Ein Wochenende in Zell an der Mosel. Teil 1: Zell und der Collis-Steilpfad

Das schöne Wetter lockt uns nach draußen. Wir lassen uns nicht von den wahnsinnig hohen Dieselpreisen abschrecken, denn wir haben nur eine kurze Strecke bis dorthin, wo wir das Wochende verbringen wollen: in Zell an der Mosel.

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Von unserem schönen Wohnort Wiesbaden aus sind nicht nur Rheingau, Mittel- und Oberrhein, sondern auch die Nebenflüsse des Rheins, namentlich Main, Nahe, Lahn und Mosel schnell erreichbar. Auch wenn wir in jüngerer Zeit Katastrophe an Katastrophe erleben - die Covid-Pandemie, die Klimakrise und die von ihr verursachte Zerstörung des wunderschönen Ahrtals, der entsetzliche und möderische Ukrainekrieg - und uns genauso verunsichert und hilflos fühlen wie viele andere, versuchen wir doch trotz alledem, die schönen Seiten des Lebens hochzuhalten. 

Das soll weder Flucht noch Ignoranz sein, zudem sind wir uns natürlich auch der Widersprüchlichkeit unserer Lebensweise nicht völlig unbewusst, die dazu führt, mit einem dieselgetriebenen Wohnmobil nicht wirklich notwendige Kilometer zurückzulegen. 

Wir leben unseren Alltag mittlerweile ohne Automobil, wir haben keinen PKW neben dem Wohnmobil und nutzen öffentliche Verkehrmittel sowie das Fahrrad, sind in der Stadt vorzugsweise zu Fuß unterwegs, essen kaum noch Fleisch und wissen, das reicht noch lange nicht aus, um unseren ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Wir werden sehr kurzfristig noch viel dazu lernen und uns verändern müssen.

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Heute also fahren wir nach Zell an die Mosel und nehmen Euch auf diesem Weg mit. Von Wiesbaden aus sind es nach Zell ziemlich genau 100 Kilometer, quer über den Hunsrück. Bis wir am Moselufer stehen, sind gut eindreiviertel Stunden vergangen.

Zell ist uns von mehreren Besuchen schon ganz gut bekannt. Die Straße aus Richtung Simmern erreicht genau im Ort das Moseltal. Wir fahren über die Mosel nach Kaimt, den Vorort, der mit seinem jährlich im August stattfindenden Keltengelage auf seinen historischen Ursprung verweist. Wir sind in einem Weinanbaugebiet, Alkohol gehört also dazu, nicht immer als Gelage, aber mindestens als Begleitung der Mahlzeiten. Wir jedoch befinden uns in der Fastenzeit: kein Wein!

Wir fahren schnurstracks zum Wohnmobilstellplatz am Moselufer. Kaimt hat seit kurzem zwei Stellplätze: ein neuer und recht großer unterhalb der Autobrücke, der andere am östlichen Ortsende vor dem Campingplatz, zu dem er gehört. Von der Bundesstraße führt eine Stichstraße ans Ufer, links geht es zum Campingplatz, rechts ist die freie Fläche für Wohnmobile. 

Übrigens: Freistehen mit dem Wohnmobil ist am Moselufer kaum möglich und gar nicht gerne gesehen. Dafür wird die Infrastruktur aber, dem schnell wachsenden Bedarf folgend, sehr gut ausgebaut. Es gibt kaum noch einen Ort, der keinen Wohnmobilstellplatz besitzt. Das Moselland zeigt, wie es geht.

Es sind schon etliche Fahrzeuge dort, aber es ist reichlich Platz vorhanden. Wir stellen uns ans Ufer und gehen zunächst einmal zur Infotafel. Dort steht, dass der Tarif neun Euro beträgt. Das ist günstig, wobei es hier vorne keine Infrastruktur gibt, die wir aber auch nicht benötigen. Der Frischwassertank ist gefüllt, die Lithiumbatterie hält auch mindestens drei Nächte durch.

