Ålesund, Åndalsnes und der Trollveggen

Nach drei Nächten und zwei Tagen auf der Vogelinsel Runde fahren wir nach Pfingsten weiter nach Ålesund, Åndalsnes und ins Romsdal, an den Fuss des Trollveggen.

Pfingsten ist vorbei, nach zwei schönen Tagen auf der Insel Runde brechen wir am Morgen auf. Unser nächstes Ziel ist die Stadt Ålesund. Sie ist nicht wirklich weit entfernt, Luftlinie sind es vielleicht 30 Kilometer, aber die Landschaftsformation sorgt in Norwegen regelmäßig für ordentliche Umwege. 

Das Video zu dieser Episode findet ihr wie immer auf Youtube oder am Ende des Beitrags eingebettet.

Wir haben die Wahl zwischen der Route durch den Eiksundtunnel und der anschließenden E 39 entlang der Küste, mit einer Fährverbindung von Festøya nach Solavågen. Die Strecke ist 115 Kilometer lang und mit 2 Stunden 20 Minuten kalkuliert. Alternativ über Ulsteinvik und die Insel Hareidlandet mit einer Fähre von Hareid nach Sulesund. Das sind nur 80 Kilometer, soll aber eine Viertelstunde länger dauern.

Da fällt die Entscheidung leicht, wer wird denn 35 Kilometer Umweg in Kauf nehmen, bei den Spritpreisen? Die Verzweigung ist ohnehin erst nach 30 Kilometern gemeinsamer Strecke erreicht. Bis dahin zieht es sich Kurve um Kurve, Brücke über Brücke - aber nur durch einen Tunnel! 

Das Navi sorgt erst einmal für Verwirrung und leitet uns falsch auf das Gelände einer Schule. Der niederländische Landrover, der seit dem Campingplatz hinter uns ist,  folgt uns brav in die Sackgasse und auch wieder raus.

In Haddal halten wir uns also links Richtung Ulsteinvik, lassen diese größere Stadt links liegen und folgen der gut ausgebauten Straße nach Osten. Schneller als erwartet ist dann der Fährhafen von Hareid erreicht. Eine Fähre liegt mit geöffneter Ladeklappe im Hafen. Davor ein riesiges Gelände, statt einer Einfahrt gibt es gleich fünf markierte und mit Ampeln ausgestattete Fahrspuren. Eine Fahrspur hat grün, die nehmen wir.

Wir können direkt auf die große Fähre fahren, es stehen bereits etliche Fahrzeuge darauf, aber sie hat noch endlos Platz. Der Landrover und noch zwei, drei andere Autos erreichen die Fähre nach uns, dann geht die Schranke am Kai runter, die Ladeklappe ebenfalls. Los geht's. 

Laut Karte legt die Fähre eine Entfernung von knapp acht Kilometern zurück. Sie hat ein ordentliches Tempo drauf, auf halber Strecke kommt eine zweite Fähre entgegen, die die Strecke in entgegengesetzte Richtung fährt. Auch diese Fähre verfügt über ein großes Bordrestaurant. Das ist für die Autopendler nach Ålesund bestimmt eine tolle Sache, die Zeit für einen Kaffee nutzen zu können.

Nicht weit hinter der Fähre beginnt der Großraum Ålesund. In einem unwegsamen Land mit nur wenigen Zentren konzentrieren sich viele Aktivitäten um die Städte, so auch hier. Kilometerlang geht es durch Gewerbezonen, bis wir schließlich auf die sehr schmale Halbinsel fahren und die Stadt erreichen. 

Das erste, was ins Auge sticht, sind zwei riesige Kreuzfahrtschiffe im Hafen, die sämtliche Häuser weit überragen (mit Ausnahme des extrem hässlichen Rathauses). Das Schiff der Hurtigruten, das als drittes daneben liegt, wirkt im Vergleich wie ein Spielzeug. 

Wir erreichen die Innenstadt auf der Insel Aspøy von Südosten her, die Straße verläuft am Ufer der Aspevågen genannten Bucht. Der Wohnmobilstellplatz, den wir im Auge haben, der Hjelsetgården Bobilparkering, liegt am nördichen Ende der Halbinsel. Auch wenn die Innenstadt von Ålesund überschaubar ist und nur wenige Straßen aufweist, ist es nicht so einfach, den Weg zu finden, denn es ist verwinkelt und eng. 

