Bergen im Regen, Stahlhelm in Stalheim, Kreuzfahrer im Fjord

Teil 6 unserer Saga führt uns ins verregnete Bergen, wo wir Trost bei Zimtschnecken und Walsteak finden.  Später schauen wir vom legendären Stalheim-Hotel runter ins Lærøydal, bevor wir in Flåm über die hiesigen Bahnpreise staunen. 

Es hat sich eingeregnet. Zwar gibt es zwischendurch immer wieder Momente, in denen es aufhört, aber nur, um danach von neuem zu beginnen. Das Geräusch des Regens hat etwas Beruhigendes, besonders, wenn man entspannt im Wohnmobil schläft. Wir beginnen den Tag auf dem Parkplatz direkt am Fjord, hier in Bjørkheim, ausgeruht und aufgeräumt. Wir haben keine besondere Eile, der Weg nach Bergen ist nicht mehr weit.

Wie immer haben wir auch zu diesem Abenteuer ein Video produziert, das ihr auf Youtube oder am Ende dieses Beitrags anschauen könnt.

Als wir losfahren, ist die Hälfte der Fahrzeuge noch am Platz. Niemand scheint es eilig zu haben. Wir fahren durch diese schöne grüne Landschaft, die durch den Regen noch saftiger aussieht. Je näher wir Bergen kommen, desto lebhafter wird der Verkehr, auch haben es die Leute hier offenbar eiliger als auf dem Land. 

 

Bis vor einem der vielen Tunnel der Verkehr zum Stillstand kommt. Es dauert und dauert, einige in der Schlange wenden und fahren zurück. Wir warten. Irgendwann geht es dann weiter, es ist nur eine Baustelle im Tunnel für die, mit der Praxis sind wir langsam vertraut, der Verkehr immer wieder mal gestoppt wird. Aber wir kommen jetzt durch.

Vor Bergen wird die Straße zur vierspurigen Schnellstraße. Trotz des Tempolimits wird hier schärfer gefahren. Kommt an einer Auffahrt eine Einfädelspur hinzu, gibt es nicht etwa einen Beschleunigungsstreifen mit eindeutiger visueller und beschilderter Vorfahrtssregelung, die Einbiegespur hört einfach auf und verschmiltzt mit der rechten Fahrspur. Das führt immer wieder zu merkwürdigen Situationen. Der auffahrende Verkehr fährt einfach, egal, ob auf der rechten Spur ein Auto fährt.

So auch in Bergen. Ich fahre mit dem - nicht gerade leicht zu übersehenden großen und roten Ducato - auf der rechten Spur, die linke Spur ist gut belegt, von rechts kommt eine Fahrerin im PKW und fährt stur weiter, ohne nach links zu schauen. Erst durch mein Hupen schreckt sie auf und bremst scharf ab, um uns nicht in die Seite zu fahren.

Wir fahren mitten rein in die Stadt und wollen am Hafen parken, dort haben wir einen kostenpflichtigen Parkplatz recherchiert. Das Auto muss irgendwo sicher abgestellt werden. Da nehmen wir die - überschaubaren - Kosten gerne in Kauf. Vorbei an den Häusern von Bryggen und am Fischmarkt schlängen wir uns Richtung Hafen, der kleine Parkplatz ist schnell gefunden, das Auto abgestellt, die Parkapp aktiviert und das Ergebnis vorsichtshalber mit dem Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung gegengecheckt, denn der kontrolliert hier gerade und hat uns als bezahlt im System. Kann nichts mehr schiefgehen.

Wir laufen durch wenig schöne Straßen Richtung Hafen und sind schnell an einem großen und offensichtlich recht neuen Gebäude am südwestlichen Kai des Hafenbeckens. Im vorderen Bereich sind Verkaufsstände und Restaurants, offenbar der höherpreisige Teil des Fischmarktes. Der eigentlich Fischmarkt, die offenen Verkaufsstände, liegen ein Stück weiter am Torget. Hier riecht es auch ordentlich nach Fisch, die Auslagen sind gut gefüllt mit viel bekanntem und unbekanntem Getier. Einige Stände haben auf der Rückseite offene Restaurants, in denen man gleich den frischen Fisch und frische Krustentiere essen kann. Darauf kommen wir später zurück.

Jetzt erst mal Augen und Nase auf, damit uns nichts entgeht. An einem Stand kaufen wir keinen Fisch, sondern die norwegentypische Marmelade aus der Frucht, die es nur hier oben geben soll:  Über den Preis schweigen wir. Dem Torget schließt sich ums Eck der Bryggen, das ehemalige Hanseviertel, dessen bunte große Holzhäuser eines der Erkennungsmerkmale der Stadt Bergen sind.