Wir gehen weiter zum Campingplatz. Der ist ebenfalls schon gut ausgelastet, fast ausschließlich mit Wohnmobilen, dazwischen ein paar Wohnwagen. Keine Dauercamper, alles Wochenendgäste. Wir lesen an der Information, dass über den Winter der Platz vorzugsweise für Wohnmobile und -wagen geöffnet ist und der Tarif in dieser Zeit ebenfalls nur neun Euro pro Nacht beträgt, für das Fahrzeug einschließlich zwei Personen. Strom wird mit zwei Euro extra berechnet, die Nutzung der Sanitärräume schlägt mit drei Euro pro Person und Tag zu Buche. Das ist mehr als fair.

Am östlichen Ende des Platzes sind ufernah noch einige Stellmöglichkeiten vorhanden. Da es hier insgesamt ruhiger, es verläuft keine Straße vorbei, und der Blick auf den Fluss noch schöner ist, wechseln wir den Platz und parken den Ducato gleich am Wasser. Die Rezeption ist geschlossen, die Anmeldung kann aber morgens ab neun Uhr nachgeholt werden. Das ist doch prima.

Da noch heller Nachmittag ist und die Sonne nach Kräften vom blauen Himmel herunterscheint, gehen wir erst einmal nach Zell hinein. Eine Fußgängerbrücke führt von Kaimt direkt in das Zentrum der Kleinstadt. 

An der Uferpromenade blühen bereits die Kirschbäume in weißer und rötlicher Farbenpracht. Die Blüten wirken im Gegenlicht der tiefen Nachmittagssonne fast transparent. Hinter der ersten Häuserzeile verläuft die Balduinstraße, das ist die Einkaufsstraße mit Fußgängerzone. Aus dem Sonnenlicht vom Ufer kommend, ist es hier regelrecht dunkel. Die Häuser ragen hoch in der Gasse, denn das Tal ist eng, wie an vielen Flüssen, und Platz zum Wohnen entstand dadurch, dass die Häuser mehrstöckig gebaut wurden. 

Wie überall scheint auch hier das stationäre Geschäftsleben seine beste Zeit hinter sich zu haben. Viele ehemalige Läden werden als Weinverkaufsstellen genutzt. Aber zwischendrin hält immer noch ein interessanter Laden die Stellung, wie der Outdoorausrüster oder das Café mit den ganz besonderen Backwaren, das wir immer aufsuchen, wenn wir in Zell sind. Auch das Antiquitätengeschäft ist noch vorhanden. Und zwischendrin Lokale, viele Schnellrestaurants für den eiligen Touristen, Lieferdienste - das Übliche, beziehungsweise das, was nach zwei Jahren Pandemie mit mehreren Lockdowns noch übrig ist.

Wir zögern noch, die Innenräume der Lokale aufzusuchen, auch wenn das Angebot der Speisekarte vereinzelt verlockend aussieht. Wir entscheiden uns für eine Pizzeria, die zur Mosel hin mit einer jetzt noch von der Sonne beschienenen Terrasse lockt. Es ist zwar noch früh, aber wir beschließen, jetzt zu essen, wenn wir noch draußen sitzen können, ohne zu frieren.

Die Pizza ist in Ordnung, der Teig schön knusprig, es befindet sich auch eine angemessene Menge an Parmaschinken, Rucola und Parmesanstreifen on top. Da wir in der Fastenzeit keinen Alkohol trinken, wählen wir alkoholfreies Bier, um ein wenig Abwechslung zum sonst auf dem Getränkeplan vorherrschenden Mineralwasser und Kräutertee zu erhalten. 

In der untergehenden Abendsonne, deren Lichtstrahl langsam den gegenüberliegenden Hang hinaufklettert, gehen wir rüber auf die andere Moselseite und zum Campingplatz. Im Camper wird es Zeit, die Heizung einzuschalten, die Nächte sind kalt. Später am Abend sehen wir noch einen runden Vollmond über Zell leuchten. 

Die Nacht im Querbett des Dexter ist wie immer sehr erholsam. Ebenfalls wie immer bin ich früh auf und bereite den Kaffee zu. Um neun suchen wir erst einmal die Rezeption auf und melden uns an. Alles ist sehr gut organisiert, die Gastgeber sind freundlich und freuen sich sichtlich, dass der Betrieb wieder anläuft.

