Wir beginnen unser zweites Jahr als Wohnmobilisten noch im kalten Februar mit einer Tour an die Nordsee, in das uns bestens bekannte Domburg im Süden der Niederlande. -
Youtube-Video (https://tinyurl.com/CK01-Domburg) ist am Ende des Post eingebettet
Der Winter ist wieder mal schier endlos. Die lange graue Dunkelheit geht allen an die Nerven. Zwei Jahre Corona zehrt an den Kräften, und jetzt haben wir auch noch Krieg in Europa. Wir versuchen es zeitweise auszublenden. Dabei helfen uns die ersten Sonnenstrahlen.
Wir starten ins zweite Jahr unseres Camperlebens. Noch im Februar verschwinden wir für ein paar Tage in die Niederlande, genauer gesagt nach Domburg in der südlichen Provinz Zeeland. Dort sind wir beide schon seit vielen Jahrzehnten immer wieder gewesen, jetzt fahren wir erstmals mit dem Wohnmobil dorthin.
Wir starten am Donnerstagnachmittag, früher geht es terminlich nicht. Die Strecke beträgt knapp 500 Kilometer, sie führt uns an Aachen vorbei durch die niederländische und dann die belgische Provinz Limburg, quer durch Belgien und über Antwerpen wieder in die Niederlande. In der Eifel weht ein kräftiger Wind, so dass ich auf den Brücken das Lenkrad mit beiden Händen fest halten und teilweise die Geschwindigkeit deutlich reduzieren muss. In Belgien ist das Wetter etwas besser, der Verkehr fließt auch hinreichend, erst vor Antwerpen fällt das Thermometer aus dem unteren zweistelligen Bereich auf bis zu einem Grad plus. Es regnet, graupelt und schneit.
Der Autobahnring um Antwerpen ist zu jeder Zeit chaotisch voll, auch dieses Mal, ein bisschen Stau muss also sein. Bedingt durch den riesigen Seehafen und die Achse rüber in die Niederlande sind wahnsinnig viele Lastzüge auf der Piste. Doch irgendwann haben wir die letzte Abzweigung des Hafens passiert und lassen die Hektik hinter uns. Hinter der Grenze wechseln wir auf die A 58 Richtung Vlissingen, die wir erst bei Middelburg wieder verlassen.
Die Verkehrsführung hat sich in den vierzig Jahren, in denen ich hierher fahre, permanent verändert, die Ortsdurchfahrten sind alle weggefallen, erst in Oostkapelle heißt es wieder durchs Zentrum kurven. Dann sind wir schon in Domburg. Es ist stockdunkel, auf der Hauptstraße sind nur wenige Menschen unterwegs.
Der Campingplatz liegt am Ortsausgang. Die Verwaltung hat mir eine Magnetkarte zugeschickt, mit der wir die Schranke öffnen können. Das klappt erst beim dritten Versuch. Im Dunkeln suchen wir auf dem riesigen Gelände unseren Platz, er liegt in einer entfernten Ecke. Die Stellplätze sind recht groß, 80 Quadratmeter sind angegeben, es sind Grasböden, in der Feuchtigkeit schon ordentlich aufgeweicht. Als wir nach dem rückwärts Einparken fast schon stehen, kommt ein Mercedes Sprinter und versucht ebenfalls, in der Dunkelheit einen Platz zu finden. Die Beifahrerin kommt herbei, beim Abgleich der Platznummer stellen wir fest, dass wir einen Platz weiter müssen. Also alles neu.
Schließlich stehen wir, laden die Räder ab und schließen das Stromkabel an. Strom fließt nicht. Was ist falsch? Ich überprüfe die Kabel vorwärts und rückwärts, kein Strom. Also müssen wir morgen früh zur Rezeption.
Wir wollen hier vier Nächte stehen, deshalb ist Landstrom unumgänglich. Im Winter ist der Stromverbrauch deutlich höher, die Stromzufuhr über das Solarpanel geringer. Aber für diese Nacht hat die Batterie genügend Power.
