Slowenien, Teil 7: Wandern rund um Bovec

Das Städtchen Bovec ist die letzte Etappe unserer Slowenienreise. Wir nutzen den Tag für eine ausgedehnte Wanderung zu den Flüssen Soča und Koritniza, zu den Festungen Kluze und Hermann und auf die Hügel oberhalb von Bovec.


Wir starten am Campingplatz in südlicher Richtung zur Soča. Der Platz liegt gleich am Stadtrand, die Felder und Wiesen wirken endlos in diesem Tal, die umschließenden Berge sind noch weit entfernt. Nach den ersten Schritten in dieser Fläche, in der du dir so klein vorkommst, senkt sich die kleine Straße, auf der wir laufen, in eine Art Hohlweg ab. 

Links ein kleiner verschlossener Stollen, daneben eine Gedenktafel. Im ersten Weltkrieg wurde hier erbittert und opferreich gekämpft. Diese abseitige und verschlafen wirkende Gegend war einmal Schauplatz eines Gemetzels in einem der höchst brutalen und opferreichen Kriege, die die Neuzeit hervorgebracht hat.

Schon sind wir an der Soča  Eine massive Autobrücke führt hinüber. Der Fluss ist hier sehr breit geworden, am Ufer gegenüber befindet sich das Rafting- und Canyoning Center. Vor uns im Wasser eine kleine Gruppe in Kajaks, angeleitet von einem Trainer, der die Grundlagen der Steuerung dieser kleinen Boote vermittelt. Die nächste Gruppe wartet schon am Ufer. 

Im Center gibt es einen großen Shop mit Outdoorartikeln, da müssen wir natürlich reingehen - kaufen aber nichts. Statt dessen trinken wir, obwohl wir ja erst losgegangen sind, an dem Caféstand im Garten einen ordentlichen slowenischen Cappuccino und essen einen sehr frischen Croissant. Die Atmosphäre ist so einladend.

Wir gehen flußaufwärts weiter, die Soča egt eine Neunziggradkurve vor einem Berg hin und drängt die Sonne in den Schatten. Das Bovec-Becken breitet sich links von uns aus, wir bleiben am Rande und mäandern mit dem Fluss. Ein kleiner Weiler, auf einer Bank vor einem Haus liegen zwei Katzen eng verschlungen beieinander und verschlafen den Tag. Hinter dem Weiler wird der Wald dichter, der Weg verengt sich zu einem Pfad, hier beginnt das obere Socatal, aus dem wir gestern über die Straße gekommen sind.

Nach ein paar hundert Metern taucht eine schmale Hängebrücke auf, über die wir den Fluß queren. Auf der anderen Seite führt der Weg nördlich den Hang hinauf nach Kal-Koritniza, einem Ortsteil von Bovec an der Mündung der Koritniza in die Soča  Eine junge Bäuerin sieht nach ihrer kleinen Schafherde, die aus Sicherheitsgründen neben der Durchgangsstraße in einem Pferch grast. Ein Paar auf Mountainbikes kommt über die Straße gefahren. Sie sind sich nicht sicher, ob sie hier entlang flußaufwärts fahren sollen oder ob es nicht einen besseren Weg gibt. Sie wollen mich fragen. Da sie auf Deutsch beratschlagen, kann ich mich direkt einklinken und ihnen helfen.

Von überall im Tal sieht man den prägnanten Berg namens Svinjak, laut Lexikon bedeutet das auf  Deutsch Schweinestall. Der 1.653 Meter hohe Berg ist ein Hingucker, er wird auch Bovecer Matterhorn oder Zuckerhut oder auch Saurüssel genannt. Die Aussicht von dort oben muss großartig sein, die Besteigung auch nicht besonders schwierig. Wir müssen nochmal wiederkommen, denn heute haben wir anders geplant.

Kal-Koritniza ist klein, trotzdem gelingt es mir, die falsche Straße zu erwischen. Mit einem kleinen Umweg gelangen wir auf den Feldweg nach Norden, er ist gut zu gehen. Entlang der Koritniza führt der Weg aus dem Bovec-Becken heraus Richtung Predilpass. Unser Ziel ist das Fort Kluze an einer hochgelegenen Engstelle des Tals.

Wir kommen an einem Esel vorbei, der gelassen seine Weide abgrast. Linker Hand strecken zwei Schafe ihre langen Schädel durch den Weidenzaun und starren uns permanent kauend neugierig an. Auch die Rinderherde, die wir jetzt passieren, verrichtet ihr Tagwerk auf einer abgetrennten Weide, beruhigend, weil auch ausgewachsene Bullen darunter sind. 

Die Berge links und rechts kommen näher, das Tal verengt sich, der Weg nähert sich an einem Weiler dem Flußufer. Wieder eine Hängebrücke, natürlich schwankt sie beim Drübergehen, der Fluss gefährlich tief darunter. Diese Hängebrücke jedoch ist für Fahrzeuge bis vier Tonnen Gewicht zugelassen. Hier soll ich mit dem Ducato drüberfahren? Im Leben nicht!

Der Wanderweg verläuft jetzt dicht am Ufer im Hang nördlich weiter, der Wald wird wieder dichter, das Tal eng. Dann steigt der Weg weg vom Fluß den Hang hinauf zur Straße, der müssen wir jetzt wohl oder übel folgen, bis zur Festung ist es zum Glück nicht mehr weit. Es sind auch nur wenige Fahrzeuge unterwegs. 

