhr dann kostenlos.
Das erscheint uns sicherer, weil hier auch viel mehr Menschen unterwegs sind. Wir füttern die Parkuhr und gehen los, Richtung Promenade. Hier, im Zentrum der Promenade vor dem Rathaus, sind zwei gigantisch große Kreuzfahrtschiffe vertäut, hässliche große Pötte, über viele Stockwerke Fenster an Fenster, teils mit kleinen Balkonen ausgestattet, unendlich lang, ewig breit, als ob man zwei Wohneinheiten des sozialen Wohnungsbaus ins Meer gestellt hätte. Oder realsozialistische Plattenbauten.
Die Parkflächen davor sind weiträumig abgesperrt, Lastzüge, deren Ladungen jetzt in den Schiffsbäuchen kaum auffallen dürften, verlassen nach und nach das Gelände, Busse spucken ihre Fahrgäste aus, aus Richtung des Triester Hauptbahnhofs jenseits der Promenade kommen Fußgängerströme, viele mit Rollkoffern, alle bewegen sich auf die beiden Kähne zu, wo Einlasskontrollen wie am Flughafen auf sie warten.
Auf der Piazza Unita d'Italia, auf der sich das Rathaus und die Regionalverwaltung befinden, läuft gerade irgendetwas Größeres. Carabinieri haben die Straße abgesperrt, auf der offenbar demonstriert wird. Auf dem Platz selbst sind Zelte aufgebaut, es handelt sich um eine Art Wissenschaftsausstellung. Das Motto hängt auf einem großen Banner quer über dem Platz: "Trieste Citta della Conoscenza" - Triest - Stadt des Wissens. Verschiedene universitäre Fachgebiete stellen sich und ihre Arbeit in den Pavillons vor. Es sind viele Menschen unterwegs, die Stimmung ist locker und heiter.
Wir gehen weiter zur Molo Audace, einem zweihundert Meter langem Pier, von dem aus, daran erinnern wir uns noch, man einen herrlichen Blick auf den Golf von Triest hat. Aber heute versuchen die beiden Kreuzfahrtschiffe, dem Meer die Show zu stehlen. Wir gehen bis zu Spitze, auf dem Wasser sind viele kleine Segelboote zu sehen, die vom Pier der Lega Navale Italiana aus gestartet sind. In der Ferne sehen wir vermutlich auf Grado jenseits der Bucht.
Unser Weg führt uns jetzt in die Stadt, über die Piazza Unita d'Italia Richtung Börsenplatz und in die Via della Cassa di Risparmio, die Sparkassenstraße. Hier passieren wir das Buffet da Pepi, wo wir später essen wollen. Erstmal gehen wir zum Canal Grande, der von einem Kanal durchquerten Straße, die an Venedig erinnert. Auch hier ist der Teufel los, die Menschen drängen sich an den Brüstungen zum Kanal. Dort wird an zwei Stellen Kanu-Polo gespielt, ein Mannschaftsballsport, bei dem die Spieler:innen in Kanus, in zwei Mannschaften eingeteilt, versuchen, einen Ball in das jeweils gegnerische Tor zu ballern.
Wir setzen uns vor ein Café in der Via Gioachino Rossini und schauen dem Wettkampf beim Kaffee zu, bevor wir den Kanal entlang, vorbei an der Chiesa Sant'Antonio zur Piazza Carlo Goldoni weitergehen, benannt nach einem Schriftsteller und Librettisten des 18. Jahrhunderts. Am Ende des Platzes führt eine breite Straße bergauf in einen großen Autotunnel hinein, der die Stadt unterquert und zu den höher gelegenen Stadtteilen und schließlich wieder zur Stadtautobahn am Golf führt.
Wir gehen noch ein Stück den Corso Umberto Saba entlang, benannt nach einem Dichter des 20. Jahrhunderts, bevor wir einen größeren Bogen durch die umliegenden Viertel schlagen. Wir gehen durch kleine Gassen, in denen Menschen noch beim Mittagessen auf der verkehrsberuhigten Straße sitzen, vorbei an langen Reihen parkender Motorroller, in lange gerade Straßen hinein, die rechtwinklig verlaufen und nach links stark ansteigen, nach rechts bergab verlaufen, um gegenüber wieder stark anzusteigen.
Fünf- und noch mehr stöckige Wohnhäuser stehen entlang der Straßen, hier werden gerade die Müllcontainer geleert, dort geht es in ein Parkdeck eines Sparmarktes. Vorbei am Ospedale Maggiore gehen wir zurück zum Ausgangspunkt, zur Kreuzung Piazza Carlo Goldoni und Corso, bevor wir, vorbei am Tunnelportal, den Hügelpark zum Oratorio San Guiseppe Montuzza und zum Castello di San Giusto erklettern. Von der Burg aus hätte man einen tollen Blick auf den Golf von Triest, aber den Eintritt wollen wir uns heute sparen, da wir uns nicht ganz so viel Zeit nehmen wollen.