Hinter einer schmalen Einfahrt zwischen zwei hohen Gebäuden öffnet sich ein langer Kai. Dort stehen bereits viele Camper. Der Platz ist riesig, da es noch Vormittag ist, haben wir genügend Alternativen zur Auswahl und stellen uns in die erste Reihe, mit der Front ans Wasser des Valderhaugfjords.  Die Plätze sind markiert, links und rechts vom Auto ist noch jede Menge Platz übrig. Zum Meer hin ist der Platz mit einem breiten, zirka einem Meter hohen Steinwall geschützt, ideal, um dort drauf zu sitzen und aufs Meer zu schauen, was wir auch reichlich und ständig tun.

Die Zufahrt liegt am westlichen Kaiende. Eine weitere, aber schmale Rampe am Ostende ist für Fahrzeuge gesperrt. Das Gebäude hier entpuppt sich als geräumiges Waschhaus mit WC und Duschen. Alles in sehr gutem Zustand. Hier können wir auch am Automaten unser Ticket ziehen, wie immer in Norwegen ist die Bezahlung mit Kreditkarte eine einfache Übung.

Bis zu den Geschäftsstraßen der Innenstadt ist es nur ein Katzensprung. Sofort fällt die vorherrschende Jugendstilarchitektur ins Auge. Im Jahr 1904 hat es einen verheerenden Brand gegeben, der die Innenstadt fast vollständig zerstört hat. Der anschließende Wiederaufbau, bei dem sich übrigens auch der Norwegenfan und damalige deutsche Kaiser Wilhelm II stark engagierte, sorgte für ein einheitliches Stadtbild im Jugendstil. Das sieht sehr schön aus und lässt den schrecklichen Kontext seiner Geschichte leicht ausblenden.

Die üblichen großen Läden mit Wolltextilien und den üblichen nützlichen und nutzlosen Souvenirs, Outdoorgeschäfte, Cafés, Restaurants. Die Sonne scheint, die Menschen sind entspannt. Man merkt sofort, dass die Kreuzfahrtschiffe im Hafen liegen. Auffallend viele Leute tragen die gleichen roten Regenjacken ihres Veranstalters. Wahrscheinlich, damit sie nicht verloren gehen, wenn sie durch die Stadt irren. 

Wir gehen über die Kongens gate, die Königsstraße, und gelangen von dort auf den St. Olavs Plass. Dieser Teil der Stadt gehört zur Insel Nørvøya, was man nicht merkt, wenn man es nicht weiß. Charakteristisch ist der im Osten des Zentrums liegende Berg Aksla, auf dessen Höhe eine Treppe mit 400 Stufen führt. Von dort wird es eine tolle Aussicht geben, wir nehmen uns den Berg für später vor und wollen zunächst weiter in die Innenstadt. 

Das Hafenbecken, auf das wir jetzt zugehen, ist also der die beiden Inseln trennende Meeresarn. Hier liegen Boote und Jachten an, es sieht beschaulich aus. Am gegenüberliegenden Ufer leuchten farbenfrohe Altbaufassaden. Als drastischer Kontrast dazu steht auf unserer Seite ein großer moderner Gebäudekomplex, das schon erwähnte hohe Rathaus, ein Parkhaus, eine Shoppingmall, ein weiteres Verwaltungsgebäude. Dazwischen schlängelt sich im kalten Schatten die Straße durch. 

Ein unscheinbarer Laden, hässlich dekoriertes Schaufenster. Auf dem Gehweg locken Angebote: Norwegerpullover und andere Kleidungsstücke. Ingrid geht hinein, ich laufe ein Stück weiter und schaue mir den lebhaften Verkehr an. Als es dann doch länger dauert, drehe ich um und gehe auch in den Laden hinein. 

Er ist recht klein und vollgestopft: Schuhe, Hosen und Jacken, Souvenirs, an der rechten Seite Regale mit bunten Pullovern. Niedrige Preise. Viele Pullover im Angebot. Sind die denn gut? Stimmt die Qualität? Ingrid probiert verschiedene an. Ich werde neugierig und schaue, was in meiner Größe vorrätig ist. 

Die Pullover fühlen sich sehr gut und hochwertig an. Der Verkäufer sagt, es handele sich um Modelle aus der letzten Saison, die er als Restbestand aufgekauft habe. Deshalb könne er sie so günstig weitergeben. Das ist verlockend. Wir erliegen beide der Verlockung, suchen und finden jeweils ein sehr schönes Stück und verlassen mit großen Tüten das Geschäft. 

