Auf Napoleons Spuren im rheinhessischen Spätwinter

Ein kleiner Tagesausflug führt mich dorthin, wo das Rheinhessische Hügelland ins Nahetal abfällt. Dort oben an der Kante steht ein interessantes Baudenkmal aus napoleonischer Zeit.

Dieser Winter nimmt mal wieder gefühlt kein Ende. Es kommt mir so vor, als wäre die Periode langer trüber Dunkelheit in diesem Jahr besonders ausgedehnt. Hinzu kommt, dass ich plötzlich im Januar, ohne Vorwarnung, starke Schmerzen im Nacken bekam, die Muskulatur verspannte extrem. Ob es sich nur um eine Muskelzerrung oder aber ein Bandscheibenvorfall handelt, ist noch nicht klar. Mit Hilfe sehr kompetenter Physiotherapeutinnen gewinne ich meine Beweglichkeit so langsam Schritt für Schritt, Übung für Übung, wieder. Meine Ungeduld ist gewaltig, deshalb war jetzt zumindest eine kleine Flucht in Form eines kurzen Ausflugs nach Rheinhessen fällig.

Dazu kommt, dass seit Wochen eine Drohne bei mir herumliegt, die ich noch nicht ausprobiert habe, genauso wenig wie ein gleichzeitig erworbenes Smartphone-Gimbal. Ich schnappe mir also den Camper, der ebenfalls schon viel zu lange vernachlässigt wurde, und fahre über den Rhein Richtung Bingen nach Gau-Algesheim und biege hinter dem Ort nach links ab auf die rheinhessischen Hügel hinauf. Die Abzweigung nach Laurenziberg lasse ich rechts liegen und passiere Appenheim, Nieder- und Ober-Hilbersheim. Bevor die Straße nach Sprendlingen die Höhe verlässt und sich ins Tal schlängelt, liegt rechter Hand der Parkplatz, dahinter steht der runde steinerne Napoleonsturm.

Der Camper passt sogar gerade in die Parkbucht hinein. Durch die Frontscheibe habe ich einen freien Blick ins Tal, vorne liegt Sprendlingen, die Autobahn 61 verläuft hier, irgendwo weiter hinten liegt Bad Kreuznach, und das Hügelland in der Ferne müsste der Soonwald sein, der zum Hunsrück gehört. 

Hier oben auf der Höhe sind landwirtschaftlich genutzte Felder, im Hang und unten im Tal reiht sich Weinberg an Weinberg. Schließlich sind wir in Rheinhessen, dem in der Fläche größten Weinanbaugebiet Deutschlands.

Es ist schweinekalt, der Wind weht heftig. Ich spanne das iphone auf den Gimbal und merke, dass der Wind dafür schon fast zu stark ist. Der Turm ist begehbar, über eine stählerne Wendeltreppe gehe ich nach oben. Von hier sehe ich in nordöstlicher Richtung sogar den Taunuskamm jenseits des Rheins. 

Der Turm wurde vor ein paar Jahren errichtet, es ist eine Rekonstruktion des Bauwerks, das ursprünglich ein Stück weiter nördlich stand. Anfang des 19. Jahrhunderts verbanden insgesamt 22 solcher Türme die Städte Metz und Mainz mit einem optischen Telegrafen. Das H-förmige Gebilde auf der Spitze des Turms war beweglich und wurde mechanisch verstellt. Die Erfinder, die Brüder Chappe, hatten ein System aus fast 200 Zeichen entwickelt, mit dem Nachrichten von einem zum nächsten Turm  und in der Abfolge von Metz nach Mainz und umgekehrt übermittelt wurden.

Jetzt will ich endlich mal die Drohne ausprobieren. Dazu stelle ich das Gerät auf den großen Picknicktisch am Parkplatz. Die Verbindung zwischen Fermsteuerung und Drohne ist schnell hergestellt, auch die Smartphone-App funktioniert. Zuerst muss ich die Kalibrierung durchführen - erledigt. Dann versuche ich die Drohne zu starten - sie fliegt mir ins Gesicht. Ich stand zu dicht dran, und der Wind ist zu stark. Hätte ich vorhersehen können. Die Drohne landet unsanft auf dem Grasboden, ich blute auf dem Nasenrücken und an der Augenbraue. 

Jetzt ist auch noch der Akku der Fernsteuerung leer. Also breche ich den Versuch ab und schließe das Gerät an eine USB-Steckdose im Van an. Heute ist wohl nicht mein Tag. Ich koche Kaffee mit dem Espressokocher, fülle das Wasser nicht in den unteren Behälter, sondern in den oberen und wundere mich dann, dass nichts passiert, außer dass der Edelstahlkörper des Kochers heiß wird und zu riechen beginnt. Na toll.

Im zweiten Anlauf klappt es dann. Dann habe ich mich genügend aufgewärmt und drehe eine größere Runde auf der Anhöhe. Der schnurgerade geteerte Wirtschaftsweg führt zu einem Wäldchen, dem Horn bei Zotzenheim. Am Waldrand entlang öffnet sich der Blick nach und nach Richtung Süden, der nächste Hügel ist der mit dem Golfplatz, davor liegt Sankt Johann, dahinter Wallertheim. Jetzt geht es durch das Wäldchen durch, der Pfad trifft auf einen Querweg nach links, dem folge ich, bis ich am Tisch des Weines wieder aus dem Wald herauskomme. 

Wieder ein anderer Fernblick, rechts jetzt bis zum Binger Rochusberg, wäre es nicht so diesig, könnte ich vermutlich auch den Niederwald sehen und im Süden den Donnersberg in der Pfalz. In den Weinbergen stehen überall vereinzelt Autos herum, die Winzer sind zu jeder Jahreszeit draußen bei den Reben.

Ein letzter Blick, dann gehe ich über den geteerten Weg zurück, in der Entfernung ragt der Napoleonsturm hervor, daneben leuchtet rot das Wohnmobil. Ich bin recht schnell zurück und froh, mich im Auto aufwärmen zu können. 

Zurück nehme ich diesselbe Strecke, In Ober-Hilbertsheim befindet sich am Ortseingang, aus Richtung Sprendlingen kommend, ein großer Wohnmobilstellplatz. Er wird von der Gemeinde betrieben und hat Platz für sage und schreibe 40 Fahrzeuge. Wohnwagengespanne sind ausdrücklich nicht erlaubt. Warum eigentlich nicht? Es sind Stromanschlüsse vorhanden sowie eine Ver- und Entsorgungsstation. Es gibt keinen festen Tarif, es wird um eine Spende gebeten, die beim Bürgermeister, der gleich nebanan wohnt, in den Briefkasten geworfen werden soll. Ein tolles Angebot in schöner Lage. 

Weitere Stellplätze befinden sich in Sprendlingen, Gensingen, Ockenheim, Gau-Algesheim, um nur einige zu nennen. Die Gegend ist so weitläufig, dass es sicher kein Problem ist, auch an ganz normalen Parkplätzen über Nacht stehen zu bleiben. Die Kunst, das sollte sich bei Wohnmobilisten mittlerweile herumgesprochen haben, liegt darin, unauffällig zu stehen, und nicht mit exzessivem Campingverhalten und Wohnmobilkonzentrationen den Anwohner:innen auf den Wecker zu fallen und Verbote zu provozieren. Wer was anderes will, für den stehen gut ausgestattete Plätze zur Verfügung.


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