Essen habe ich zuhause vorbereitet, das halte ich für den ersten Abend immer so, dann haben wir hier an Bord weniger Arbeit. Es gibt Falafel und Linsensalat. Den WLAN-Key haben wir auch noch nicht erhalten, aber über das Mobilfunknetz lassen sich problemlos die Nachrichten schauen. Wir sitzen hier und sind sprachlos angesichts der sinnlosen Gewalt eines verlogenen Angriffskrieges, dessen Zeuge die Welt heute werden muss.
Am nächsten Morgen, nach der ersten Tasse Kaffee, sehen wir im Tageslicht, wohin es uns verschlagen hat. Links neben uns der Sprinter, der zeitgleich mit uns gekommen ist, rechts ein weißer Karmann Dexter. Nach vorne heraus eine lange Reihe an Wohnmobilen auf kleineren, aber dafür geteerten Stellplätzen. Dahinter der nächstgelegene Waschraum. Den suchen wir erst einmal auf, der Vorteil des Campingplatzes ist, dass wir die Ressourcen des Wohnmobils schonen können.
Nach einem kurzen Frühstück hält uns nichts mehr, wir fahren mit den Rädern in die Stadt und gleich ans Meer. Am zentralen Zugang zum Strand ist gerade Großbaustelle. Der Strandpavillon Stenen Toko wird vollständig erneuert und dabei, wie soll es anders sein, massiv vergrößert. Ich kann mich noch an das Vorgängerpavillon von dem erinnern, das gerade weichen musste. Der Zahn der Zeit.
Auch das Badpavillon oben auf der Düne ist noch recht neu. Das alte war ziemlich heruntergekommen, bestach aber meinem Gefühl nach durch die Patina und die Schlichtheit der Ausstattung. Man konnte damals sehr gut vor dem Haus sitzen und windgeschützt hinter Glas auch in der kalten Jahreszeit preiswerten Kaffee oder Bier trinken. Der Neubau beherbergt kein Hotel mehr, sondern ein etwas zu ambitioniertes Restaurant und Ferienwohnungen, die zu horrenden Preisen schnell ihre Abnehmer fanden.
Es ist kalt und windig, die Wellen, die sich gegen den Strand werfen, tragen weiße Schaumkronen.Wasser und Wind verursachen einen ganz schönen Lärm. Vorbei an der Villa Carmen Silva, von deren oberem Stockwerk aus der Blick aufs Meer unverbaut ist. Carmen Silva ist das Pseudonym der Schriftstellerin und rumänischen Königin Elisabeth von Wied aus dem Neuwieder Adelsgeschlecht und somit ein waschechtes Westerwälder Mädel, die es nach Rumänien verschlug, da ihr aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen stammender Ehemann in den merkwürdigen Zeitläuften des 19. Jahrhunderts König von Rumänien wurde.
Elisabeth von Wied reiste im Jahr 1889 nach Domburg und wohnte in der Villa, die heute den Namen des von ihr verwendeten Pseudonyms trägt.
Domburg ist schon lange ein Badeort, offiziell seit 1834. Schon die Römer waren hier unterwegs und errichteten einen Tempel zu Ehren der Göttin Nehalennia. Das außergewöhnliche Licht hier im Ort zog um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Künstler wie Piet Mondrian an, die die Atmosphäre in ihren Bildern auf einzigartige Weise festhielten.
Der Ort hat lediglich 1.600 Einwohner, die überwiegend in den neueren Vierteln zur Landseite hin wohnen. Der Ortskern mit seinem Restbestand an kleinen Katen und alten Repräsentationsbauten beherbert heute fast ausschließlich Hotels und Ferienwohnungen, ständig ergänzt durch immer größere Neubauten. Domburg ist ein Besuchermagnet: die kleine Flaniermeile mit Boutiquen, Gastronomien, Fischimbissen und Souvernierläden, der mit wenigen Schritten erreichbare Boulevard auf der Düne und der nahe Strand mit seinen Pavillons - das alles macht Domburg attraktiv. Dass der Ort vom Großraum Rhein-Ruhr und gut zweieinhalb Stunden erreichbar ist, hört man sofort auf der Straße und sieht es an den dominierenden Autokennzeichen.