Wir erreichen wieder das Wasser, hier an der Brücke zwischen den beiden Inseln. Wir gehen auf die andere Seite und durch die Straßen der  jungen Altstadt. Es hat schon ein wenig Ähnlichkeit mit einen Straßenzügen in Hamburg, aber auch mit Wiesbaden. Nur ein wenig. 

Am Molenweg stehen wir wieder am Wasser. Links ein sehr modernes Gebäude, eine Art Schule. Ein Stück dahinter biegt ein Weg auf eine langgestreckte Kaimauer, an deren Ende ein runder roter Leuchtturm steht, der Molja Fyr. Von hier aus überblicken wir das nördliche Hafengebiet und die Innenstadt um den Hafen herum. 

Zurück zur Brücke laufen wir durch die moderne Shoppingmall gegenüber, trinken einen Kaffee und essen einen belegten Croissant in der Pikekyss bakeri und kaufen weiter hinten in der Mall Zimtschnecken für später. Durch die Tür an der Rückseite gelangen wir schnell an den südlichen Hafen zu den Kreuzfahrtschiffen. Wir sehen gerade den riesigen TUI-Kreuzer ausfahren. Auch wenn ich die Dinger sehr hässlich finde und mit Sicherheit keine Reise damit machen möchte - es sieht beeindruckend aus. 

Das Schiff der Hurtigruten und der zweite Kreuzfahrer liegen noch am Kai. Wir gehen bis zu dessen Ende und dann über eine kleine Brücke wieder auf die Insel Aspøy. Obwohl die Insel sehr flach ist, wirken die etwas über 50 Meter, die sie an der Nordseite erhöht ist, beeindruckend. Die Straßen steigen auf ihrer Länge von vielleicht 500 Metern dadurch ordentlich an, sie wirken urban. Am oberen Ende der Straße, die wir entlangehen, befindet sich eine große Schule. 

An der Parallelstraße, die wir wieder runter gehen, liegt die evangelisch-lutherische Ālesund Kirke, auch ein Gebäude, das im Rahmen des Wiederaufbaus entstanden ist. Die Kirche ist für alle geöffnet - steht am Eingang. Jedoch nur nach Bezahlung eines Eintrittspreises. Ein unschöner Widerspruch. 

Wir gehen zurück. Im Außenbereich des schön zum Hafen gelegenen Lokals gleich hinter der Hellebrua hätten wir gerne etwas getrunken. Jedoch sollen wir hier via App unser Getränk bestellen, und der Kaffee, den wir gerne wählen würden, steht nicht auf der Liste. Die junge Frau, die hier Gläser und Geschirr vom Nebentisch abträgt, zeigt kein Interesse. Dann gehen wir halt weiter. 

In der Shoppingmall haben wir eine Filiale des Vinmonopolet gesehen. Den schauen wir uns einmal von innen an. Die Preise sind hoch, aber längst nicht so drastisch wie erwartet. Wir finden einen Dreiliterschlauch mit südafrikanischem Rotwein, den wir mitnehmen. 

Jetzt erst einmal zurück zu Camperkalli. Die Einkäufe wollen verstaut werden. In der Sonne und mit Blick auf das Meer gibt es einen Kaffee und die Zimtschnecken.  Danach gehen wir gleich wieder los. Dieses Mal wollen wir auf den Aksla. Der Zuweg führt durch einen hübschen kleinen Park. Der Weg hinauf ist steil, mehr als 400 ausgewiesene Stufen, eine kleine Aussichtsplattform auf halber Höhe. 

Von oben überblicken wir die Stadt unter uns, sehen den Sukkertoppen, den Zuckerhut auf der übernächsten, ebenfalls zu Ålesund gehörenden Insel Hessa und das viele Wasser runderhum. Nördlich der Stadt liegt eine kleine Inselgruppe, die über ein System von Straßentunneln mit Ålesund verbunden sind. 

Der dreieinhalb Kilometer lange Ellingsøytunnel von Nørvøya, wo wir gerade sind, nach Ellingsøya verläuft bis zu 140 Meter unter dem Meeresspiegel. Nach Valderøya, wo sich der Flughafen befindet, geht es weiter durch der Valderøtunnel, der ähnlich tief und 4,2 Kilometer lang ist.

