Suldal, Odda und die Wanderung zum Buerbreen-Gletscher. Camperkalli in Norwegen (4)

Unseren tollen Übernachtungsplatz am Kai in Sand verlassen wir zeitig am Morgen, denn wir wollen weiter Richtung Hardanger, den Fluss und den langgestreckten See von Suldal entlang. Wo wir wohl heute landen werden?

Schlafen mit Blick auf den Sandsfjord. Geht es noch schöner? Morgens ist es nur leicht bewölkt, die Sonne kommt durch und verschönert die Szenerie noch zusätzlich mit ihrem warmen Licht. Ein Fischer wirft Fischabfälle in den Fjord, ein Schwarm Möwen balgt sich darum. 

Wie immer, so gibt es auch zu dieser Episode ein Youtube-Video - auch am Ende des Textes eingebettet.

Wir sind aber die ersten, die den Platz wieder verlassen. Uns zieht es weiter. Hier am Museum ist erwartungsgemäß noch kein Mensch aufgetaucht, bei dem wir unsere Übernachtungsgebühr von 100 Kronen lassen könnten. Also versuchen wir es mit der Touristeninformation, die am Ortseingang ausgeschildert war. Zurück dorthin und dem Schild gefolgt. Es verspricht, dass das Ziel nur 100 Meter entfernt ist. 

Wir fahren die Strecke ab, nichts zu finden. Nur das Lachsmuseum, das geschlossen ist. Weiter hinten die ersten Wohnhäuser, kein Hinweis, nichts. Jetzt reicht's aber. Fahren wir weiter. 

Der Dieselpreis an der Tankstelle erscheint mit 22,45 Kronen günstig, also tanken wir voll, auch wenn der Tank nur halbleer ist. Im Tankstellenshop duftet es nach frischen Backwaren und Speck mit Eiern. Verlockend. Einige Leute sitzen auch beim Frühstück.

Wir kamen von Süden und verlassen Sand in östliche Richtung, die E 13 entlang. Eine andere Möglichkeit gibt es ohnehin nicht. Die Straße verläuft entlang des kleinen Flusses namens Suldalslågen. Eine sanfte grüne Landschaft im Morgenlicht. Es herrscht wenig Verkehr auf dieser Europastraße.

Bei Suldalsosen erweitert sich der kleine Fluss fjordartig, bleibt aber ein See, der Suldalsvatnet. Spektakulär, wie er sich durch die Felsen gegraben hat. Suldalsporten heißt die Engstelle, und tatsächlich sieht sie aus wie ein großes Portal. Eine Landschaft für für ein Fantasyepos. 

Am Seeufer ist es wieder eng, es mehren sich die Straßentunnel. Bei Nesflaten verlässt die Straße den Suldalvatnet und biegt nach Norden ab. Wir bleiben am Fluss, der hier oben schon deutlich kleiner ist. Ein paar Wasserfälle, dann erreichen wir den Øvra Lonavatnet, an der Engstelle kreuzt die Straße das Wasser und verläuft am anderen Ufer weiter, bis die Straße am Røldalsvatnet angekommen ist, im Gebiet der gleichnamigen Gemeinde, die für ihre Stabkirche bekannt ist.

Doch wir biegen in Håra links auf die E 134 in Richtung Odda ab, passieren das Skigebiet von Røldal und landen auf dem Røldalsfjellet. Hier ist es noch winterlich grau, in den Hängen und auf den Höhen krallt sich der Schnee bockig fest. 

Bei Skare geht es wieder bergab, wir verlassen die E 134 und sind zurück auf der E 13 und fahren im Tal der oder des Grønsdalslona entlang. Die Straße ist mal wieder schmal und kurvenreich. Plötzlich stehen am Rand sehr viele Autos. Rechts taucht ein Kiosk auf, viele Menschen stehen am Straßenrand und schauen nach oben. 

Jetzt sehen wir es auch: ein Wasserfall. Nicht irgendeiner, sondern der berühmte Låtefossen, ein Zwilllingswasserfall, nicht sehr hoch, aber extrem schnell und wasserreich. Wir steigen natürlich auch aus, nachdem wir den Camper etwas mühsam in eine Parkbucht manövriert haben. 