Die dicht nebeneinander stehen hohen Giebelhäuser reichen tiefer in die Stadt hinein, als es von der Frontseite den Anschein hat. Zwischen den Häusern verlaufen enge Gässchen. Im Erdgeschoss befinden sich Souvenirläden, deren Regale mit den schweren nach Schafswolle riechenden Norwegerpullovern vollgestopft sind, möge ja kein Tourist ohne einen dieser Pullover die Stadt verlassen (wir blieben standhaft und  haben erst in Ålesund nachgegeben). Daneben aber auch die unvermeidlichen Motivmagnete, Schlüsselanhänger und vor allem Trollfiguren. 

Das erste Haus erinnert an das bekannteste Geschäft Rothenburgs ob der Tauber, das Julehuset ist natürlich auch auf Weihnachtsartikel spezialisiert. Hier in den Läden herrscht schon ein ordentliches Gewimmel, amerikanisches Englisch majorisiert heute morgen eindeutig den Sprachwirrwarr. 

Die Kreuzfahrtgiganten haben wir im Hafen liegen sehen, sie haben ihre menschliche Ladung schon früh gelöscht und auf die Stadt losgelassen, auf dass sie in diesen Läden Umsatz generieren mögen. Sie tun es mit dem überbordenden Selbstbewusstsein, das den US-Amerikanern angeboren zu sein scheint.

 

Schön ist es, durch die schmalen Gassen zwischen den Häusern hindurch zu gehen. Die Böden sind mit Holzplanken belegt, die Wände sind aus Holz, mal weiß, mal rot, mal dunkelbraun, immer in kräftigen Farben. Die Durchgänge sind eng und lang, die Wände hoch, nur wenig Himmel schimmert durch. Die  oberen Stockwerken sind oft durch Galerien erschlossen, auf die hölzerne Treppen hinaufführen. Andere weisen auch oben Tore und große Seilzüge auf, die über Handeslware in den oberen Etagen eingelagert wurde. Heute scheinen hier oben vorzugsweise Büros zu sein. 

Die Häuser sind übrigens nicht so alt, wie es den Anschein haben könnte. Gegründet wurde die Hansebrücke bereites Mitte des 14. Jahrhunderts. Städte, deren Häuser aus Holz errichtet worden waren, wurden häufig von Feuern heimgesucht, so auch Bergen. Anfang des 18. Jahrhunderts brannte es also, die Häuser der Brygge wurden anschließend neu errichtet. Ein weiterer Brand fand in den 1950er Jahren statt. Nachdem die Deutschen sich in der Nazizeit hier in Norwegen so mies wie überall aufgeführt hatten, war das Interesse an diesem Kulturdenkmal gering, der verbliebene Rest drohte abgerissen zu werden. Statt dessen kam es doch noch zu einer Rekonstruktion, durch die wir heute laufen können.

Im hinteren Teil ist es weitläufiger, quer zu den Holzhäusern stehen einige Steinbauten, sie wurden dem Vernehmen nach zu Versammlungen genutzt, da sie beheizt werden durften, die Holzhäuser dagegen nicht. Hier hinten sehen wir auch verlockende Restaurants, glücklicher Weise ist es dazu noch zu früh. Also weiter. 

Wir gehen in östliche Richtung in die Stadt hinein, über die Kong Oskar gate, die König Oskar-Straße, benannt nach Oskar Bernadotte, König von Schweden und Norwegen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Es regnet jetzt stärker, so dass es kein reines Vergnügen ist, die Stadt zu durchlaufen. So flüchten wir bei nächster Gelegenheit in ein Café, es handelt sich um eine Filiale der norwegischen Godt Brod-Kette. Wir bestellen Cappuccino, der wirklich ganz hervorragend ist, sowie die unvermeidlichen Zimtschnecken. 

Ich brauche aber noch was Deftigeres vor dem Süßen und entdecke etwas, was wie eine Art Vollkornbrötchen aussieht. Es handelt sich um Vollkornscones, auch sie eine geschmackliche Überraschung mit Nüssen und Rosinen im Teig. Der Spaß ist nicht billig, die Kanelboller kosten meist um die 40 Kronen, aber zusammen mit einem ordentlichen Kaffee ist das eine Wohltat.

Wir kommen in ein Altstadtviertel mit kleinen weißen Holzhäusern in engen Gassen, in denen kein Auto den Platz beanspruchen kann. Es ist dadurch sehr ruhig hier, auch wenn viele Fußgänger und Radfahrende unterwegs sind. Grüne Sträucher und blühende Bäume verstärken die Atmosphäre. 