Als Verbindung zur nächsten Insel Giske wurde eine Brücke gebaut, die natürlich Giskebrücke heißt. Von Giske zur Nachbarinsel Godøya geht es wieder unterirdirsch durch den Godøytunnel, 3.800 Meter lang und 150 Meter tief. Norwegen scheut keinen Aufwand, um das Leben auf den Inseln auch in heutiger Zeit zu ermöglichen.

Von unserem Aussichtspunkt erstreckt sich in östlicher Richtung ein Waldgebiet, durch das man wandern kann. Irgendwo unterhalb verläuft dann der erste der Tunnel nach Norden. Wir gehen denselben Weg zurück in die Stadt unter uns, laufen durch die Straßen des Viertels und landen irgendwann wieder beim Hafen.

Die Frage des Abendessens klären wir ganz pragmatisch. Es ist noch früh und die Sonne scheint noch, wir wollen gerne draußen essen. Das Restaurant in der Shoppingmall, dem Kremmergaarden, liegt zu dicht und damit zu laut an der gut befahrenen Straße. Also gehen wir wieder Richtung Brücke. Dort haben wir einen Imbiss mit Tischen gesehen, der bietet unter anderem Fish and Chips an. 

Ich bin skeptisch, aber das Essen ist nicht nur günstig, sondern wider Erwarten gut: der Fisch schmeckt in seiner Panade fangfrisch und saftig, die Fritten nach Kartoffeln und keineswegs nach altem Fritierfett. Eine gute Wahl.

Danach ziehen wir am Wasser entlang weiter, auf der Nørvøya-Seite am Ufer stehen zunehmend moderne Gebäude. Am Hurtigbåtkai ist die Anlegestelle der großen Katamarane, die als Personenfähren zu den nördlichen Inseln eingesetzt werden. 

Unser Stellplatz am Meer liegt jetzt in der Abendsonne, die sich im Westen der Wasseroberfläche nähert und das Wasser vom Blau des Tages über ein helles Gelb des späten Nachmittag in ein kräftiges Abendrot färbt. Trotz des Sonnenscheins ist es kalt, da wir so lange wie möglich an der Luft bleiben wollen, kommen die neuen Norwegerpullover zum Einsatz. Die sind nicht zu dick für das Klima. 

Aber natürlich zieht es uns später ins Camperinnere, die großen Frontscheiben schränken den Ausblick nicht ein. Die Sonne geht einfach nicht unter, wir können uns nicht sattsehen an der Abendstimmung über dem Meer.

Der nächste Morgen startet wieder freundlich. Wir nutzen die Gelegenheit und duschen im Sanitärgebäude, das wirklich eine Empfehlung wert ist. Heute wollen wir weiter Richtung Åndalsnes, aber vorher klettern wir auf den Zuckerhut.  Dazu queren wir die Stadt und fahren auf die Insel Hessa. Die schmiegt sich sichelförmig um den Aspevågen, so dass wir wieder ein Stück nach Osten fahren. 

Im Wanderführer ist ein Parkplatz vor einer Schule angegeben. Den gibt es zwar, aber das Parken ist hier nur mit einem Parkausweis gestattet. Ringsum keine andere Parkmöglichkeit, also fahren wir wieder ein Stück zurück und parken neben der Straße auf einem großen Schotterplatz. Der Weg ist dadurch zwar länger geworden und verläuft das erste Stück neben der Straße, aber was soll's. 

Gegenüber der Schule, wo wir eigentlich parken wollten, biegt ein Fußweg nach oben ins Gelände ab. Hinter der Häuserreihe beginnt gleich der Wald. Der Weg steigt stetig an, immer parallel zum südlichen Meeresarm und zur Häuserzeile. Es muss schön sein, hier zu wohnen. Der Sukkertoppen ist ausgeschildert, nach einer guten Stunde durch den abwechslungsreichen Wald, über Felsen und um Büsche und Sträucher herum, sind wir oben. 

Es sind nicht viele Menschen unterwegs, diejenigen, denen wir begegnen, schauen woanders hin. An der Spitze des Sukkertoppen ist gerade eine Grundschulklasse zugange, es geht laut und lebhaft zu. Der Blick von hier oben reicht im Westen mindestens bis Runde, ich meine die Insel im Dunst zu erkennen. Im Osten leuchten die Berggipfel der Region.