Vorbei an der meist leer stehenden Villa Carmen Silva führt uns der Boulevard van Schagen in südliche Richtung zum Hoge Hill. Von dieser höchsten Erhebung der Dünenkette rund um Domburg hat man einen herrlichen Blick auf das Meer und den nicht abreißenden Schiffsverkehr zur Westerschelde und weiter nach Antwerpen, auf das flache Land, in dem im Süden der große Leuchtturm von Westkapelle hervorsticht, im Osten ragt die Kirche von Oostkapelle heraus, und am nördlichen Ende von Domburg, noch auf der Düne steht der Wasserturm, eines der Wahrzeichen der Stadt.
Über den Dünenkamm verläuft ein Fußweg, über den man zur Südwestspitze, weiter nach Westkapelle und dann über die Hochdüne vor Zoutelande bis nach Vlissingen gehen kann. Wir gehen ihn heute bis zum Leuchtturm am geteerten Strandabschnitt an der Spitze, wo die Westerschelde beginnt.
Linker Hand der Golfplatz von Domburg, der tatsächlich schon über hundert Jahre besteht und vom Domburgsche Golfclub betrieben wird. Bei jedem Wind und jedem Wetter hauen Unentwegte mit ihren langstiligen Schlägern auf die kleinen weißen Bälle ein. Die Dünen selbst dienen dem Natur- und dem Küstenschutz und dürfen nicht betreten werden.
Es ist Freitag, Winterzeit und die Welt steckt immer noch in der Corona-Pandemie. Deshalb sind weniger Leute als üblich unterwegs und die meisten Standpavillons geschlossen. Das Strandpaviljoen Noorduine hat aber geöffnet und wir gehen, nachdem wir noch bis zum Leuchtturm gelaufen und uns dem kalten Wind ausgesetzt haben, dankbar auf einen Kaffee hinein.
Allmählich wird das Wetter besser, der Wind bläst die Wolken davon und die Sonne hat freie Bahn. Das macht den Rückweg noch schöner. Zurück im Ort flanieren wir noch durch das ein und andere Geschäft und bleiben stark angesichts der Versuchungen endsaisonaler Sonderangebote. Aber im Fischladen an der Ecke holen wir uns Kibbeling, diese wunderbaren kleinen panierten Fischfiletstücke mit pikanten Soßen, den obligatorischen twee Sausjes.
Wir fahren mit den Rädern in den Supermarkt, der seinen Standort verlagert hat und dabei auch vergrößert wurde, und kaufen noch ein paar Lebensmittel ein sowie einen runden Apfelkuchen. An Koffie met Appelgebak führt in den Niederlanden kein Weg vorbei.
Freunde von uns sind ebenfalls gerade in Domburg. Wir sind mit ihnen in ihrer Ferienwohnung verabredet und wollen den Kuchen zum Kaffee mitbringen. Die Wohnung hat riesige Fenster zur Südseite, so dass wir die Sonne genießen können. Der Sonnenuntergang verspricht schön zu werden, also gehen wir gemeinsam auf den Boulevard. Von Domburg aus liegt das Meer westlich, ideal, um der Sonne beim Untergehen zuschauen zu können.
Die Sonne gibt ihr Bestes. Als sie dann ins Meer geplumst ist, wird es aber Zeit zu gehen, denn sofort macht sich die Kälte breit. Im Auto gibt es nur noch eine kleinen Imbiss, nach dem Kibbeling und dem Kuchen am Nachmittag. Der Tag klingt bei einem Glas Wein aus. Morgen ist ein neuer, auf den wir uns freuen können.
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