Dann geraten wir wieder mehr in die belebteren Ecken der Stadt, dort, wo viele Autos fahren, die Straßen breiter und die Häuser wieder höher werden. Wir erreichen eine breite autofreie Straße, die Torgalmenningen, die Verlängerung des Torget, der Marktstraße am Hafen. Mit Hilfe von Wikipedia kann ich den Namen entschlüsseln: auch hier steckt Torgal, der Markt, drin, gefolgt von Allmenningen, ein Begriff, der Brandschneise bedeutet, denn die Straße wurde nach einem Stadtbrand Ende des 16. Jahrhunderts angelegt.

Hier finden wir die Filialen der Ketten, die weltweit das Bild der Städte majorisieren, untergebracht in Bauten, die ähnlich gesichtslos sind. Mitten drin das quadratische Seemannsdenkmal mit vielen martialischen Figuren und Reliefen zu Themen der norwegischen Seefahrt rundherum - wie die Entdeckung des amerikanischen Kontinents durch Wikinger oder etwa den Walfang.

Bergen ist Universitätsstadt, das ist ein Garant für außergewöhnliche kulturelle Aktivitäten. Gerade findet eine Art Festival statt. Auf dem Platz ist eine Bühne aufgebaut, davor Stühle für Besucher. Es sitzen auch viele Leute auf den Stühlen, eingehüllt in Regenkleidung und mit Schirmen geschützt. Andere sitzen etwas entfernt unter den Ballustraden der Geschäftshäuser.

Etwas abseits der großen Straße werden die Häuser kleiner und die Läden individueller. Wir könnten noch vieles entdecken, aber jetzt meldet sich der Hunger, und damit verbunden nervt der Regen allmählich. Wir gehen zurück zum Fischmarkt und suchen uns einen Platz in den offenen Restaurants der Stände. 

Die Sitzplätze sind wind- und regengeschützt, es ist auch nicht allzu viel los. Die Bedienungen sind schnell, den Sprachen nach, die sie sprechen, sind diese hier im Lokal wohl ursprünglich Spanier. Wir bestellen Walsteaks und Mineralwasser. Das Essen ist schnell auf dem Tisch. Zusammen mit öligen Backofenkartoffeln und einem Tomatensalat liegen kleine dunkle Fleichstücke auf dem Teller. Das Fleisch des Meeressäugers ist von fester Konsistenz und kräftigem Geschmack, in beidem liegt es vergleichsweise zwischen einem Thunfisch- und einem Rindersteak. 

Auch die Beilagen schmecken gut, die Kartoffeln sind überall in Norwegen gut, diese hier sind gut in der Schale gegaart und angenehm heiß. 

Nach dem Essen entscheiden wir, wieder aus der Stadt rauszufahren. Wir sind schnell am Auto, der Weg aus der Stadt heraus ist etwas umständlich, da wir die Innenstadt auf einer anderen Strecke als hereinkommend umfahren, um wieder auf den kleinen Autobahnabschnitt zu kommen, der uns nach Nordosten bringt. 

Die kurze Schnellstraße liegt auch schnell hinter uns, es geht in Richtung Vossewangen. Hier zweigt die E 13 nach Oslo ab, die über die Hardangerbrücke und den Hochebene der Hardangervidda verläuft. Wir bleiben auf der E 16, die hinter dem kleinen romantischen Hafenort Aurlandsvangen in den unglaublichen 27 Kilometer langen Lærdaltunnel übergeht und dann eine Bogen nach Südosten schlägt, um den Verkehr ebenfalls nach Oslo zu bringen, um einiges länger, aber schneller als über die Hardangervidda.

Hinter dem Oppheimsee verlassen wir die Schnellstraße. Ingrid hat im Reiseführer das Stalheim-Hotel entdeckt. Der große rote Bau liegt erhöht am Rande des Tals. Unterhalb fängt das Lærøydal an - vom Garten des Hotels sehen wir dieses tief eingeschnittene, von steilen Bergen eingezwängte Tal, durch das wir später fahren werden. 

Vom Hotel aus führt die Schlucht namens Stalheimskleiva runter ins Tal. Hier wurde Mitte des 19. Jahrhunderts unter großen Mühen eine Passstraße ins Tal gebaut, die bis Anfang der 1980er Jahre die Hauptverkehrsachse darstellte, bevor die modernen Tunnel der E 16 errichtet waren. 

