Unser zweiwöchiger Urlaub geht zu Ende. Wir verlassen Slowenien und fahren über den Chiemsee zurück nach Wiesbaden. Wir wählen die landschaftlich interessante Strecke über den Predilpass. Am frühen Nachmittag erreichen wir den Chiemsee, wo wir noch einen erholsamen und sonnigen Tag verbringen und auch übernachten.
Jede Reise hat ihr Ende, auch diese. Die Saison in den slowenischen Alpen ist so gut wie vorbei, wir sind fast alleine auf dem Campingplatz in Bovec, in den Waschräumen sind schon die Hälfte der WC und Duschen geschlossen, aber da kaum noch jemand da ist, ist man ohnehin meistens alleine in den Räumen.
Unser Tagesziel heute ist der Chiemsee. Wir nehmen den Predilpass, der uns über den nordöstlichsten Winkel Italiens kurz vor Villach nach Österreich führt, wo wir dann über die Tauernautobahn und vorbei an Salzburg nach Westen auf die deutsche Autobahn 8 gelangen. Der Chiemsee liegt unmittelbar neben der Autobahn, nein, Quatsch, die Autobahn führt unmittelbar am See vorbei. So wird ein Schuh daraus.
Aber der Reihe nach: Die Straße verläuft das Tal entlang der Koritnica, das plötzlich spürbar ansteigt hinauf auf den Absatz, auf den Militärstrategen vergangener Tage die Flitscher Klause, heute Festung Kluze, gesetzt haben. Diesen engen Abschnitt sind wir am Vortag entlang gelaufen. Dahinter wird das Tal wieder flach, die Berge herum höher. Die Straße führt uns in Richtung der Koritnica-Schlucht, bis sie in einer Kehre radikal ihre Richtung ändert und es nordwestlich weitergeht.
Das kleine Dorf Stremm na Predelu liegt sehr malerisch im Hang, hier machen wir eine kleine Fotopause, genau jetzt fährt ein rotes Jumper-Kastenwagenwohnmobil an unserem Ducato vorbei, gewissermaßen eine optische Doppelung. Lustiger Zufall.
Wir lassen die Abzweigung hinauf zum Mangart rechts liegen, die Straße mit ihren Ausblicken auf die Bergwelt ist ein weiterer Grund, noch einmal herzukommen. Bald haben wir die italienische Grenze passiert, mit 1.153 Metern ist der Pass nicht besonders hoch. Dahinter geht es wieder bergab. Der Lago del Predil liegt sehr malerisch, mit seiner baumbewachsenen Insel und den schneebedeckten Bergen im Hintergrund. Schnell sind wir durch das Tal und in Tarvisio angekommen, hier wechseln wir auf die Autobahn nach Villach.
Die Grenze ist nur ein paar Kilometer weiter. Hier müssen wir eine neue Vignette für Österreich kaufen. Das kann man hier an einem Automaten erledigen, der spuckt jedoch nur einen Kassenbeleg aus, auf dem die relevanten Daten stehen. Wie befestigt man den jetzt an der Windschutzscheibe? Wir sind irritiert. Wir wollen in dem Büro nachfragen, das tatsächlich geöffnet hat, aber da drin hat sich bereits eine Schlange gebildet, die Mitarbeiterin löst gerade ein Problem mit zwei LKW-Fahrern, die kein Deutsch sprechen. Das wird dauern, also lassen wir es.
Auf der Tauernautobahn ist dann nochmal zusätzlich Maut zu zahlen, dafür verkürzen die vielen gut ausgebauten Tunnel die Fahrzeit erheblich. Das gibt es nun einmal nicht zum Nulltarif.