Heute morgen wollen wir auf den Collis Steilpfad oberhalb von Zell gehen, und von dort aus auf die Höhe zum Collisturm und weiter über den Moselsteig zum nächsten Ort, Briel. Das ist keine besondere sportliche Herausforderung, verschafft uns aber ausreichend Bewegung an der frischen Luft.

In Zell suchen wir als erstes das Café auf, um uns mit frischen Backwaren für unterwegs zu versorgen. Mit zwei noch warmen und duftenden Rosinenbrötchen und zwei Spinatteigröllchen im Gepäck ziehen wir weiter durch die schmalen Gassen, hinter dem Rathaus mit seinem architektonisch interessanten gläsernen Anbau folgen wir der Seitenstraße den Hang hinauf in das Seitental des Zeller Bachs. 

Die Bebauung hört schnell auf, rechter Hand steht ein alter Stadttorturm, durch den der Weg hoch zum Friedhof führt und zum runden Turm. Wir bleiben geradeaus, nach wenigen Metern beginnt an einer Hinweistafel der Collis Steilpfad. 

Der Pfad zieht sich zunächst schmal und leicht ansteigend den Hang entlang weg vom Tal und kommt nach einer Serpentine wieder zurück, sich immer höher schraubend. Weiter oben teilt sich der Weg, alternativ zum Pfad wählen wir hier eine kleine Kletteretappe den Steilhang hinauf. Über Trittstufen und eine Leiter geht es einige Meter nach oben, wo wir wieder auf den Pfad treffen.

Das Ganze wiederholt sich ein Stück weiter oben, hier hat es die kurze Kletteretappe in sich, da wir über die Trittstufen den Überhang überwinden müssen. Klappt aber gut und macht Spaß. Nachdem ich vor zwei Jahren mein Gewicht um 40 Kilogramm reduziert habe, traue ich mir auch das Klettern wieder zu.

Der Weg windet sich weiter durch die üppige Vegetation, im Sommer ist es fast ein Urwald, bis wir auf der Höhe am Collisturm herauskommen. Hier sind Tische und Bänke aufgestellt, aus einer Holzhütte werden zu anderen Zeiten Getränke, allem voran natürlich Moselwein, verkauft. Der Blick ins Tal ist grandios. Zeit für die Brötchen und das Spinatgebäck.

Nach einer schönen Pause in der Sonne gehen wir noch ein Stück den  bewaldeten Hang hinauf, der Streckenführung des Moselsteigs folgend. Der Wald öffnet sich den Weinbergen, der Blick reicht jetzt nach Nordwesten über die Moselschleife. Wir sehen die Häuser von Pünderich hinter der Landzunge, die von der Mosel fast vollständig abgetrennt ist. Oben auf dem Rücken ist die Marienburg zu erkennen, die dem Bistum Trier gehört, dahinter erahnen wir mehr als wir ihn sehen, den Aussichtsturm Prinzenkopf, der einen tollen Rundumblick auf die Moselschleife bietet. 

In Höhe von Bullay ist über der Mosel die markante Doppelstockbrücke zu erkennen. Über die obere Etage verläuft der rege Bahnverkehr, darunter fahren die Autos. Der Moselsteig hält die Höhe, der Hügel heißt Geisenkopf, wir bleiben in der Sonne, bis es am nächsten Taleinschnitt durch einen Wald steil nach unten geht. An der Lönshöhe stehen wieder Bänke und eine größere Schutzhütte, von hier aus blicken wir auf den Zeller Vorort Merl. Schnell sind wir unten im Mühlental und damit in Merl.

Die Speisekarte des Lokals am Straßenrand wird von Schnitzelvariationen dominiert. Im Text darüber wird von von lokalen Spezialitäten geschwärmt. Schnitzel als Spezialität? In einem Magazinbeitrag über den Schwarzwald habe ich jüngst gelesen, dass es dort 27 Restaurants mit insgesamt 35 Michelin-Sternen gibt, darunter zwei Häuser mit jeweils drei Sternen. 

Ohne überheblich sein zu wollen, aber paniertes Schweinefleisch, fritierte Kartoffelstäbchen und verschämte Salatbeilagen mögen zwar sättigen, sind aber weder gesund noch kreativ. Und ich bin sicher, die Küche im Hunsrück und an der Mosel kann mehr. 

