Tour de Bavaria (Teil 1): Die Schwarzachklamm

Eintrittskarten für ein Konzert in München führen uns nach Bayern. Wir nutzen die Gelegenheit, um vorher und nachher den Freistaat zu erkunden und beginnen am Freitagnachmittag mit der Schwarzachklamm bei Nürnberg. Wir starten früh am Nachmittag und haben erstaunlicher Weise freie Fahrt, da die meisten Autos in der Gegenrichtung unterwegs sind. So können wir schon am selben Tag mit viel Zeit die Schlucht durchwandern.

Das Video zum Blog: am Ende des Beitrags oder direkt auf Youtube unter tinyurl.com/CK10-Schwarzachklamm

Es bietet sich einmal wieder die Gelegenheit für eine kleine Flucht mit dem Wohnmobil. Anlaß sind Konzerttickets für die Tindersticks am Montagabend in München. Nach mehr als zwei Jahren das erste Livekonzert. Wir hatten Anfang März 2020 das Glück, gerade noch das letzte mögliche Konzert vor dem ersten Lockdown mitzuerleben. Fat Freddy's Drop reisten zur Europatournee aus Neuseeland an, gaben in Frankfurt am Main ihr erstes Konzert, reisten weiter nach Kopenhagen, warteten und flogen schließlich zurück nach Hause. Auch für die Tindersticks war Sendepause, wie für alle. Stuart Staples sollte später sagen, dieses in München sei ihr viertes Konzert in zwei Jahren.

 

Wir nutzen also das Wochenende und fahren bereits am Freitagnachmittag los. Unser erstes, kurzfristig recherchiertes Ziel ist die Schwarzachklamm bei Feucht nahe Nürnberg. Sagt uns nichts, kennen wir nicht. Macht uns neugierig. Es sind gut zweieinhalb Stunden Fahrt, aus denen dann doch verkehrsbedingt drei werden, das reicht völlig aus, um noch nicht in Anstrengung auszuarten. 

Die Anfahrt ist wie immer, Tempomat auf 100 Km/h, und wir lassen es laufen. Die Autobahn 3 wurde in den letzten Jahrzehnten erheblich ausgebaut, es gibt keinen zweispurigen Streckenabschnitt mehr, wie ich sie noch aus den 90ern kenne, als ich regelmäßig nach Passau fuhr. Für den Aufstieg auf den Spessert stehen dem engagierten Raser in PKW und Lastzug sogar vier Fahrspuren zur Verfügung. Positiver Nebeneffekt ist, dass das Überholen bei Tempo 100 funktioniert, ohne dass ein erfolgreich individualisierter Leistungsträger im schnelleren Auto in seinem Vorwärtsdrang ausgebremst wird. 

Nach dem Wechsel auf die A 9, dieser Carrera-Bahn für bayerische Autonarren, geht es gleich wieder ab und nach wenigen Kilometern finden wir uns nicht nur in dem kleinen Ort Gsteinach wieder, sondern mittendrin in der Schwarzachklamm, denn im Ort führt ein enger Weg steil bergab auf einen Wanderparkplatz am Ufer der Schwarzach. Laut Park4Night ist das Übernachten hier problemos möglich. Genau so ist es. 

Es ist Nachmittag, ein paar Autos parken auf dem Platz, viele Leute gehen vorbei, Wanderer, Menschen, die ihre Hunde ausführen, einzeln und in Gruppen. Wir freuen uns erst einmal auf einen Kaffee, den wir in  Ruhe trinken, sowie das letzte Stück Kuchen, das von Ostern übrig geblieben ist. 

Wir hatten nicht damit gerechnet, so früh zuhause loszukommen und so schnell die Klamm zu erreichen. Die Wanderung durch sie hatten wir für Samstagmorgen geplant. Jetzt ziehen wir sie vor. Die Sonne scheint, es ist warm, ideale Bedingungen. 

Schon der Parkplatz liegt tief unten im Einschnitt der Schwarzach, das Niveau der Umgebung dürfte so ungefähr zehn Meter höher sein. Die Wände zum Ort hin sind fast senkrecht, unten sind kleine Grotten ausgebaut. Wie die Gustav-Adolf-Höhle. Sie ist benannt nach dem schwedischen König, der während des dreißigjährigen Krieges herrschte und hier in dieser Höhle tatsächlich einmal einem - natürlich protestantischen - Gottesdienst beiwohnte. 