Unterhalb des Berges verbleibt nur ein schmaler Landstreifen bis zum Wasser. Aufgrund der Zugehörigkeit der Insel zur Stadt Ålesund ist er aber dicht mit Häusern bebaut. Den Heissafjord müssen die Schiffe nach Ålesund und östlich davon nehmen. Südlich des Fjordes steigt die nächste Insel Sula steil aus dem Wasser.

Im Hafen von Ålesund liegen heute morgen wieder zwei sehr große Kreuzfahrtschiffe, sogar aus der Ferne wirken sie gigantisch vor der Kulisse der Stadt. Gut zu erkennen sind auch die Insel Hareidlandet im Südwesten, über die wir auf dem Weg von Runde gefahren sind. Und ganz nah im Westen liegt Godøya, die hinterste im Netz des Tunnel- und Brückenrings der City.

Wir gehen wieder runter und erreichen nach einer guten Stunde das Auto. Die halbe Runde um Hessa, dann mitten durch die Innenstadt, durch die großen Gewerbebezirke und irgendwann lassen wir Ålesund endgültig hinter uns. Wir bleiben auf der E 39 Richtung Osten.

In Sjøholt nutze ich den relativ niedrigen Preis der Tankstelle und fülle Diesel nach. Ein Weg führt an das nahegelegene Ufer. Wir fahren schnell rüber und halten eine kleine Brotzzeit am Fjord. Wir sind nicht alleine. Ein niederländischer Pickup mit Wohnaufbau und ein weiterer Kastenwagen stehen dort bereits. Zwei weitere Camper kommen dazu. 

Ich sehe, dass der Kastenwagen ein Kennzeichen aus Wiesbaden hat. Es ist aber niemand am Auto zu sehen. So bleibt der Gruß aus. Die Straße entfernt sich jetzt vom Fjord und steigt aufs Fjell auf. Im Måslia-Gebiet landen wir in einer Straßenbaustelle, hier wird verbreitert und begradigt.

Als es wieder lange genug bergab gegangen ist, erreichen wir den Tresfjord, an dem entlang die Straße über einige Kilometer parallel verläuft. Dann biegen wir nach rechts ab und queren den Fjord über die Tresfjordbrua. Die erst 2015 eingeweihte Brücke verkürzt die Strecke um 13 Kilometer.

Jetzt haben wir den Romsdalfjord erreicht, die Straße bleibt bis Åndalsnes mehr oder weniger in Ufernähe. In Åndalsnes biegt die E 136 nach Südosten ins Romsdal ab und führt vorbei an Dombås und Lillehammer Richtung Oslo. Die Regionalstraße 64 führt weiter um den Romsdalfjord herum und biegt dann nach Norden ab. Über sie kommt man nach Molde und weiter in den Norden Richtung Kristiansund und Trondheim.

Ein paar Kilometer südlich von Åndalsnes zweigt die Regionalstraße 63 von der E 136 ab und klettert das Tal hinauf zum Trollstigen. Das ist unser Ziel für morgen. Denn morgen soll der Trollstigen-Pass wieder für den Verkehr freigegeben werden.

Wir fahren zunächst nach Åndalsnes hinein, dazu müssen wir erst durch ein Gewerbegebiet links und rechts der Rauma, und über ein paar Kreisverkehre. In der Nähe des Fjordufers ist ein ausreichend großer Parkplatz. Am Ufer steht ein hohes und nach oben zulaufendes Gebäude, ohne Fenster in den oberen Stockwerken. Es ist das Norske Tindesenter, das norwegische Bergsteigerzentrum. Im Erdgeschoss ein Café-Restaurant, ein Outdoorladen, Tagungsräume, Büros. Oben in dem kaminartigen Aufbau befindet sich Norwegens höchste Indoor-Kletterwand.

Nebenan die Talstation einer Seilbahn, die Romsdalen Gondola. Sie führt auf den Romsdalseggen, den hohen Grad zwischen Fjord und Romsdal. Hier zeigt sich erneut ein Nachteil unserer Reiseform. Unser enger Zeitplan lässt wenig Raum für Improvisation, die Zeit für eine Wanderung wollen und können wir uns nicht nehmen. Auch der Romsdalseggen ist ein Anker, der das Wiederkommen dringend nötig macht.