Von Merl aus nehmen wir den Uferweg zurück nach Zell, die Sonne wärmt  uns hier im Windschatten. In Zell können wir in der Sonne einen Cappuccino trinken, dann drehen wir noch eine Runde durch die Ortsmitte. Hinter der großen Kirche Sankt Peter biegt noch eine kleine Seitengasse ab. Sie führt an der Rückseite des Schlosses Zell vorbei, das ein größeres Hotel beherbergt. Hier hinten versteckt befindet sich die ehemalige Synagoge. Das kleine Gebetshaus wurde zwischen 1849 und 1938 von der jüdischen Gemeinde genutzt, die neben Zell eine größere Anzahl an Orten umfasste. 

Auch hier in Zell waren es keine Marsmenschen, sondern in diesem Fall Moselaner aus Traben-Trabach in gewichsten Stiefeln und braunen Uniformen, die in der Progromnacht die Synagoge zerstörten und ihre Mitbürger:innen jüdischen Glaubens bis in den Tod verfolgten. 

Die Synagoge ist zur Zeit nicht zugänglich. Wir verlassen den Ort und steuern die Tankstelle mit kleinem Supermarkt am anderen Ortsende an. 

Denn in der Zeller Innenstadt gibt es kein Lebensmittelangebot mehr, die Menschen, die hier leben, sind gezwungen, ihre Einkäufe in Barl zu erledigen, dem hoch auf dem Berg gelegenen Vorort. Es ist zu vermuten, dass angesichts der Entfernung und des Höhenunterschieds die Einkäufe fast ausschließlich mit dem Auto erledigt werden. Hier wird eine Verkehrswende wohl nicht so schnell gelingen.

Von der Tankstelle aus überqueren wir die Mosel über die Autobrücke und gehen durch die Keltenhochburg Kaimt zurück.

In unserem Lieblingscafé haben wir weitere Rosinenbrötchen sowie einen Hefekranz gekauft. Am Camper angekommen gibt es jetzt erst einmal einen Kaffee und dazu Rosinenbrötchen mit Marmelade. Ingrid hol die Stühle nach draußen, einer davon entschwindet schnurstracks in die Mosel, der Wind erlaubt sich einen Spass mit ihr. 

Ich bin gerade in der Küche beim Kaffee und sehe zwei Männer vom Nachbarwohnwagen  am Camper vorbeirennen. Wollen sie sich todesmutig in die Fluten stürzen? Nicht nötig - Ingrid hat den Campingstuhl erwischt und rausgezogen. Er ist nur ein bisschen feucht geworden. 

Jetzt müssen wir höllisch aufpassen, dass uns nicht der Kaffee aus der Tasse geweht wird. Der Wind wird immer kälter, lange halten wir es hier nicht aus und brechen das Projekt Draußensitzen wieder ab. 

Später gehen wir wieder rüber nach Zell. Auch heute wollen wir uns das Kochen im Auto sparen, trotz der Vorräte im Kühlschrank. Weil wir keine Lust auf die allgegenwärtige Schnitzelküche haben, wird es wieder eine Pizzeria, auch, weil diese eine Terrasse hat, die noch in der Sonne liegt. 

Aber der Wind macht das Draußensein auch hier unmöglich. Der Kellner bietet uns einen Platz im Inneren an. Es ist wieder sehr früh und das Lokal noch einigermaßen leer. Heute wähle ich einen Salat, der neben dem Grünzeug auch mit Käse, Schinken, Tunfisch und Ei ausgestattet ist. Ingrid nimmt Lachs, der sich als sehr trocken erweist, dazu Pommes Frites und einen Beilagensalat. Alles in allem kein gastronomisches Highlight.

Wir gehen schnell wieder, denn jetzt wird das Lokal ungemütlich voll. Den Abend verbringen wir gemütlich im gut geheizten Wohnmobil. Morgen soll das Wetter schlechter sein, wir müssen ohnehin zurück nach Wiesbaden. Wir entscheiden uns, eine andere Strecke über den Hunsrück zu wählen und endlich einmal die  berühmte Hängeseilbrücke Geierlei zu erkunden. Das ist doch eine schöne Aussicht auf den Sonntag.


Das Video zum Beitrag hier oder direkt auf Youtube unter https://tinyurl.com/CK05-Zell


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