Camperkalli in Norwegen (2): Der tiefe Süden - von Mandal zum Lysefjord

Wir sind in Norwegen. Spätabends runter von der Fähre und sofort nach Mandal weiterfahren. Dort finden wir einen wunderschönen Übernachtungsspot und müssen lernen, dass die Sonne hier nicht untergeht. Ein wenig übernächtigt wirft sie uns brezelnd aus dem Bett: wir hätten ein Land zu entdecken.

Die Nacht im Jachthafen von Mandal war mehr als kurz. War es doch schon nach ein Uhr nachts, als wir uns endlich zur Ruhe legten. Die Fähre kam mit mehr als 90 Minuten Verspätung in Kristiansand an, die Fahrt nach Mandal, die Suche nach einem geeigneten Übernachtungsspot, dann mussten wir noch die erleuchtete Stadt Mandal bewundern, die faszinierend südeuropäisch anmutete - ja wir haben sogar noch spätabends, nach unserem sehr späten Abendessen im Wohnmobil, eine Runde durch das Zentrum gedreht.

Wie immer haben wir auch zu diesem Blogbeitrag parallel ein Video für unseren Kanal produziert, dass ihr auf Youtube oder am Ende dieses Beitrages sehen können.

Und jetzt ist es erst halb sechs, wir sind wach, denn die Sonne brennt vom Himmel! Wer soll da schlafen? Es gilt ein Land zu entdecken. 

Also raus aus dem Bett und Kaffee kochen. Schnell unter die Dusche und raus vor die Tür. Die anderen Wohnmobile sind noch verdunkelt. Wünsche ich halt der Ente im Wasser einen guten Morgen. 

Richtig warm ist es nicht, Fließpulli und Softshellweste sind schon angebracht. Wir gehen in die Innenstadt und nehmen den Weg, den wir in der Nacht schon gegangen waren. Bei Sonne sieht es natürlich nochmal schöner aus. Heute morgen ist der Ort leer und verschlafen, kein Wunder, da sich alle in der Nacht ausgetobt haben. Ein paar Jogger und die obligatorischen Hundebesitzer sind schon unterwegs. Die Geschäfte und Lokale sind geschlossen, nicht einmal eine Bäckerei hat geöffnet. 

Am Geldautomaten ziehen wir uns erst einmal Bargeld, damit wir ein paar norwegische Kronen in der Tasche haben. Viel zu viel, wie sich im Laufe der Zeit zeigen wird, denn hier in Norwegen wird nahezu alles, auch die kleinste Ausgabe, mit der Kreditkarte erledigt. Cash ist out.

Von der Innenstadt gehen wir in ein Wohnviertel, die Häuser sind aus Holz und weiß gestrichen, das sieht sehr schön aus. Die meisten sind wohl schon älter, aber sehr gepflegt. Wie mag das Leben hier in den langen Wintermonaten aussehen?

Wir gehen zur Kirche von Mandal. Die klassizistische Mandal kirke ist berühmt, gilt sie als Norwegens größte Holzkirche. Laut Wikipedia bietet sie 1.800 Sitzplätze. Leider ist sie geschlossen. Das weiße  Gebäude ist 200 Jahre alt und wurde nach einem Stadtbrand errichtet. Die Grabsteine auf dem weitläufigen Friedhof um die Kirche herum sind teilweise sehr alt, die Gräber werden hier wohl noch nicht nach 25 Jahren eingeebnet.

Zurück am Auto fahren wir zunächst zur Ver- und Entsorgungsstation am Stadtrand, lassen Grauwasser ab und nehmen Frischwasser auf. In Norwegen ist das viel einfacher als hier in Deutschland, es gibt an vielen Stellen ausgeschilderte Servicepoints für Wohnmobile und sie sind in der Regel kostenlos. 

Wir nehmen die E 39 nach Westen, die Hauptverbindungsstraße nach Stavanger. In Flekkefjord verlassen wir sie wieder. Auf dem Wohnmobilstellplatz am Byfjorden machen wir eine Frühstückspause. Wir haben in Mandal in einer schönen Bäckerei frische Brötchen und Kanelknuter gekauft, Zimtschnecken - also im Wortsinne Zimtknoten -, das skandinavische Standardzuckergebäck. Ganz frisch!