Die Fahrt über die österreichischen Autobahnen ist eigentlich sehr angenehm - eigentlich. Das Tempolimit beruhigt den Verkehrsfluss, es gibt keine wirklich schnellen Autos, die einen in Bedrängnis bringen könnten. Aber das Langsamfahren, in vielen Abschnitten gilt sogar nur Tempo 100, so dass wir mit eingeschaltetem Tempomaten gut mitschwimmen, hat seine Tücken. Was häufig passiert, ist, dass überholende Autos nicht vorbeiziehen, sondern viel zu lange neben dir her fahren, beim Überholen langsamer werden, dann gleichaufziehen, wodurch sich Überholvorgänge unnötig in die Länge ziehen. Das ist besonders unangenehm, wenn du selbst dann einen langsameren LKW überholen willst, der allmählich vor dir größer wird, und sich hinter dem Überholenden allmählich die ungeduldigen Schnelleren drängeln.
Einmal überhole ich mit eingeschaltetem Tempomaten einen anderen Camperkastenwagen und schere anschließend wieder nach rechts ein, um einen nachfolgenden PKW vorbeiziehen zu lassen. Der nächste LKW vor uns ist schon nahe, ich will also wieder raus auf die linke Spur. Da zieht das gerade überholte Wohnmobil hinter mir nach links und zieht an uns vorbei. So was hasse ich .
Genug gemotzt (muss auch mal sein). Wir verlassen die Autobahn in Flachau, um noch in Österreich zu tanken. Das hatten wir auf der Hinfahrt schon in Gmunden getan, und in Izola nur noch mal ein wenig nachgefüllt. Mit dem 90 Litertank kommen wir theoretisch so ziemlich genau 1.000 Kilometer weit, der Gesamtverbrauch liegt bei genau 9 Litern auf 100 Kilometer, auf der Urlaubsstrecke sogar etwas darunter. Natürlich tanke ich wieder, bevor der Tank endgültig leer ist.
Der Dieselpreis ist auch in Österreich in den zwei Wochen spürbar gestiegen, aber nach wie vor unter dem in Deutschland. Nach dem Tanken fahren wir durch den Ort Flachau und erst auf der nächsten Auffahrt wieder auf die Autobahn. Ich kenne Flachau aus meiner Kindheit vor mehr als 50 Jahren und erkenne nichts mehr wieder. Wo damals Bauernhäuser standen, ist heute ein gesichtsloser Straßenort mit austauschbaren Neubauten, ein Hotel liegt neben dem anderen, eine Edelpension nach der nächsten. Wir stoppen vor einem Bäckerei-Café, um ein paar Brötchen zu kaufen. Nach zwei Wochen Slowenien ist der Preisschock besonders groß. Schade.
Trotzdem ist es schön, durch die Region zu fahren. Sehr schnell schon erreichen wir Salzburg und die deutsche Grenze. Hier verzögert sich die Einreise, da die Grenzpolizei sich den Verkehr genau anschaut und deshalb den Verkehr auf Schritttempo abbremst. Verdächtige Fahrzeuge werden herausgewunken, wir sind offenbar unverdächtig.
Zum Chiemsee ist es jetzt nicht mehr weit. Wir verlassen in Seethal die Autobahn und und parken auf einem ausgewiesenen Parkplatz am Ostufer. Der Himmel ist strahlend blau, die Sonne spiegelt sich auf dem Wasser, im Hintergrund heben sich dunkel die Alpen hervor, was für ein Traum. Ein Fußweg führt direkt am See entlang, es sind reichlich Gastronomien vorhanden, auch ein Strandbad. Die Terrasse des großen Lokals liegt schön in der Sonne, aber heute ist geschlossene Gesellschaft. Das kleine Café mit Selbstbedienung liegt leider im Schatten, aber hier nehmen wir Kaffee und Kuchen mit Blick auf den See.
Es ist noch früh am Nachmittag, wir beschließen, auf die andere Seite des Sees zu fahren und uns dort einen Übernachtungsplatz zu suchen. Dazu konsultieren wir einmal mehr die App Park4Night. Unsere Wahl fällt auf Gstadt, von hier aus hat man einen schönen Blick auf die Insel Frauenchiemsee. Wir fahren zurück auf die Autobahn bis nach Bernau und von dort über Prien nach Gstadt. Park4Night schlägt einen Platz am Ortsrand vor, der nachts kostenlos genutzt werden könne. Der Platz ist eben und nur mäßig belegt, die Plätze am Ende sind ausreichend groß für den Kastenwagen.