Die Luft in der Nähe eines Wasserfalls ist einfach herrlich. Das Wasser liegt förmlich in der Luft, diese Form der Zerstäubung des Wassers setzt Sauerstoffatome frei, die Luft wird ionisiert, was als besonders gesundheitsförderlich gilt. Man kann es riechen.

Eine schier unglaubliche Wassermenge stürzt in zwei parallelen Fällen herab, eine Flut unaufhörlicher Bewegung, rauschend und schäumend, eine weiße Masse, übergangslos vom flüssigen in den gasförmigen Zustand wechselnd. Das Wasser läuft aus einem See namens Reinsnosvatnet, bildet den Fluss Ausstølo, der sich vor der Talkante wiederum aufstaut, zum Lotevatnet,  und das überschießende Wasser zweigeteilt herabstürzen lässt. Kurz vor dem Grønsdalslona vereinigen sich die beiden Läufe, bevor sie gemeinsam den größeren Fluss im Tal speisen.

Nach der Würdigung dieses Naturschauspiels und dem mühevollen Ausparken fahren wir weiter und erreichen bald Odda. Der Ort erweckt den Eindruck, eine größere Stadt zu sein, das liegt an den seltsam großen und hässlichen Wohn- und Geschäftshäusern im kleinen Zentrum. Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs Odda sehr schnell und wurde ein Touristenmagnet - unter anderem fuhr der deutsche Kaiser Wilhelm, ein echter Norwegenfan, dort regelmäßig hin - sowie Standort der weltgrößten Karbidfabrik, für die auch das große Tyssedalwasserkraftwerk gebaut wurde. Bis in die 1970er Jahre wurden die Schwermetallabfälle bedenkenlos in den Fjord gekippt.

In Odda fällt das Grønsdal stark ab, die Stadt liegt am südlichen Ende des Sørfjords, eines Seitenarmes des großen Hardangerfjords. Wir haben also Hardanger erreicht.  Westlich der Stadt erhebt sich mächtig und schneebedeckt der Folgefonnagletscher, links steigt die Landschaft auf das Hardangervidda an. 

Unser Besuch beginnt profan mit einem Einkauf am ersten Supermarkt im Ort, den wir passieren. Als wir einparken, fährt gerade ein Ducatocamper los. Der hat ein Wiesbadener Kennzeichen, so dass wir freundlich winken. Das junge Paar darin winkt zurück, wir kommen ins Gespräch. Die beiden waren hier auf dem Campingplatz am Sandvinvatnet, dem See oberhalb des Ortes, und berichten begeistert vom Buerbreengletscher, der nicht weit entfernt im Folgefonna-Nationalpark liegt.

Wir kaufen unsere Lebensmittel ein, sind einmal mehr enttäuscht von der Fischauswahl, die sich auf Lachsfilet und Fischfrikadellen beschränkt. Später versuchen wir, eine Bäckerei zu finden, kaufen dann aber die uns ans Herz (und den Magen) gewachsenen Zimtschnecken notgedrungen in einem anderen Supermarkt. 

Wir wollen eine Pause einlegen, denn es ist Mittag und Zeit für mein Müslifrühstück und einen frischen Kaffee. Wir fahren runter zum Fjord, dort gibt es einen größeren Wohnmobilstellplatz direkt am Ufer, auf den stellen wir uns, aber ohne das gleich fällige 24-Stunden-Ticket zu kaufen. 

Der Ausblick ist nicht ganz so romantisch wie gewohnt, Odda kann seine Vergangenheit als Industriestandort nicht verstecken. In der Nähe stehen nicht mehr genutzte Fertigungshallen, weiter entfernt vom Ort am Ufer des Fjords sieht man das Kraftwerk. Hier im Hafen liegen auch größere Frachtschiffe.

Wir wollen uns jetzt noch den Ort anschauen und parken sicherheitshalber auf einem anderen Parkplatz, um nicht ein Ticket zu provozieren. Die Ortsmitte mit ihrer Geschäftsstraße ist schnell durchlaufen, wir finden noch die Touristeninformation  und schauen nach möglichen Gletscherwanderungen. Die sehr freundliche Mitarbeiterin schlägt den Buerbreen vor, der am schnellsten und einfachsten zu erreichen ist, die Wanderung vom Parkplatz aus dauert ungefähr zwei Stunden hin und entsprechend lang wieder zurück. Also heute noch machbar. Genau unser Ding.

