Tour de Bavaria (Teil 2): Wasserburg am Inn

Mit dem Wohnmobil durch Bayern. Unser Ziel ist München, dort wollen wir am Montagabend in die Isaphilharmonie gehen. Wir schlagen einen Bogen über das Nürnberger Land, wo wir durch die Schwarzachklamm wandern. Die nächste Station ist Wasserburg, die Stadt am Inn.

Das Video zu dieser Episode auf Youtube (tinyurl.com/CK11-Wasserburg) oder am Ende dieses Beitrags.

Nach dem Besuch der Schwarzachklamm bei Feucht im Nürnberger Land, einer erholsamen Nacht auf dem leeren Wanderparkplatz unten in der Klamm und dem morgendlichen Spaziergang entlang der Schwarzach zu den gegenüberliegenden Schlössern Faber und Petz sind wir über die Autobahn 9 Richtung München weitergefahren, dort ein wenig den Autobahnring um die Stadt herum, um dann eine andere der reichlich vorhandenen Autobahnen wieder weg von der Landeshauptstadt zu nehmen und nach einigen Landstraßenkilometern die kleine Stadt Wasserburg zu erreichen.

Von der Bundesstraße kommend verläuft die Münchner Straße über die Engstelle, die die kleine Altstadtinsel mit der Außenwelt verbindet. Der Ortksern ist fast vollständig, nämlich zu sieben Achtel vom Inn umgeben, der Fluss legt hier, von Südwesten komend, eine ungefähr 270 Grad weite Kurve hin, orientiert sich dann kurzzeitig in nordöstlicher Richtung, bevor er nach Nordosten weiterfließt, um sich viel später bei Passau mit der Donau zu vereinigen.

Der erste große Parkplatz in Bahnhofsnähe sieht nicht so prickelnd aus, wir folgen dem Rat von Park4Night und kurven durch die Stadt zu dem hinteren Parkplatz am Innufer. Das Navi weiß nichts von der Einbahnstraßenregelung am Parkplatz, so dass wir noch einmal um das Carree herum müssen. Laut Beschreibung der App sind hier nur zwei ausgewiesene Wohnmobilparkplätze vorhanden, das ist knapp - aber uns reicht ja einer davon. 

Und tatsächlich ist einer von beiden frei. Was wollen wir mehr? Einparken, Motor ausschalten, angekommen. Ab 14 Uhr am Samstagnachmittag ist das Parken kostenlos. Wir haben eine halbe Stunde bis dahin, also lohnt es sich nicht mehr, den Automaten zu füttern. Auf dem Platz gibt es eine WC-Anlage, das so bezeichnete Pissoir ist kostenfrei zugänglich, für die anderen WC werden 20 Cent fällig. Nachts ist die Anlage abgeschlossen. Uns ist das egal, wir sind im Camper autark.

Nachdem wir uns ein wenig Zeit zum Ankommen gegönnt haben, zieht es uns in die Stadt. Wir gehen ein Stück am Ufer des Inn entlang, vorbei an den ersten der vielen Skulpturen, eine vierköpfige Personengruppe aus Holz, wunderbar aufs wesentliche vereinfacht geschnitzt, einander zugewandt. Hier ist zu beobachten, was Kunst im öffentlichen Raum so häufig auslöst: verständnisloses Kopfschütteln von Passanten, die nach einer Erklärung dafür suchen, was sie hier sehen, aber keine erhalten. 

Was bedeutet das? Was will uns die die Künstlerin damit sagen? Das ist doch gar nicht schön, nicht angenehm anzuschauen, nicht ästhetisch! Missverständnisse, denen Kunst seit jeher ausgesetzt ist, weil Kunst nicht einlullen, nicht Dekoration sein kann, sondern mit Gewohnheiten bricht, eine Erweiterung der Wahrnehmung und des Bewusstseins versucht. 

Ein paar Skulpturen weiter endet die Grünanlage am Brucktor, einem großen Gebäude, in dessen Mitte sich ein Stadttor zum Inn hin öffnet. Der westliche Teil des Gebäudes war lange Zeit ein Spital. Der Fußweg verläuft in einer offenen Galerie durch das Haus. Eine Brücke über den Inn verbindet hier die Stadt mit der Außenwelt. Die Holzbrücke ist ein Neubau aus den 1980er Jahren, die versucht, sich an dem historischen Vorbild zu orientieren. 

Wir gehen nicht über die Brücke, sondern durch die Bruckgasse - die Brückengasse - in die Stadt hinein, die Gasse trifft auf den Marienplatz. Nach rechts sind die Häuser mit Arkaden ausgestattet, unter denen wir hindurch gehen. Denn der Marienplatz selbst gehört dem Autoverkehr, an diesem Samstagnachmittag wird er stark befahren, was nicht so schön ist. Die Arkaden sind von Läden gesäumt, dann taucht ein Café auf, eine Kaffeerösterei. 