So gehen wir durch die Altstadtgassen wieder runter Richtung Hafen, vorbei am malerischen antiken Bogen Arco di Riccardo, der Basilica di San Silvestro und der Chiesa Santa Maria Maggiore. Rechter Hand sieht man das extrem hässliche Gebäude der Questura, das Polizeipräsidium, herausragen. Hier lässt der Schriftsteller Veit Heinichen seinen Commissario Laurenti wirken, in der Fernsehserie dargestellt von Henry Hübchen und leider genauso einschläfernd wie die Donna Leon-Verfilmungen, in denen Uwe Kokisch den venezianischen Kommissar Brunetti mimt. Deutsche Verfilmungen, die in Italien spielen, sind so atmosphärisch wie Tiefkühlpizza.
Höchste Zeit für Kaffee. Hierzu gehen wir ins Caffè Torinese an der Piazza della Borsa. Wegen des Straßenlärms setzen wir uns rein, in eine der gemütlichen Nischen vor den Fenstern, wo wir auf den Platz und die Via Roma schauen können. Zum Kaffee reicht der Kellner in einem Zinnbecher ein Mandelwasser. Wir bestellen noch Linzer Torte dazu, die Stücke sind klein, aber sehr schmackhaft, damit man weiß was drin ist, gibt's noch ein Sträußchen Beeren dazu.
Am Börsenplatz haben Parteien ihre Informationsstände aufgebaut, auch die Parteien, die Italien in den letzten Jahrzehnten erfolgreich geschadet haben, empfehlen sich und ihre Zugpferde für die Zukunft des Landes, auch das Konterfei des ebenso selbstbewußten wie -süchtigen Cavaliere, der gerne junge Mädchen fördert, grinst uns entgegen, so dass wir regelrecht erschrecken. Hoffentlich wählen die Menschen diese Leute nicht.
Nach einem weiteren Abstecher zum Pier gehen wir zum Buffet da Pepi, wo wir ein frühes Abendessen einnehmen wollen, denn wir haben beschlossen, gegen Abend Triest zu verlassen und Richtung Alpen weiterzufahren. Das Buffet da Pepi kennen wir bereits von unserem ersten Aufenthalt, an dem wir zufällig dort hineingeraten sind. Das Essen ist alles andere als typisch italienisch. Die Buffets in Triest wollen ihre Herkunft in der österreichisch-ungarisch geprägten Vergangenheit nicht leugnen. Statt mediterran angehauchter Pastaküche wird hier Deftiges vom Schwein gereicht: gebraten, geräuchert, gekocht, Krainer Würste, Sauerkraut und Stampfkartoffeln, scharfer Senf und frisch geriebener Meerrettich. Dazu Bier vom Faß.
Die Buffets sind gerne überlaufen, gerade dieses, davon konnten wir uns mittags noch überzeugen. Jetzt sind die meisten Plätze draußen frei, wir sind zwischen den Hauptzeiten gekommen. Die Bedienung ist sichtlich gelangweilt und desinteressiert und serviert uns unengagiert unser Essen. Das schmeckt uns trotzdem sehr gut.
Zurück gehen wir durch das Cavana-Viertel, einem ehemaligen Rotlichtbezirk, der heute sehr schön aufgehübscht zur Feiermeile daherkommt. Dann wieder runter zum Hafen. Die beiden großen Pötte scheinen abfahrbereit zu sein. Beim rechten der beiden machen sich an der Anlegestelle zwei Arbeiter daran, die unglaublich dicken Taue zu lösen. Das geht zum Teil mit den Händen - wobei die Männer genau darauf achten, schnell aus dem Bereich der Taue wegzukommen -, zum Teil mit Hilfe des Autos, mit dessen Motorkraft sie die Taue von den Pollern lösen.
Die losen Taue werden dann aus dem Schiff heraus auf motorgetriebene Rollen aufgewickelt. Das ganze Schauspiel dauert recht lange, denn es sind viele Taue am Heck und an der Seite des Schiffs zu entfernen. Als alle Taue verschwunden sind, bewegt sich der Ozeanriese erst vorsichtig ein Stück nach rechts, weg vom Pier, dann genauso vorsichtig nach vorne, erst, als es sich vom Hafenbecken entfernt hat, nimmt die Geschwindigkeit zu und das große Schiff verlässt den Hafen von Triest, um irgendwo auf dem Mittelmeer einen anderen Hafen anzusteuern. Romantik pur.
Wir verlassen ebenfalls den Hafen von Triest, durchqueren die Stadt durch den Corso Italia und den Corso Umberto Saba, auf die Via Camaro und hoch zur Autobahn, zurück nach Slowenien, Richtung Ljubljana und von dort nach Nordwesten Richtung Kranj. Die Sonne versinkt hinter uns im Mittelmeer. Es wird dunkel. Wir fahren in den Abend hinein. Das Abenteuer Slowenien geht weiter.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen