Hardangerfjord, Hardangerbrua, Hardangervidda mit dem Vøringsfossen. Camperkalli in Norwegen (5)

Das Hardanger-Gebiet - ein weiteres Norwegen-Highlight mit Fjord, Brücke und Hochebene samt Vøringsfossen-Wasserfall. Nach unserem Abstecher zum Buerbreen ist kein Halten mehr. Heute geht es mitten hinein.

Wir waren am Vortag in der Hardanger-Region angekommen, nämlich in Odda am Sørfjord. Dort haben wir einen Abstecher zum Buerbreen-Gletscher gemacht und sind somit ein kleines Stück in den Folgefonna-Nasjonalpark hineingekommen. 

Das Video zu dieser Episode findet Ihr auf Youtube und am Ende dieses Beitrags eingebettet.

Der Parkplatz am Fuße des Gletschers war auch ein optimaler Übernachtungsplatz, wunderschön in einem Hochtal gelegen. Wie immer brechen wir früh auf, nicht ohne noch mit Sonja und Matthias von cumulumbus.de zu plauschen. Wir werden sie im Laufe der Reise wiedersehen, doch das wissen wir jetzt noch nicht.

Zurück also über die Schotterpiste nach Odda und von dort aus auf die Europastraße 13 am östlichen Ufer des Sørfjords, einem nach Süden reichenden Arm des Hardangerfjords. Wer sich unter einer Europastraße eine schnurgerade mehrspurige Rennstrecke vorstellt, wird hier eines besseren belehrt: Dicht am Wasser, dessen Lauf mit jeder Kurve minutiös folgend, mitunter so eng, dass der Gegenverkehr uns auf Schritttempo abbremst, nie ist mehr als Tempo 60 möglich. 

Für uns ist das in Ordnung, den Einheimischen, die mit weniger Zeit und Staunen unterwegs sind, mache ich nach Möglichkeit Platz, damit sie schneller vorankommen. Immer wieder kleine Orte, malerische bunte Holzhäuser links und rechts, und überall herrscht ein kleines Business. 

Der Fjord ist von hohen Bergen eingerahmt, allesamt schneebedeckt. Heut morgen zieht ein langes Wolkenband unterhalb der Höhenlagen vorbei und lässt die Spitzen der Berge frei. Zum Schauen halten wir an, hier ist ein kleiner Parkplatz mit WC. Er ist recht voll, es sind fast nur Wohnmobile, die hier stehen, offenbar haben einige die Nacht auf dem Platz verbracht.

Zwei junge Frauen neben einem deutschen VW-Bus sind gerade beim Frühstück. Andere sortieren ihr Gepäckabteil im Wohnmobil neu, ein Mann mäht mit einer großen Maschine das Gras am Ufer. Eine Gruppe älterer Motorradfahrer:innen aus Österreich mustert interessiert unseren Camper. Der ist ja auch so schön rot.

Wir stoppen in Ullensvang, ein größerer kleiner Ort mit kleinem Hafen in einer Bucht, und schauen über den Hafen auf den Fjord und die gegenüberliegende Bergkette. Auch Ullensvang glänzt mit weißen und roten Holzhäusern, von denen die schönsten auf einem grünen Hügel oberhalb liegen. Weit entfernt, ganz oben am Bergkamm, schießt ein Wasserfall ins Tal hinunter.

Das Ostufer des Fjords ist bekannt für seinen Obstanbau, die Obstbäume sind ein exotischer Anblick in diesen Breiten. Es wäre schön, auch hier länger zu bleiben und in die Höhenlagen zu wandern, etwa zu dem Wasserfall, den wir sehen. Aber heute wollen wir weiter.

Kurz bevor der Sørfjord in den Hardangerfjord übergeht, knickt das Ufer nach rechts ab, in einer Bucht liegt Kinsarvik. Von hier aus besteht eine Fährverbindung nach Utne auf der Landzunge, die vom Sørfjord und dem nach Südwesten sich erstreckenden Hardangerfjord begrenzt ist. Von Utne aus muss man, will man wegkommen, die nächste Fähre nach Kvanndal am Nordufer des Hardanger nehmen oder die Landzunge entlang zurück nach Odda  oder weiter nach Rosendal fahren. Strecken, die Zeit erfordern.