Nicht lange zögern, hier trinken wir unseren Kaffee. Schöne große Tassen mit Cappucchino, dazu einen Croissant und einen Brezel. Auf alten Möbeln unter den Arkaden sitzen und aufs historische Rathaus schauen. Wir sind leider zu spät dran, um es besichtigen zu können. Das Gebäude ist aus dem 15. Jahrhundert, was man den spätgotischen Giebeln und Fenstern unschwer ansieht. Davor der Brunnen mit der goldenen Marienstatue. 

Links neben dem Rathaus die Frauenkirche, hier von der wie üblich nach Osten gerichteten Altarseite, also der Rückseite, aus gesehen. Gegenüber dem Rathaus das nach einer Familie Kern benannte Haus, in dessen Erdgeschoss die Arkaden der Straße verlaufen. Die Fassade ist filigran und motivreich im Stil des Rokkoko gestaltet. 

Wir gehen in die Straße neben dem Rathaus hinein. Sie heißt Salzsenderzeile, hier war wohl früher die Zunft der Salztransporteure angesiedelt. "Heiteres Beruferaten" in Wasserburg (an diesen Ausdruck erinnern sich wohl nur noch die älteren Fernsehgeschädigten unter uns). Von dieser biegt die Herrengasse ab, nicht schwer zu erraten, wer hier einstmals wohnen durfte, dann folgt die Färbergasse. Alles hübsch ständisch geordnet. Gegenüber der Buchhandlung mit ihrer roten Hausfassade blühen die Magnolien, ein sehr schönes Bild.

Die Straße mündet auf einen großen Platz, der Hofstatt. In der Mitte eine offene Markthalle, der samstägliche Markt ist bereits vorbei. Am Platz sind etliche Lokale angesiedelt, die Tische davor sind gut besetzt. Da möchte man sich glatt dazugesellen. 

Wir biegen ab in die Ledererzeile, auch hier wieder eine leicht verständliche Gewerbebezeichnung. Ein Stadtturm, der rote Turm, führt aus dem inneren Bereich heraus, wir bleiben aber innerhalb der Stadtmauer, schauen uns die Geschäfte an, erfreuen uns an den Karl Valentin-Postkarten vor einem der Läden. 

Die Friedhofsgasse lockt mit dem Tor am anderen Ende. Es führt auf den Friedhof außerhalb der Stadtmauer. In der Gasse vor der Mauer hat ein Trödler seine Exponate zu einem kleinen Flohmarkt drapiert. Hundeköpfe schauen uns sehnsuchtsvoll hinterher, ein kleiner Napoleon wahrt aufrecht und wie gewohnt mit der rechten Hand im Revers Haltung in dem Pappkarton, in den hinein er verbannt wurde; ein Schaukelpferd wartet darauf, geschaukelt zu werden. 

 

Mit zwei silbernen Saucieren bestückt schlendern wir zurück in die Lederergasse, der Trödler freut sich über etwas Umsatz. Aus der Lederergasse wird der Weberzipfel, eine wiederum eindeutige Zunftbezeichnung. Nach rechts biegt der Bauerschweizer Durchgang ab. Das ist interessant, er erinnert an die Käserei Bauer, die hier einst ansässig war, aus der später die Molkerei Bauer wurde, heute bekannt für den Fruchtjoghurt im 250-Gramm-Gebinde, den ich, ich muss es gestehen, über Jahrzehnte abgöttisch liebte. Ich konnte mich nur unter großer Anstrengung von dem zuckerhaltigen Zeug lösen.

Wir verlieren uns ein bisschen im Schaufenster der hier ausstellenden Illusionsmalerin und nehmen den später nach links abbiegenden Weg hoch zur Burg. Der Weg wird zur steilen Treppe, links ein schöner alter Lattenzaun vor einem grünen Hang, durch ein Haus hindurch, und schon sind wir oben auf der Straße Auf der Burg, eine der beiden Verkehrstrassen der Altstadt. 

Hier sind offenbar ein paar Behörden angesiedelt. Die Burg selbst ist weiß getüncht, das Hoftor geöffnet, aber auf einem Hinweisschild wird darum gebeten, die Anlage nicht zu betreten, da sie zu einem Seniorenheim gehört, das die Privatsphäre seiner Bewohner:innen gewahrt sehen möchte. 