Wir schauen uns statt dessen die Innenstadt an. Åndalsnes wurde im zweiten Weltkrieg zerstört. Deutschlands Größenwahn hat auch hier irreparable Schäden hinterlassen. Entsprechend sachlich sieht die wiederaufgebaute Innenstadt aus. Auf der Terrasse des Bergsteigerzentrums, mit Blick auf den Fjord, trinken wir einen Kaffee. Der Nachmittag ist bereits fortgeschritten, wir überlegen, wo wir übernachten wollen.

In Åndalsnes wollen wir nicht bleiben. Stattdessen fahren wir ins Romsdal hinein, zum Trollveggen Besøkssenter, das ist knapp 12 Kilometer südlich von hier. 

Wir erreichen das Besucherzentrum noch rechtzeitig vor  der Schließung, die wie so oft in Norwegen sehr früh erfolgt, nämlich um 17 Uhr. Auch hier neben dem Schnellrestaurant ein Souvenirladen mit den üblichen Produkten. Vor dem Zentrum ist eine überlegensgroße Trollfigur aufgebaut, denn wir befinden uns direkt unterhalb der Trollwand, dem Trollveggen. Allerdings die Rückseite, nicht die Steilwand, die mit ihren 1.700 Metern als Europas höchste gilt. Die ist auf der anderen Seite, im Tal des Trollstigen.

Die Wolken hängen dicht und tief über dem Tal, so dass wir nicht viel sehen von den engen und hohen Bergen um uns herum. Auch ohne den weiten Blick sieht es phantastisch aus. Das Zentrum liegt auch noch an einer besonders engen Stelle im Tal, in der neben der Straße, dem Zentrum mit Parkplatz, der Eisenbahnlinie und dem Fluss kaum noch Platz ist. 

Der Parkplatz dient nicht nur dem Besucherzentrum, sondern ist ein regulärer Autoparkplatz am Rand der Europastraße, der auch von Truckern frequentiert wird. Die Lastzüge in Skandinavien sind von anderem Kaliber als die in Deutschland. Gerne sieben oder acht Achsen, Sattelzüge mit Doppelgelenken und zwei Aufliegern. Statt der 40 Tonnen und 18 Metern Länge bei uns sind hier 60 Tonnen und 25 Meter möglich. Hier auf dem Parkplatz beim Ein- und ausrangieren kann man sehen, wie wendig die großen Fahrzeuge sind.

Wir finden einen ruhigen Platz in einer Ecke des Parkplatzes und haben sogar eine Bank mit Tisch zur Verfügung. Außer uns stehen noch eine Reihe anderer Wohnmobile und Wohnwagengespanne herum, es scheint ein beliebter Übernachtungsplatz zu sein.

Gleich nebenan befindet sich die Trollveggen Bahnstation. Das Gebäude wird als Selbstversorgerhaus angeboten. Auf der Rückseite sind kostenlose öffentliche Toiletten. Weitere Toiletten sind in einem kleinen Gebäude auf dem Parkplatz sowie im Besucherzentrum. Norwegen ist hier wirklich vorbildlich. Und der Service ist so, wie er sein sollte, kostenlos.

Neben dem Bahnhofsgebäude steht ein alter Güterwaggon. Hinter der offenen Seitentür und einer Wand aus Glas ist eine kleine Ausstellung aufgebaut. Sie erinnert an eine wichtige Episode im Freiheitskampf der Norweger gegen die deutsche Besatzung, den Gulltransporten - den Goldtransport. 

Wie in den Ländern, die die Deutschen im zweiten Weltkrieg widerrechtlich besetzten, üblich, wollten sie auch in Norwegen die nationalen Goldreserven stehlen. Den Norwegern gelang es jedoch, das Gold vor den Nazis in Sicherheit zu bringen. Knapp vor den Eroberern wurde es in Lastwagen auf dem Landweg von Olso über Lillehammer nach Åndalsnes und Molde transportiert und von dort aus per Schiff nach Großbritannien gebracht. Der Transport kam also genau an dieser Stelle vor 82 Jahren vorbei. 

Wir beenden den Tag mit einem Abendessen aus der Bordküche, es gibt ein Rote-Linsen-Dal mit Brokkoli, dazu Reis. Wie immer sitzen wir möglichst lange draußen im Freien, bis uns dann die zunehmende nordische Kälte in den gemütlichen Camper treibt. Die Nacht auf dem Parkplatz verläuft ruhig und friedlich. Das Abenteuer Trollstigen erwartet uns am nächsten Morgen.



Das Video zur Episode auf Youtube und gleich hier:


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