Es sind erstaunlich viele Fahrzeuge, die auf die Fähre warten. Wir bleiben auf der E 13 und fahren in den Eidfjord hinein, den östlichen Arm des Hardanger. Bald taucht über dem Fjord die gewaltige Hardangerbrücke auf. Im Jahr 2013 erbaut, war sie mit 1.380 Metern kurzzeitig Norwegens längste Brücke. Die Durchfahrtshöhe beträgt 55 Meter, wodurch die ganz großen Kreuzfahrtschiffe jetzt nicht mehr durchpassen.

Die Brücke ist Teil einer wichtigen Nord-Südachse nach Stavanger und der kürzesten Verbindung von Oslo nach Bergen, die allerdings wegen der Passage über die Hardangervidda nicht wintersicher ist.  Die alternative Verbindung der E 16 durch den Lærdalstunnelen weiter im Norden ist ganze 70 Kilometer länger. 

Lange vor der Brücke führt die E 13 in einen Tunnel, wie gewohnt eine zurückhaltend ausgeleuchtete Röhre. Plötzlich taucht im Tunnel ein großzügiger Kreisverkehr auf, die Beleuchtung wechselt zu einem anregenden Blauton. Wir hatten nicht auf dem Schirm, dass jetzt für uns die Straßennummerung wechselt und dass Oslo jetzt der aufgeführte Zielort ist, und folgen der Beschilderung der E 13. Vom Kreisverkehr geht es wieder in den Tunnel, der öffnet sich nach einiger Zeit und wir sind auf der Hardangerbrücke! Also völlig falsch. Die führt uns auf die Nordseite des Fjords, wir wollen aber nach Osten weiter zur Hardangervidda. 

Wenden ist nicht, also weiter. Über die Brücke, die in den nächsten Tunnel mündet. Im Tunnel taucht nach einiger Zeit ein zweiter Kreisverkehr auf, wieder blau ausgeleuchtet. Also drehen wir im Kreisverkehr und fahren zurück auf die Brücke, überqueren sie und tauchen wieder in den ersten Tunnel ein, fahren bis zum dortigen Kreisverkehr und biegen dieses Mal richtig ab, nämlich auf die E 7 Richtung Oslo. 

Bis heute liegt uns keine Mautabrechnung vor, bis jetzt wissen wir nicht, was uns die insgesamt dreimalige Überquerung der Hardangerbrücke (das dritte Mal erfolgt später am Tag, wenn wir von der Hardangervidda zurückkommen und nach Bergen weiterfahren) gekostet hat. 

Kaum aus dem Tunnel raus kommt links ein Parkplatz, der Kvernabekken Park. Von hier aus hat man nicht nur einen guten Blick auf die Brücke, hier läuft auch der Rad-Fußweg entlang, über den ich runter bis auf das Portal der Brücke gehe. Der Blick von hier ist noch viel schöner.

Wir haben bald den dramatisch romantisch am Fjordende gelegenen gleichnamigen Ort Eidfjord erreicht, halten uns aber angesichts der fortschreitenden Zeit nicht auf, wir wollen zum Vøringsfossen, oben auf der Hardangervidda. Von Eidfjord aus sind es nur noch wenige Kilometer, nur noch den Pass hinauf.

Nur noch den Pass hinauf? Die E 7 folgt dem Tal entlang dem  Lauf des entgegenfließenden Bjoreio, der das Vøringsfossenwasser in den Hardangerfjord trägt. Das Tal streckt sich sanft, am Beginn des Anstiegs wartet ein Stau auf uns. Wir kommen hinter einem schwedischen Sattelschlepper zum Stehen. Hier geht erst einmal nichts mehr.

In Passagen, die aufgrund von Baustellen oder Behinderungen wie Schnee - sehr viel Schnee - auf eine Spur begrenzt oder auch zeitweise vollständig gesperrt werden müssen, ist es in Norwegen geläufig, den Verkehr nicht einfach nur nacheinander je Richtung eine Engstelle passieren zu lassen, sondern - eine Praxis, die aus der Erfahrung der Gefährlichkeit winterlicher Straßen herrührt - der Verkehr wird durch sie hindurch geleitet. Ein Leitfahrzeug, der Ledebil, fährt voraus, die Schlange folgt, bis der Ledebil die Straße hinter der Gefahrenstelle freigibt. Im Fall der Schneepässe fährt ein Schneepflug voraus, ein zweiter folgt der Fahrzeugschlange.