Unterhalb des Parkplatzes wird das Tal eng, der Weg verläuft in den folgenden Kilometern eng am Hang entlang, teilweise unter Felsen hindurch, teilweise durch kleine Höhlen, und durch größere wie die Karlshöhle. Eine richtige Klamm. An einer Stelle spiegelt sich das Wasser der Schwarzach durch die Sonneneinstrahlung im Felsen wieder. 

Mal staut sich das Wasser an breiten Stellen, mal rauscht es durch kleine Stromschnellen. An den ruhigen Stellen ziehen kleine Fische ihre Kreise, sie sind mindestens genauso neugierig auf uns wie wir auf sie. Laub- und Nadelbäume säumen die Hänge, das zarte Grün des Frühlings wird allmählich kräftiger, die ersten Blüten sind schon verwelkt. 

Immer wieder ragen Felsen spektakulär hervor, die ja erst die Klamm zur Klamm machen. Der kleine Fluss hat sie mancher Orts zu großen Grotten ausgewaschen, wie die sogenannte Karlshöhle. An den engen Stellen ermöglichen breite Stege das Fortkommen. Aber die Engstelle der Klamm ist nur ein paar hundert Meter lang, bevor das insgesamt 2,2 Kilometer lange Tal ein wenig breiter und sanfter wird. 

Bemerkenswert, wie sich die großen Bäume an den Felsen festklammern, und mit wie wenig Erde sie auskommen. Die Sonne steht tief und spiegelt sich in der Schwarzach. Kurzfristig steigt der Weg an und entfernt sich vom Tal, um an dem historischen Wasserkraftwerk Gsteinach vorbeizukommen. Die Anlage aus dem 19. Jahrhundert produziert heute noch Strom mit einer Leistung von 82 Kilowatt.

Am Ende des Tals taucht die Waldschänke auf, ein großer Biergarten, der an diesem späten Freitagnachmittag schon ordentlich besucht wird. Wir beschließen spontan, hier ein Bier zu trinken und zu Abend zu essen. Das Angebot ist gewohnt deftig, Käsespätzle für Ingrid und Fränkische Bratwürste mit Sauerkraut für mich. 

In diesen großen Biergärten in Bayern ist gewöhnlich Selbstbedienung angesagt, das Bier und das Essen sind in kürzester Zeit angereicht. Wir erwischen einen Tisch in der Sonne, die das Bier im Glas leuchten lässt.  

Die Schwarzachklamm ist hier zu Ende. Neben dem Flusstal steigt hinter dem Biergarten das Gelände etwas an. Unten fließt die Schwarzach, eine Etage oben drüber quert der Ludwig-Donau-Main-Kanal den Fluss über eine Brücke. Zwischen 1850 und 1950 verband der Kanal die Donau bei Kehlheim mit dem Main bei Bamberg und war dadurch Verbindungsglied einer Wasserstraße von der Nordsee zum Schwarzmeer. Heute gibt es größere und modernere Wasserstraßen, dieser Kanal ist sehr schmal und von 100 Schleusen durchsetzt, um einen Höhenunterschied von insgesamt 264 Metern auszugleichen.

Auf beiden Seiten des Kanals verläuft ein Weg, vermutlich früher als Treidelpfad genutzt, um die Boote von Hand oder mit Unterstützung eines Pferdes zu ziehen. 

Neben den Schleusen stehen einsam die früheren Schleusenwärterhäuschen, schön renoviert und gepflegt. Die Wehre der Schleusen sind teilweise geschlossen, es hat sich Treibgut aufgestaut, an denen das Wasser vorbeidrängt. Warnhinweise sollen davor abschrecken, die Schleusenmauern zu betreten, aber der Blick von hier aus auf die marode Wasserstraße ist zu verlockend.

Der Kanal und die Wege an beiden Seiten ziehen eine luftige Schneise durch den Wald, so dass die Strahlen der jetzt sehr tief stehenden roten Sonne freie Bahn haben und die Szenerie warm einfärben. Das gefällt den beiden Enten, die sich schnatternd von uns entfernen, und auch der Amsel, die uns weniger scheu neugierig beäugt. 