Von hier aus sind es nur wenige Schritte bis zum See. An der Uferpromenade sind die üblichen Lokale und Geschäfte, ein großer Landungssteg für die Boote zu den Inseln und um den See herum, eine Hafenanlage überwiegend für kleine Segelboote. Wir verbringen viel Zeit draußen auf den Stegen, die den Eindruck vermitteln, mitten auf dem See zu sein. Die Sonne steht jetzt tiefer mit einem warmen Licht über dem Wasser.
Hinter dem kleinen Hafen für die Segelboote taucht ein großes Holzhaus auf, ein Restaurant. Von all denen, an denen wir hier im Ort vorbeigelaufen sind, macht das für uns den interessantesten Eindruck. Wir gehen zum Eingang und werden gleich von einer Mitarbeiterin begrüßt. Wir können drinnen, unter einem Dach auf der Terrasse oder ganz vorne am See sitzen und entscheiden uns für einen Platz auf der überdachten Terrasse, da es am See jetzt vermutlich, die Sonne verschwindet so langsam, zu kalt wird.
Die nette Frau vom Empfang platziert uns, gleich darauf kommt eine Kollegin mit der Speisekarte. Wir bestellen Chiemseer Renkenfilets, drei in Butter gebratene Filets mit Kartoffeln und Pfannengemüse, dazu Weißwein und Wasser. Eine gute Wahl, wenn auch derart zubereitetes Gemüse gerne dazu neigt, vor der Zeit kalt zu werden.
Nach dem Essen gehen wir zurück zum Auto. Am Parkautomaten entdecken wir tatsächlich erst jetzt eine große Hinweistafel, nach der das Parken von Wohnnmobilen hier nach 22 Uhr nicht mehr erlaubt ist. Auch in diesem Ort sind Wohnmobilisten mit ihren Autos unerwünscht, wenn sie freistehen und sich nicht auf einem Campingplatz für viel Geld einhegen lassen wollen. Vielleicht beruhen die Entscheidungen von Stadtverwaltungen zu solch drastischen Einschränkungen auf negativen Erfahrungen von zu Campingplatzen umfunktionierten Parkplätzen, vielleicht auch nicht. Unschön ist es allemal, es zeigt, dass es immer schwerer wird, die Freiheit, die ein Campingwagen bietet, auch leben zu können.
Wir verlassen den Platz, laut App gibt es im Ort einen zweiten Parkplatz, auf dem man für 10 Euro übernachten kann. Der Platz ist nicht weit entfernt und ebenfalls weitgehend leer. In einer Telefonzelle ist ein Automat untergebracht, der die Parkgebühr entgegennimmt.
Ich wähle die Option Wohnmobil statt PKW, der Automat zeigt den Tarif von 10 Euro an. Ich stecke meine Euromünzen in den Münzeinwurf - es ist nur Barzahlung möglich, schließlich sind wir in Deutschland -, der Automat druckt ein Ticket aus und gibt mir sechs Euro zurück. Was ist das denn? Es ist ein Ticket für PKW, das vier Euro kostet. Das hatte ich nicht angefordert. Ich wiederhole den Vorgang und sehe, sofort nach der Auswahl der Option Wohnmobil springt der Automat wieder um auf PKW. Nichts zu wollen. Wir gehen sogar noch zu einem anderen Automaten, der gut hundert Meter entfernt steht. Dasselbe Ergebnis.
Jetzt reicht's. Nehmen wir also das PKW-Ticket. Falls jemand vom Ordnungsamt vorbeikommt, verspricht das eine lustige Diskussion zu werden. Wir ziehen uns für den Rest des Abends ins Wohnmobil zurück. Die Nacht ist ruhig, kein Ordnungsamt klopft ans Fenster, am nächsten Morgen erleben wir einen schönen Sonnenaufgang über dem See. Nach einem ersten Kaffee, einer heißen Dusche und einem kurzen Gang zum See fahren wir los. Wir wollen in Prien stoppen und von dort aus einen Blick auf die Herreninsel werfen.