Wir stehen also und warten. Die Gegenspur ist folglich leer. Irgenwann kommt langsam ein Transporter mit gelben Rundumleuchten und dem Hinweis "Ledebil - følg meg" auf dem Dach entgegen, hinter ihm eine lange Fahrzeugschlange. Dann hört die Schlange wieder auf, kein Fahrzeug kommt mehr durch. Einige Zeit später kommt der Ledebil zurück, fährt an unserer Schlange vorbei und setzt sich, unsichtbar weit vor uns, an die Spitze unserer Schlange. Es geht los, wir fahren auf den Pass.

Am Baustellenanfang steht noch ein Mitarbeiter, der den nachfolgenden Verkehr anhält, wenn unsere Schlange durch ist, unterstützt durch die Baustellenbeschilderung. Eine Ampelanlage gibt es nicht, warum auch.

Mit Tempo 20-40 geht es voran, so haben wir Zeit, die spektakuläre Landschaft hier unten im Pass zu bewundern. Die Felsen sind hoch und stehen eng beieinander, es bleibt wenig Platz für den Fluss und die Straße. Folglich geht es bald im Tunnel weiter.

Die Norweger beweisen einmal mehr ihre Innovationskraft. Auf der Passstrecke wird der Verkehr durch zwei aufeinanderfolgende Tunnel geführt. Beide Tunnel haben jeweils einen Kurvenradius von mehr als 360 Grad. Dadurch kann die Passstraße auf engem Raum gut an Höhe gewinnen, ohne das der Steigungswinkel der Straße zu groß wird. 

Auf der Höhe des Vøringsfossen erreicht der Pass das Plateau der Hardangervidda. Die Parkplätze hier sind durch die Bauarbeiten gesperrt, wir fahren noch ein Stück weiter und biegen dann ab in Richtung des Fossli-Hotels, wo sich weitere große Parkplätze befinden. Wir stellen uns auf einen Schotterplatz, auf dem bereits Wohnmobile stehen. Überraschung: es kostet nichts.

Der Wasserfall liegt ein Stück unter uns. Vor uns breitet sich die weite Hochebene der Hardangervidda aus, die größte Hochebene Europas, in den höheren Lagen liegt noch viel Schnee, in den tieferen Lagen ist es spätwinterlich grau, erst in den Tälern leuchtet das helle und frische Grün des Frühlings.

An der Kante zum Cañon des Bjoreio steht das Fossli-Hotel, vom Vorplatz aus führen bequeme Treppen zu einem Aussichtspunkt. Wir stehen senkrecht über der Schlucht, unter uns das tosende Wasser.

Das Wasser kommt von links und von rechts, es fällt von den Hängen runter in die enge Schlucht, es schäumt und gichtet und lärmt. Was für ein Radau! Unten fließt es ab, der Fluss ist reißend, gleichwohl wirkt er lahm und harmlos im Vergleich zu dem Tempo, das das Wasser im freien Fall und in den Kaskaden darüber annimmt. 

Unglaublich, wie eng und tief die Schlucht vor uns ist. Sie liegt mehr als 200 Meter unter uns, denn wir stehen hier noch oberhalb des Flusses vor dem Fall. Die Hauptrichtung des Wassers ist der Verlauf des Bjoreio, er kommt aus Osten, mäandert in mehreren Kurven, so dass er vor der Schlucht unmittelbar aus südlicher Richtung fällt, um der Schlucht nach Westen zu folgen. 

Tief unten in der Schlucht endet ein Fußweg, der einen Zugang vom Tal aus zum Wasserfall ermöglicht. Den haben wir eigentlich gehen wollen, die Baustelle ließ jedoch das Parken an der ursprünglich gewählten Stelle nicht zu. Wir treffen später zwei Wohnmobilisten, die von hier oben aus den Weg hinunter, die Straße entlang und über einen parallelen Fuß-Radweg genommen und am Fuss des Wasserfalls gestanden haben. In der Schlucht selbst führt kein weiterer Weg nach oben, die Wände sind zu steil.