Wir schauen den anderen Wohnmobilisten bei ihrem Treiben zu, es sind überwiegend norwegische Fahrzeuge, man steht beisammen und smalltalkt miteinander, lässt sich Zeit, das ist schön.

Kaum haben wir die große Verkehrsader verlassen - die ja auch nur eine banale zweispurige Straße mit Kurven und Steigungen ist -, sind wir mitten auf einer Passstraße. Sogar hier im Süden an der Küste, dicht am Wasser. Die Straße ist eng und reich an Kurven, Steigungen und Gefällen. Die Landschaft ist wild, ein Baumwuchs wie im Hochgebirge, große Steine zwischen den vielen Felsen, kleine Seen in den ebenen Abschnitten, dort, wo gerade kein Fjord durchfließt. 

Ein paar Serpentinen nach unten, und wir sind am Jøssingfjord. Eine Siedlung, ältere Bergbauanlagen, schon sind wir im Tunnel und wieder raus, die Straße verläuft auf die hohen Felswände zu, wieder stark ansteigend und eine Kurve nach der anderen nehmend. Noch ein Tunnel und linker Hand ein Parkplatz, der Jøssefjorden Utsiktsplass - die Bedeutung erklärt sich von selbst, soweit sind die Sprachen nicht voneinander entfernt. 

Hier am Jøssingfjord wird Titanerz abgebaut, es handelt sich um das weltweit bedeutendste Vorkommen dieses Minerals. Außerdem ist es ein geschichtsträchtiger Ort: Im Februar 1940 enterten britische Militärs ein deutsches Schiff und befreiten Landsleute, die kriegsgefangen waren. Die Deutschen nutzten die sogenannte Altmark-Affäre als Vorwand zur Besetzung Norwegens. 

Von einem schrägen Plateau aus öffnet sich der Blick auf das enge und felsige Talende links und den sich ins Meer erweiternden Fjord rechts. Gegenüber ein beachtlicher Wasserfall - aber was ist schon beachtlich in einem Land, in dem das Wasser allenthalben fällt und fließt und schäumt. Für diesen hier finde ich nicht einmal den Namen heraus.

Die beiden alten Holzhäuser von Helleren, die sich unter den Felsüberhang ducken, haben wir heute glatt übersehen. Es sind einfach zu viele spannende Eindrücke, denen wir ausgesetzt sind.

Nächster Stopp ist eine kleine Bucht am Meer namens Snapneshølen in der Gemeinde Sokndal. Vor der Brücke über einen Bach, der gerade dabei ist, das Meer zu befüllen, läuft ein Feldweg zum Ufer. Das ist verlockend. Als hin. Auf dem kleinen Parkplatz steht ein deutscher Karmann Davis, unser Dexter jetzt mit Abstand daneben. 

Das Meer, wie schön. Boote auf dem Wasser, ein Fischkutter vertäut in dem kleinen Hafen. Gegenüber rote Holzhäuser. Nach vorne das sich allmählich öffnende Meer. Schwimmt man jetzt direkt in südliche Richtung, kommt man irgendwann in Ostfriesland oder in Fryslan heraus. 

Dies ist jetzt unser Abschied von der Südküste, wir fahren nach Norden weiter. Wir streifen Egersund, fahren wieder zur E 39 und reihen uns in den lebhaften Verkehr Richtung Stavanger ein. Aber nur bis Vikeså. Hier biegen wir auf die 503 ab, die straight nordwärts verläuft. Die Landschaft ist sehr grün und lieblich, das Tal hat reichlich Platz zwischen den nächsten Hügeln. Die Straße hangelt sich von See zu See, bis zu einem Fjord, dem die Berge wieder nahegerückt sind. Kein Platz mehr für die kleine Straße, sie bohrt sich durch den Berg und quetscht sich danach zwischen Ufer und Wand entlang nach oben. Beim Gegenverkehr heißt es ausweichen und anhalten.

Oben auf der Passhöhe parken wir zwischen riesigen Findlingen. Wir sind inmitten einer Muräne, dem eiszeitlichen Geröllfeld Gloppedalsura. Das Geröll teilt das Tal zwischen den Bergen entzwei und trennt zwei Seen voneinander, nach Südwesten den Indra Vinjavatnet, nach Nordosten den Gloppedalsvatnet. Wir fahren weiter ins Hunnedalen, durch Byrkjedal an der Kreuzung zur 450, das zur Gemeinde Sirdal gehört. Wir sind in der Region des Kjerag, des spektakulären Felsens über dem Lysefjord, der zwischen zwei Felswänden eingeklemmt ist. 