Prien ist deutlich größer als Gstad. Es gibt hier einen Wohnmobilstellplatz mit Entsorgungsmöglichkeit, den steuern wir an, verfahren uns aber erst einmal in den schmalen Straßen. Der Platz ist voll, einige Wohnmobile stehen schon auf dem benachbarten PKW-Parkplatz. Das Entsorgen geht schnell, dann parken wir in einer frei gewordenen Lücke. Der Fahrer des Sprinters nebenan hat den ADAC gerufen, das schon etwas ältere Fahrzeug will nicht so richtig.
Wir gehen ins Zentrum von Prien. Sehr viel Autoverkehr. Der Weg zum See ist noch sehr lang und führt entlang einer stark befahrenen Straße, wir entscheiden uns daher, doch mit dem Auto zum See zu fahren. Das ist schwieriger als erwartet. Zuerst fahren wir zu weit, hier entlang der Strape ist das Ufer zugebaut und nicht frei zugänglich. Der erste Parkplatz ist exklusiv Inselbesuchern vorbehalten, den nächsten müssen wir erst einmal finden. Und dann müssen wir noch die Einfahrt finden, ein Ticket ziehen und uns in den hinteren Bereich verdrücken, wo schon andere Reisemobile stehen.
Wir laufen zur Uferpromenade, von dort aus ist die Insel Herrenchiemsee gut zu sehen, auch auf das gewaltige Schloss, das Ludwig Wittelsbach, im 19. Jahrhundert König von Bayern, neben dem disneyesken Schloss Neuschwansteig und dem Linderhof bauen ließ. Vorbild ist Versailles, die architektonische Manifestation des französischen Absolutismus.
Die ersten Passagierschiffe stehen bereit, Touristen auf die Herreninsel zu befördern. Wir werden nicht darunter sein. Wir setzen uns statt dessen in einen Biergarten, der seinem Namen bereits um zehn Uhr am Morgen gerecht wird, eine Gruppe relativ junger Männer hockt bei Weißbier und deftigen Warmspeisen, vermutlich die ein oder andere Weißwurst darunter, zusammen. Wir nehmen Kaffee und Croissants.
Wir haben noch eine weite Strecke vor uns, deshalb schieben wir den Aufbruch nicht länger raus. Wir verlassen Prien und reihen uns in den dichten Verkehr auf der A 8 ein. Der Autobahnring um München herum ist wie meistens übervoll, es geht nur langsam voran, auch auf der A 9 Richtung Nürnberg führt die hohe Verkehrsdichte zu Verzögerungen, natürlich sind überall viele Baustellen eingerichtet, die mit Engpässen und Geschwindigkeitsbeschränkungen zusätzlich den Vorwärtsdrang begrenzen.
Ingrid fährt, ich habe Zeit, mir die vielen Wohnmobile um uns herum anzuschauen. Sehr viele Kastenwagen auf Ducato-/Jumper-/Boxer-Basis sind unterwegs. Etliche haben am Heck den typischen Radträger befestigt, auffällig ist, dass bei einigen die Räder viel zu tief hängen und die Rückscheinwerfer überdecken. Wenn das mal keinen Ärger gibt.
Im Altmühltal, nach dem langen Abstieg ins Tal, der für den Schwerverkehr auf einer räumlich getrennten eigenen Trasse verläuft, verlassen wir kurz die Autobahn und machen auf dem nächsten Hügel im Grünen eine kleine Pause. Zeit fürs mittägliche Müsli und einen heißen Kaffee. Die nächste Etappe übernehme ich, bald sind wir an Nürnberg vorbei und auf der A 3, passieren Würzburg, überqueren den Spessart, und irgendwann haben wir es geschafft, sind an Frankfurt am Main vorbei und über die A 66 nach Wiesbaden gekommen.
Es ist Samstagnachmittag, einen freien Parkplatz finden wir erwartungsgemäß nicht, stellen das Auto vor die Feuerwehreinfahrt der Grundschule und laden aus. Ich bringe den Camper anschließend zum Stellplatz und laufe zu Fuß zurück nach Hause. Wir sind zurück, die Reise ist zu Ende.
Unsere Reise im Video: https://youtu.be/MAQyjq3NAzo
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