Der Parkplatz ist auch auf Park4Night als Übernachtungsmöglichkeit aufgeführt, die Parkgebühr von - dort angegebenen 150 NOK - müssen wir ohnehin zahlen, da ist es doch reizvoll, gleich da oben in den Bergen zu übernachten.

Zu diesem Parkplatz gelangen wir, indem wir in Odda ein Stück in südliche Richtung zurückfahren und uns vor dem See rechts halten, vorbei an dem Campingplatz die schmale Straße am Ufer entlang. Hinter einer Biegung, hier liegt ein Weiler, öffnet sich ein ansteigendes Seitental, in dem ein kleiner Fluss in den See mündet. Die Teerstraße endet auf einer Schotterpiste, die aber kein Problem für den Ducato darstellt. 

Ein paar Kilometer geht es zügig bergan, bis wir an einer Schranke ankommen, die sich in unsere Richtung, nämlich rauf aufs Parkplatzgelände, automatisch öffnet. Hier vorne sind PKW-Plätze, ein Schild verweist auf einen eigenen Wohnmobilbereich. Der legt einige hundert Meter weiter hinten in einem sich öffnenden grünen Tal, hinter mehreren Häusern, Stallungen und Schuppen. 

Hier stehen mindestens ein Dutzend Camper, wir finden einen schönen und ebenen Platz ganz links hinten, neben einem kleinen Teich und relativ nahe an dem kleinen rauschenden Fluss. Es ist ungefähr 14 Uhr, wir zögern nicht lange, wechseln in die bergfesten Wanderschuhe, packen Verpflegung und Regenkleidung in die Rucksäcke und ziehen los.

Der Weg führt den kleinen Fluss oder größeren Bach entlang, gleich hinter der von den Hochlandrindern des Bauernhofs als Weidefläche genutzten Wiese beginnt ein wilder, knorriger Wald, der Weg läuft in Schlangenlinien dort durch, permanent ansteigend. Der Boden ist uneben, wir müssen den Weg gut im Blick behalten, über Steine, Wurzeln, Löcher, Pfützen hinweg balancieren. Der Wald ist naturbelassen, schließlich sind wir in einem Naturpark, umgestürzte, tote Bäume liegen kreuz und quer, dazwischen junge Pflanzen, grüne Triebe, heller Farn, dunklere Blätter, ein schönes Bild.

Kleine Stege führen uns über wilde kleine Bäche, ein rotes "T" markiert gut sichtbar den Weg. An einer größeren Brücke staut es sich ein wenig, weil eine Gruppe mit Kindern gerade zurückkommt. Hinter der Brücke ist der Weg etwas ausgesetzt und erfordert besondere Konzentration. Danach geht es steil bergauf über große Felsbrocken.

So geht der Weg weiter. Immer wieder über Gruppen großer Felsen entlang des Tales, permanent steigend, mal sanfter, mal sehr steil. An den Steilpassagen sind dicke Hanfseile angebracht, an denen man sich hochziehen kann. Hier hilft mir unsere kleine Fortbildung beim Alpenverein, wo wir es gelernt haben, am Seil eine Steilwand rauf und runter zu klettern. 

Viele Leute kommen uns entgegen, da es schon Nachmittag ist, einige gehen in unsere Richtung und überholen uns. Die Jüngeren haben ein gutes Tempo drauf, sind beeindruckend leichtfüßig. Auch von den Entgegenkommenden springen einige wie die Gemsen von Felsen zu Felsen, obwohl ich eine gute Kondition habe und beweglich bin, das würde ich mir nicht zutrauen, da hätte ich Sorge, mir ein paar Knochen zu brechen. Aber langsam sind wir ganz und gar nicht.

Nach etlichen Kletterpassagen kommen wir in eine Schneezone. Zwischen den großen Feldern, dort wo nur wenig Sonne hingelangt, hat sich der Schnee tief eingegraben. Tückisch ist, dass man weder die Tiefe  noch die Festigkeit erkennen kann. Wir halten uns an die Fußspuren derer, die vor uns hier entlang gelaufen sind. 