Leider ist der Weg in den Lysebotn, dem Talschluss des Lysefjords, für dieses Mal zu zeitaufwändig. Denn wie wir bereits am ersten Tag in Norwegen feststellen, benötigt die Überwindung von Entfernungen in diesem Land unglaublich viel Zeit, etwas, was wir aus unserem von geraden Autobahnen aufs Letzte erschlossenen Land nicht gewohnt sind. Die Abfahrt in den Lysebotn würde sich schon wegen der engen Serpentinenstraße lohnen - nächstes Mal!

Wir biegen also in Byrkjedal links ab, lassen auch den Månafossen schweren Herzens rechts liegen und düsen westlich Richtung Stavanger, bis wir wieder nach Norden abbiegen, Richtung Høle. Auch diesen Ort lassen wir links liegen und fahren zum Fähranleger am Høgsfjord, den wir überqueren müssen, um zum Preikestolen zu gelangen. 

Unsere erste Inlandsfähre in Norwegen. Sie fährt vom südlichen Anleger Lauvvika nach Oanes, das gegenüber des Städtchen Forsand liegt, beide an der Mündung des Lysefjords, über den einige Kilometer weiter der Preikestolen senkrecht herausragt. Den wollen wir morgen besteigen.

Wir reihen uns brav in die Warteschlange an der Fähre ein. Wie üblich bei stark frequentierten Fähren gibt es mehrere Wartespuren, die nummeriert sind. Es ist Usus, dass die Warteschlange sich von Spur 1 bis Spur N bildet und dass die Fahrzeuge in der Reihenfolge ihrer Position in den Warteschlangen auf die Fähre fahren. Wo soll eine derartige Regel funktionieren, wenn nicht bei den höflichen Skandinaviern.

Pustekuchen. Längst haben sich neben uns PKW angesammelt. Die Fähre hat angelegt, der ankommende Verkehr ist durch, das Einschiffen hat begonnen. Unsere Spur fährt Auto für Auto vor, langsam nur, weil man die Fähre im Schritttempo befährt. Da fahren die Fahrzeuge auf Spur zwei, fast alles norwegische Kennzeichen, ebenfalls los und parallel zu denen aus unserer Spur auf die Fähre. 

Wir sind die Letzten auf Spur eins, vor uns ein weiteres Wohnmobil. Die PKW knäulen sich bereits auf der Rampe, das Fährpersonal dirigiert vor und zurück, quetscht ein Auto. nach vorne, eines an den Rand. Jetzt ist nur noch Platz auf der Rampe der Fähre. Der vor uns fährt nach rechts, er ist ein Teilintegrierter und etwas sperriger, ich fahre links neben ihn. Reicht. Wir sind drauf. 

Ein Fährmitarbeiter kommt zum Kassieren. Kein Bargeld, er hat ein Kartenlesegerät dabei. Wir sind schließlich in Norwegen und nicht in Neuland. Das bleibt die einzige von mindestens zwei Dutzend Fährüberfahrten, bei der die fee gleich kassiert wird. Üblicherweise, und so war es dann auch jedesmal, werden die Kosten wie bei der Straßen-, Brücken- und Tunnelmaut gehandhabt, nämlich per Kameraerfassung des Fahrzeugkennzeichens.

Zu diesem Zweck habe ich den Ducato vor Fahrtantritt auf epass24.com registriert. Auf die einfachste Art, nur die Fahrzeugregistrierung, kein elektronisches Lesegerät, keine Kreditkartenhinterlegung. Die Registrierung hat lediglich den Zweck, Sorge zu tragen, dass die korrekte Schadstoffeinstufung bei der Mautberechnung berücksichtigt wird. Schließlich haben wir einen Diesel mit sehr guter Euro 6 D-temp-Einstufung, das soll sich auszahlen.

Noch haben wir keine Rechnung erhalten, wissen also nicht, was letztlich in der Summe für die Nutzung der Straßen, Brücken, Tunnel und Fähren an Kosten entsteht. Es war großenteils nicht einmal ersichtlich, ob eine Maut erhoben wird. Das kann noch lustig werden.