Der Hauptwasserfall hat mehrere Stufen, bevor er frei nach unten stürzt. Darüber ist ein Fußgängersteg gebaut, auf dem man hoch oben über der tosenden Schlucht und über dem Wasserfall geht. Zunächst laufen wir den gesicherten Weg in nördliche Richtung, um vom Nordhang aus eine andere Perspektive auf den Fall zu erhalten. 

In der Gegenrichtung fällt die Kante in der Landschaft ab, wir sind hier ein ganzes Stück tiefer, die Fußgängerbrücke ist so schmal, dass im unteren Bereich kaum zwei Personen aneinander vorbeikommen. Wir gehen einmal um den Wasserfall herum, über die kleinere Brücke der Nebenstraße, die mehrere Parkplätze verbindet. 

Das Wasser macht einen Heidenlärm, egal, wo man sich gerade befindet. Man kann sich hier zwar kaum satt sehen, sehr wohl aber satt hören. 

Wir machen uns weiter, das heißt erst einmal, wir fahren zurück zum Fjord und zur Hardangerbrücke. Oben an der Baustelle ist wieder Warten auf den Ledebil angesagt, aber das dauert nicht lange. Runter geht es durch den Pass und durch die Tunnel. 

Ohne weiteren Stopp fahren wir also zur Hardangerbrua, überqueren diese zum dritten Mal und nehmen die E 13 Richtung Bergen. Statt die Hauptstrecke über Vossewangen zu wählen - die wollen wir am nächsten Tag in die Gegenrichtung fahren, wenn wir aus Bergen zurückkommend weiter Richtung Norden fahren -, biegen wir Richtung Kvanndal ab und bleiben am Nordufer des Fjords, eine lange, eine sehr lange Strecke bis Norheimsund.

Die Straße ist schmal und kurvenreich, das ist mittlerweile nichts Neues. Mal ist sie breit genug für den Gegenverkehr, mal müssen wir bis zum Stillstand runter. Zum Glück herrscht wenig Verkehr. Die schweren Lastzüge, die von der Fähre aus Utne gekommen sind, passieren wir an einer breiten Stelle vor Kvanndal. 

Irgendann taucht linker Hand ein Parkplatz auf, Park4Night weiß, dass wir hier Frischwasser tanken können. Schon länger hat es zu regnen begonnen, die Landschaft liegt in einem saftigen nassen Grün, das sieht sehr schön aus. Auf dem Parkplatz stehen ein paar andere Wohnmobile. Am Toilettenhäuschen befindet sich außen ein Wasserhahn, mit Hilfe unseres 20 Liter-Kanisters fülle ich den Tank auf. Ingrid leert den Urinbehälter ins WC.

Wir sehen ein Paar aus einem anderen Camper auf dem Gelände herumlaufen. Der Platz reicht bis zum Fjordufer, der Blick ist sehr schön. Die beiden schauen und fotografieren. Ihr weißer Ducatocamper hat ein Kennzeichen aus Potsdam. Wir wissen noch nicht, dass wir die beiden noch oft sehen und auch kennenlernen werden im weiteren Verlauf unserer Reise: Sandra und Marcus aus Potsdam.

Wir fahren weiter, damit wir morgen nicht mehr viel Zeit verlieren, um Bergen zu erreichen. In Norheimsund schauen wir uns noch einen Stellplatz an, doch der gefällt uns ganz und gar nicht, er liegt im Gewerbebereich eines abgelegenen Hafens, wir sehen andere Wohnmobilisten hilflos auf dem Gelände umherirren. Und der Platz soll auch noch Geld kosten. Also weiter.

Wir fahren quer über das Land, halten unterwegs an einem abschüssigen Parkplatz hoch oben in den Bergen, der gefällt uns auch nicht, also weiter. Am Øvre Samnangerfjord werden wir fündig. Hinter einem Gewerbegebiet am Ufer des Fjords befindet sich eine kleine Bucht, hier darf kostenlos geparkt werden. Eine enorme Zahl an Wohnmobilen tut das bereits, wir stellen uns quer dazu, freier Blick aufs Wasser. Das war es für heute. Es regnet draußen, also bleiben wir im Auto, bereiten uns unser Abendessen zu, essen und tun die häuslichen Dinge, die wir abends so tun. Die Nacht, die folgt, ist ruhig und friedlich. Bergen, wir kommen.


Wie immer, auch das Video zu dieser Episode - auf Youtube - und hier:

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