Das Stalheim-Hotel ist bereits zweimal abgebrannt und residiert seit 1960 in einem soliden Betongebäude. Zu seinen Gästen zählte der norwegische König Oskar, der letzte, der gleichzeitig auch König von Schweden war, sowie der deutsche Kaiser Wilhelm II, Norwegenfan und ebenfalls der letzte seiner antiquierten Herrscherdynastie. 

Wir sind als Nichtgäste des Hauses herzlich willkommen und dürfen uns gerne die Aussicht von der Terrasse aus ansehen. Besonders schön der große Salon des Hauses mit den großen Sofas und den Landschaftsbildern an der Wand.

Wir fahren weiter und sind bald in dem kleinen, aber bekannten Ort Gudvangen. Es liegt am Nærøyfjord, einem Arm des Aurlandsfjords, der wiederum in den Sognefjord übergeht. An der Europastraße eine Tankstelle, dahinter einige Häuser, aber auch ein nachgebautes Wikingerdorf. Dann fängt schon der schmale Fjord an, am Ufer eine Anlegestelle für eine Autofähre. 

Auf dem Parkplatz vor der Fähre stehen schon ein paar Wohnmobile geparkt. Wir schauen uns den Fjord an, das größere Schnellrestaurant, das heute nicht so gut besucht zu sein scheint. Das Nærøydal ist hier in Gudvangen zu Ende, der Fluss, der Nærøydalselvi, mündet hier in den Nærøyfjord. Über eine hölzerne Fußgängerbrücke gehen wir auf die andere Seite. 

Im Tankstellengebäude ist auch ein kleiner Supermarkt untergebracht. Hier kaufen wir noch ein paar Kleinigkeiten für unser Abendessen ein. Bleiben wollen wir hier nicht, wir überlegen, eine Wanderung an den Fjord zu machen, die soll landschaftlich spektakulär sein, aber der logistische Aufwand, ein Boot wäre zu organisieren, sprengt einfach unseren Rahmen. Wir fahren also weiter, Flåm ist nicht mehr weit, vor allem, weil ein Tunnel auf geradem Weg dorthin führt. 

Flåm ist etwas größer als Gudvangen. Es liegt am Südende des Aurlandsfjord. Hier legen die großen Kreuzfahrtschiffe an. Das Terminal am Kai ist auf Menschenmassen ausgelegt. Gleich gegenüber der Bahnhof der Flåmsbana. Diese Bergbahn verbindet Flåm mit dem 900 Meter höher gelegenen Myrdal, heute eine reine Tourismusbahn. Das Ticket kostet unglaublich viel, das schreckt uns ab. 

Was die Reiseführer hier vorschlagen, ist, mit der Bahn raufzufahren und sich dort ein Fahrrad zu leihen, um die Passstraße bergab zurück an den Fjord herunterzurollen. Das wäre bestimmt schön, doch angesichts des Preises verzichten wir darauf. 

Flåm hat einen großen und gut besuchten Campingplatz. Uns wäre das zu eng, den Service benötigen wir ohnehin nicht. Auf dem Parkplatz am Fjordufer besteht Übernachtungsverbot, das ist in Ordnung, damit haben wir gerechnet. Wir parken hier und schlendern durch den Ort. 

Langsam bricht der Abend herein, Zeit, uns einen Platz für die Nacht zu suchen und den gemütlichen Teil des Tages zu beginnen. Entlang der E 16 auf der Strecke nach Aurlandsvangen kennt Park4Night drei Plätze. Die schauen wir uns der Reihe nach an und wählen den letzten, den dritten, aus. Er liegt direkt am Ufer des Aurlandfjords und bietet eine grandiose Aussicht. 

Es stehen bereits drei Wohnmobile auf dem Platz, von denen zwei ein bisschen mehr Stellfläche beanspruchen, als es nötig wäre. Ich kurve ein bisschen und parke vor dem zweiten, ebenfalls ein deutscher Kastenwagen, ein. Sollte der sich bedrängt fühlen, kann er gerne ein Stück zurückfahren. 

Von dem Platz aus können wir bis Flåm schauen, das gegenüberliegende Fjordufer ist steil, dort führt weder Straße noch Weg entlang, immer wieder kommen Wasserfälle runter. Weit rechts liegt Aurlandsvangen, der Ort ist aber nicht zu sehen, und ganz weit hinten biegt der Fjord nach links, nach Nordwesten in Richtung Sognefjord ab. 

Wir sitzen noch lange draußen und schauen einfach nur, bis uns zu kalt wird und wir uns auch heute in den Camper zurückziehen. Morgen wollen wir rauf auf das Aurlandsfjellet.

Das Video zu dieser Episode auf Youtube oder gleich hier: 

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