Bis auf einen Walker mit Stöcken und wenigen Radfahrern sind wir unter uns. An einer Brücke stößt ein Weg von links auf den Kanal, den nehmen wir, denn er führt in Richtung unseres Ausgangspunktes, des Wanderparkplatzes in Gsteinach. Den geraden und breiten Weg verlassen wir gleich wieder, um quer durch den Wald über einen schmalen Pfad bis zur Schwarzach zu gehen. Dann nur noch wenige Schritte nach links, bevor der Wegabgang runter zum Fluss und über die Brücke auf den Parkplatz führt.

Unser Camper steht mittlerweile alleine auf dem Platz. So bleibt das die Nacht über, die, wie üblich, ruhig verläuft. 

Am Morgen gehen wir das Tal in die andere Richtung entlang, nach Schwarzenbrück. Wir wollen uns das Faberschloss anschauen. Das kleine Schloss, Mitte des 19. Jahrhunderts im Stil der Neorenaissance von Lothar von Faber erbaut, ist heute Teil eines Seniorenheimes. An den Altbau wurde ein hässlicher Neubau im Stil der 1960er Jahre drangeklatscht, das mag praktisch sein, zerstört aber die Ästhetik, die die Erbauer im Sinn hatten.

Von Faber war der Inhaber des heute unter dem Namen Faber-Castell bekannten Bleistiftherstellers. Das Schicksal hat es nicht gewollt, dass er hier lange wohnen konnte. Hinter dem Schloss bringt uns ein Pfad runter ins Tal, der Fluss ist durch die Vegetation kaum zu sehen, auch nicht das zweite Schloss am gegenüber liegenden Ufer. 

Es liegt tatsächlich direkt gegenüber dem Faberschloss. Das Pletzsche Schloss ist deutlich älter, es wurde im 16. Jahrhundert auf dem Fundament einer älterern Burg erbaut und ist heute in Privatbesitz der namensgebenden Familie. Es wirkt sehr wehrhaft, was aber nicht verhindern konnte, dass die Burg nach dem zweiten Weltkrieg aufgrund eines Berichtes in der US-Armee-Zeitung über die Wertgegenstände darin geplündert wurde.

Vom Ort Schwarzenbruck aus gelangt man ebenerdig in den großen Burghof, der von Mauern und an der Westseite von Wohngebäuden eingefriedet ist. Die eigentliche Burg ist mit einem - leeren - Wassergraben umgeben, über das mehrere Zugbrücken führen. Das Burgtor ist gelbschwarz gestreift angestrichen, ebenso ein kleineres Tor, das in einen Garten hinein führt. Oberhalb des Burgtores ist ein Wappen angebracht, drei martialische Wolfs-, Bären-  oder Eberköpfe?

Im Garten hinter der Mauer wird gearbeitet. Eine Katze kommt vorbeigetappt und sucht kurzzeitig Anschluss, bevor sie es sich wieder anders überlegt und davon trollt. Der große äußere Burghof ist mit Gras bewachsen, es stehen auch ein paar Bäume darauf. Insgesamt ein sehr friedliches Bild, wie aus einer Traumzeit. Wir müssten gar nicht mehr weg gehen, es lädt zum Verweilen und Träumen ein.

Natürlich gehen wir wieder. Jenseits der Mauer sind wir zurück in der Jetztzeit. Moderne Häuserfassaden, moderne Autos, dörfliche Geschäftigkeit. Durch den Ort finden wir den Weg zurück an die Schwarzach und den Fluss entlang zum Camper. Das war ein schöner Abschluss unseres Besuches des Schwarzachdurchbruchs. 

Aber jetzt wartet die Autobahn auf uns. Über die A9 fahren wir Richtung München, schlagen einen Bogen über die vielen Autobahnen dort und biegen nach Nordosten ab. Dann noch etliche Kilometer über Landstraßen, und schon ist Wasserburg am Inn erreicht. Das ist eine Geschichte für den nächsten Blog.

Das Video zum Blog auf Youtube unter tinyurl.com/CK10-Schwarzachklamm oder hier:


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