Auf einer hässlichen vernachlässigten Brachfläche verbietet ein Schild das Parken ohne ausdrückliche Sonderberechtigung des Ministerialbeauftragten - keine Ahnung, wer das ist und was er für einen Auftrag hat, außer das Parken zu verbieten -, und sogar das Betreten dieser Fläche! Hier ist die Bürokratie in ihrem Element und tut das, was sie am besten kann.

Auf der anderen Straßenseite überblicken wir die gesamte Altstadt bis zum Hang auf dem gegenüberliegenden Innufer, das die Stadt vom Umland trennt. Im Hang, der von der Burg runter die Stadt verläuft, sind hübsche Gärten angelegt, Die große moderne Gebäudeanlage unten am Fuß des Hangs beherbergt offensichtlich eine weitere Seniorenwohnanlage. Sieht nach Betreutem Wohnen aus. Dahinter ragt der Kirchturm der Stadtkirche Sankt Jakob hervor. 

Ein paar Meter weiter öffnet sich ein überdachter Durchgang in einem Haus, die alte Friedhofsstiege, die uns hinunter zur Kirche bringt, in die Schustergasse. Neben der Kirche und vor dem Pfarrhaus die überlebensgroße düstere Statue des namensgebenden Heiligen, die rechte Hand ausgestreckt. Wahrscheinlich will er nur dazu einladen, sich auf den Jakobsweg zu begeben, der - besser gesagt, einer seiner unzähligen Varianten - hier entlang verläuft und bekanntlich im galizischen Santiago de Compostela endet, wo es den Apostel, der Legende nach, hin verschlagen hatte.

Wir schauen nochmal in die Schustergasse hinein, bevor wir durch Herrengasse das Areal wieder verlassen. Am Innufer umlaufen wir die Altstadt, vorbei an vielen interessanten Skulpturen, vorbei auch an der Plätte, diesem flachen und niedrigen Kahn, der so typisch für die Innschifffahrt war. Danach suchen wir den Weg durch das Brucktor und über die Innbrücke auf die andere Flussseite, wo sich der neuere Teil der Stadt ausgedehnt hat. Von hier aus sieht die Häuserreihe westlich der Brücke einfach großartig aus. 

Gegenüber dann das heftige Erschrecken vor der Hässlichkeit des Sparkassengebäudes. Diese Kathedrale der wahren Religion unserer Tage hat sich größtmöglich auf der Fläche zwischen zwei Straßen ausgedehnt und platzt aus allen Nähten. Oh Mist, ich Ignorant muss später lesen, dass das Sparkassengebäude nicht nur so dahingeklotzt wurde, sondern einen typischen regionalen Architekturstil interpretiert und bereits unter Denmalschutz steht. Man sieht es ihm nicht an.

Gegenüber steigt ein Fußweg an, der Kellerbergweg wird uns auf den gleichnamigen Berg führen. Von da oben hat man einen freien Blick auf die gesamte Altstadt. Einfach schön. 

Den genießen wir einem Moment lang, bevor wir dann über die Salzburger Straße weitergehen, gegenüber von alldem, was in der Altstadt keinen Platz gefunden hat und sich hier oben aneinanderreiht, nämlich die bekannten und allgegenwärtigen Marken des autogerechten Einkaufens, und über die Achatzstraße wieder den Weg zurück finden, unterhalb der drei Kruzifixe des Dreikreuzberges. Wir nehmen dann den Magdalenenweg zurück durch das Gestrüpp, der uns am Kellerbergweg wieder rauslässt.

Unten am Inn wählen wir den ufernahen Fußweg, den Ziehweg, der vermutlich so heißt, weil er früher als Treidelpfad genutzt wurde. In der tiefen Sonne genießen wir den Anblick der Stadt. Wir gehen bis auf die Höhe der Kapuzinerinsel und sehen weiter hinten im Fluss das Wasserkraftwerk liegen. Da wir langsam Hunger bekommen, es ist bereits früher Abend, gehen wir aber jetzt zurück, über die Brücke und am Ufer entlang zum Parkplatz. 

Dort ist es recht lebhaft, ein Kommen und Gehen, denn viele der Altstadtbesucher nutzen ihn den ganzen Abend über. Das stört uns kein bisschen, wir sitzen erst noch in der hinter den Häusern langsam verschwindenden Sonne, dann lassen wir uns das in der Bordküche zubereitete Abendessen schmecken, werfen noch einen letzten Blick auf den Inn, bevor wir uns endgültig in den Camper zurückziehen und irgendwann, als es so richtig dunkel ist, die Plissees an den Fenster zuziehen und den Tag ausklingen lassen. 

Morgen ist ein neuer Tag, neue Abenteuer warten, aber darüber berichten wir im nächsten Blog.

Das Video zum Blog auf Youtube: tinyurl.com/CK11-Wasserburg und hier:





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