Der Schnee ist rutschig, jeder Schritt strengt an. Aber das Schneefeld ist nur kurz. Dann geht es über den nächsten Felsen und wieder über ein Schneefeld. Dahinter eine hölzerne Treppe auf einen dicken Felsbrocken hinauf. Wir sind dem Gletscher schon ganz schön nahe gekommen. Er ist auch nicht zu überhören: immer wieder ertönt Donnergrollen und kurz darauf fallen Schneemassen von der Gletscherkante in die Tiefe.

Zum Glück sind wir dann doch noch weit genug entfernt. Der Weg endet auf einem hohen Plateau, eine Hinweistafel warnt davor, den Gletscher ohne autorisierten Gletscherführer zu begehen. Das haben wir ohnehin nicht vor. Wir setzen uns und essen erst einmal die Zimtschnecken. So gut wie die aus Mandal sind sie nicht, aber okay. Wir genießen die Aussicht auf den Buerbreen, dann brechen wir wieder auf und machen uns auf den Rückweg.

Der Abstieg ist in den Bergen meist schwieriger, zwar benötigt es weniger Muskelkraft und geht auch schneller als der Aufstieg, aber man muss höllisch aufpassen, nicht zu stolpern, steile Passagen sind schwerer einsehbar und jeder Schritt nach unten ist noch vorsichtiger und sorgfältiger zu gehen.

Als wir dann unten sind, ist es gerade 18 Uhr geworden, ich gehe nochmal nach vorne zum PKW-Parkplatz mit der Schranke, weil wir die Parkzeitregelung und die Bezahlmöglichkeiten bei der Einfahrt nicht checken konnten. Die Bezahlung erfolgt am Automaten an der Ausfahrtschranke. Es kostet tatsächlich 185 NOK (18,50 Euro), das Ticket gilt 24 Stunden. 

Wir hatten in Odda wieder Lachs und die Fiskebollen gekauft, jetzt ist erst mal kochen angesagt. Auf dem Parkplatz ist immer wieder mal Bewegung, neben uns steht jetzt ein anderes Wohnmobil als zu Beginn. Es ist ein älterer Ducatokastenwagen, das junge Paar ist uns unterwegs begegnet. Daneben ein oranger Ducato aus Österreich. 

Etwas weiter unten steht ein weißer Westfalia Columbus mit geöffnetem Aufstelldach. Hinten drauf die Aufschrift cumulumbus.de. Cumulumbus? Aber das sind ja Sonja und Matthias, die Stifter unseres Blumentopfes! 

So ein Zufall. Wir gehen hin, sie sind es, wir müssen alle herzlich lachen und sind gleich ins Gespräch vertieft. Sie sind erst angekommen, sonst hätten wir den Camper ja schon vorher wahrgenommen, und wollen morgen früh zum Gletscher hoch wandern, zusammen mit ihrem kleinen Sohn, für den sie einen überdachten Tragerucksack dabei haben. Sie sind in gemeinsamer Elternzeit und in diesem Rahmen insgesamt sechs Wochen hier in Skandinavien.

Immer wieder interessant, die unterschiedlichen Aufbaukonzepte der Camper zu vergleichen. Das Hochdach des Columbus' macht das Innere im Vergleich zu unserem Karmann mit zwei Hekis und einem Skyroof im Dach releativ dunkel, auch ist der 540er bekanntlich 60 Zentimeter kürzer als unser 600er. Der Kühlschranks sitzt hier vorne am Küchenblock, während unserer als Raumteiler vor dem Bett fungiert. Faszinierend das von Sonja und Matthias nachgerüstete Verstausystem im Heckstauraum, bestehend aus Euroboxen und einem Rahmen aus Aluprofilen, die das Herausziehen der Boxen erlauben. Beschrieben ist es auf ihrer Website cumulumbus.de.

Irgendwann ist es zu kalt für den Plausch an der Luft geworden, der Sohnemann benötigt auch elterliche Zuwendung, so beenden wir es für heute. Wir ziehen uns in Camperkalli zurück und machen es uns gemütlich, bis es Zeit fürs Bett wird, um Kraft zu sammeln für den neuen, spannenden Tag in Norwegen.


Das Video zu dieser Episode - auf Yotube - und hier:




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