Wir fahren erst einmal von der Fähre, da diese zwischenzeitlich das gegenüberliegende Ufer erreicht hat. Die anderen Fahrzeuge düsen nach Norden weiter, wir biegen gleich links ab auf einen Parkplatz direkt hinter dem Fähranleger.

Der Tipp kommt natürlich von Park4Night. Wir wollen morgen früh zum Preikestolen. Die Zufahrtsstraße zum Parkplatz öffnet erst um 6 Uhr, Übernachten oben ist nicht möglich. Auf den Campingplatz an der Einfahrt oder den Wohnmobilstellplatz gleich daneben wollen wir nicht unbedingt. Der Platz hier ist eine Alternative und er liegt sehr schön. Es gibt am Anleger sogar ein Kioskhäuschen mit durchgehend geöffnetem sauberen WC. 

Von hier aus überblicken wir Høgsfjord und Lysefjord, sehen die Lysefjordbrücke, die das gegenüberliegende Farsand anschließt, und natürlich all die Berge rundherum. Ein paar Meter weiter gibt es einen weiteren Parkplatz und ein Restaurant. Wäre doch schön, zur Feier des Tages essen zu gehen.

Also los. Auf dem Parkplatz stehen weitere Wohnmobile, bereit für die Nacht. Eine Tafel weist darauf hin, dass das Restaurant geöffnet ist. Gar nicht selbstverständlich, wie wir noch sehen werden, denn es öffnet nur Mittwochs und Sonntags. Und es ist kurz vor dem Schließen, es ist 18 Uhr, da hat ein Restaurant gerne mal Feierabend. Oder nicht?

Wir gehen trotzdem hinein. Sonntags gibt es Buffet, das kostet pauschal 400 Kronen pro Person. Der Wirt sagt, wir seien früh genug, es sei zwar nicht mehr alles aus dem Angebot vorhanden, aber trotzdem noch reichlich. Sie decken uns einen Tisch ein, stellen eine Wasserkaraffe dazu, wir schnappen uns Teller und bedienen uns am Buffet. 

Buffets verleiten bekanntlich zur Maßlosigkeit. So auch hier, es ist schwer, sich zurückzuhalten. Das Essen ist gut und abwechslungsreich. Leider ist der Fisch alle. Ingrid hat schon den Nachtisch entdeckt, auch hier greife ich ausnahmsweise zu. Der Wirt weist uns noch auf den Kaffee hin, der in einer Thermoskanne bereitsteht. Er schmeckt erstaunlich gut.

Zwischeinzeitlich bauen die Mitarbeitenden das Buffet ab und räumen auf, wir gehen zur Kasse und freuen uns: der Wirt berechnet uns nur die Hälfte, da wir nicht mehr das volle Angebot nutzen konnten, Das ist sehr großzügig, So haben wir zusammen 40 Euro für ein reichhaltiges Abendessen bezahlt. Das ist sogar in Deutschland günstig.

Zurück auf dem Parkplatz vertreten wir uns noch die Beine und schauen uns die Umgebung an. Wir gehen runter bis zum Wasser, um die Ecke geschaut kann man auch hier das offene Meer erahnen. Die Sonne, die, das haben wir schon gelernt, in dieser Jahreszeit kaum verschwindet, wirft ein warmes Licht, mal hier hin, mal dort hin, eben so, wie es die vom Wind angetriebenen Wolken zulassen,

Das junge Paar aus dem Vintagecamper, der sich neben unserem eingefunden hat, ist mit einer Angel unterwegs. Zwei Männer aus zwei französischen Campingcars laufen einzeln in der Gegend herum und vermitteln den Eindruck, sie langweilten sich etwas. Eine Frau fährt mit einem zum Minicamper umfunktionierten Berlingo umher, offensichtlich auf der Suche nach einem Schlafplatz, der noch ein wenig geschützter ist als dieser öffentliche Parkplatz.

Als die Sonne tiefer sinkt und im Westen hinter den Hügeln verschwindet, wird es zunehmend kalt und wir ziehen uns in den Camper zurück. Der Blick durch die großen Scheiben auf den Fjord ist schön. Ein toller Tag geht zu Ende. Morgen erwartet uns der Preikestolen. Neue Abenteuer liegen vor uns, und das jeden Tag in den nächsten Wochen.



Das Youtube-Video zu dieser Blogepisode auf unserem Kanal auf Youtube oder gleich hier:

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