Wir haben die Festung Kluze erreicht, auf Deutsch Flitscher Klause, nach dem deutschsprachigen Namen von Bovec. Der Klotz liegt strategisch sehr günstig, kein Weg führt daran vorbei, kein Wunder, dass hier über Jahrhunderte eine Festung den Durchgang kontrolliert hat. In der Kriegführung unserer Zeit haben sich derartige Konstruktionen überholt, so dass dieses Gebäude nur noch als Museum dient. 

Die Koritnize fließt tief unter uns, der Weg führt zunächst steil einen Hang hinauf weiter, um dann in einem Tunnel zu verschwinden. Dieser Tunnel war Teil der Festungsanlage, in der die Klause mit dem darüber liegenden Fort Hermann verbunden war. Nicht nur dieser, heute noch nutzbare Tunnel, sondern viele andere, auf die Stolleneingänge hinweisen, hinter denen eine schwarze Tiefe wartet, gegen die unsere Smartphonetaschenlampe keine Chance hat. 

Bleiben wir also draußen aus dem Schweizer Käse-Gebiet und auf dem Weg, der am Fort Hermann endet. Der Bau ist noch mehr als das darunter liegende Fort eine Ruine aus Stein und meterdickem Beton, eigens verstärkt für den Wahnsinn des ersten Weltkriegs und danach nutzlos geworden. 

Abgänge führen in untere Stockwerke und vermutlich in die darunterliegenden Tunnel, merkwürdig ungesichert. Über der Erde leere Fensterhöhlen und der Versuch der Natur, dieses Beispiel zivilisatorischer Selbstzerstörung zurückzuerobern. Fürwahr ein deprimierender Anblick.

Also weiter, ein Pfad führt weiter den Hang hinauf, wieder im dichten Wald. Wir sehen links und rechts, auf dem Weg und neben dem Weg, viele kleine Blumen. Dunkelgrüne Blätter mit hellgrünen zackenförmigen Maserungen, langstilige pinkfarbene Blüten: das sind wilde Alpenveilchen. Wunderschön.

Plötzlich der Klang von Glocken. Hier oben laufen Rinder herum? Nein, wir sehen vor uns ein paar wilde Ziegen, sie tragen Glocken um ihre Hälse. Die Ziegen wittern uns, schauen herüber. Lange Schädel mit Hörnern und spitzen Ohren. Als wir näherkommen, sie sind auf dem Pfad, laufen sie weg, den Pfad entlang, bleiben stehen, füllen sich wieder sicher. Wir kommen ihnen erneut zu nahe, sie wittern, schauen, laufen weiter. Bis sie irgendwann doch den Weg verlassen und aus dem Blick sind, ihre Glocken hören wir noch lange.

Jetzt haben wir den höchsten Punkt unserer Wanderung erreicht, eine Wegkreuzung. Geradeaus geht es zum Rombon und daran vorbei zu den dahinter liegenden Gipfeln, wir folgen dem Wegweiser nach Bovec. Auch jetzt immer den Hang entlang, aber bei gleichbleibender, erst später abnehmender Höhe. Zwischen den Waldabschnitten große Geröllfelder, Überreste von Erderschütterungen, namentlich den Erdbeben, die die Region Friaul immer wieder heimsuchen. 

Nach links der Blick ins Tal, durch das wir auf dem Hinweg gelaufen sind, der Weg ist gut erkennbar. Allmählich verlieren wir an Höhe, jetzt begegnen uns erstmals auch wieder andere Menschen, wenn auch nur wenige. Dafür aber mehr Schafe, für die wir mehrmals Gatter überwinden müssen. Jetzt sind wir fast im Tal, die ersten Häuser tauchen auf. Wir grüßen zwei Frauen, die sich vor einem Haus unterhalten. Auf der Rückseite ist zu lesen, dass dies eine Käserei ist. Wir kehren um, fragen. Ja klar, ihr könnt Käse kaufen.

Ein älterer Mann führt uns in das Haus, in einem Kellerraum sind viele Regel gefüllt mit kleinen Käserädern. Ziegenkäse und Schafskäse. Er hat Hunderte von Schafen, die haben wir passiert, und auch viele Ziegen. Ja, die Ziegen oben im Berg, das sind seine. Die ziehen morgens los und kommen abends wieder. Wir kaufen von beiden Sorten, leider können wir nicht mehr mitnehmen, auch wenn es sich um  Hartkäse handelt, ist er nur begrenzt haltbar.

Nur noch ein paar hundert Meter sind es bis nach Bovec. Wir setzen uns in das Café in der Ortsmitte, wo wir den Kuchen gegessen hatten. Den bestellen wir wieder. Nach dem Kaffee bestellen wir noch ein hauseigenes Draftbeer, dunkel und kräftig - und vor allem kalt. Das waren heute viele Kilometer, die wir zurückgelegt haben, in einer tollen Landschaft bei großartigem Wetter. Ein wunderschöner letzter Tag in Slowenien.


Wir haben unsere Reise auch auf Video festgehalten. Den vollständigen Film (1 Std. 7 Min.) findest Du auf Youtube unter dem nachfolgenden Link: https://youtu.be/MAQyjq3NAzo

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