Mit dem Fahrrad über die Inseln - ein zweiter Abend bei den Puffins

Pfingstmontag auf der Insel Runde. Die Sonne scheint vom blauen Himmel, wir machen eine Fahrradtour zu den Nachbarinseln, Ziel ist das kleine Verwaltungszentrum Fosnavåg. Am frühen Abend gehen wir wieder hoch auf den Felsen und besuchen die Papageientaucherkolonie.

Pfingstmontag auf der Insel Runde. Auch heute meint es die Sonne wieder gut mit uns und fängt schon um fünf Uhr morgens zu scheinen an. Wir sind so weit im Norden, es ist kühl draußen, wir frühstücken trotzdem draußen. Unser Platz liegt dicht am Waschhaus, so dass mitten in dem Trubel sind, der hier schon früh startet, da die Sonne uns alle früh geweckt hat. 

Das Video zu dieser Episode findet Ihr auf Youtube oder am Ende dieses Beitrags eingebettet.

Auf allen Campingplätzen, die wir bisher besucht haben, gab es Leute, die ständig von ihrem Zelt oder Auto zu den Waschräumen oder sonstwohin gehen und wieder zurück. Wir nennen sie die Aufundabgeher. Auch heute morgen sind ein paar Aufundabgeher am Start und gehen auf und ab. 

Wir haben im Kiosk ein körnerreiches Brot gekauft, das wirklich gut schmeckt, und nehmen uns was für unterwegs mit, dazu auch etwas Obst und natürlich Wasser. Dann setzen wir uns auf die Räder und fahren los. Die Straße hier auf Runde ist schmal, aber bis auf einige wenige Wohnmobile, die schon früh den Platz verlassen, ist noch nicht viel los. 

Das Meer leuchtet blau in der Morgensonne, in der Ferne sehen wir die inselreiche Küste nördlich von hier, hinter der Inselbiegung tauchen dann mehr und mehr die Berge des Festlands auf, deren Schneehäubchen weiß leuchten, im schönen Kontrast zum Wasser.

Nach ein paar alleine stehenden schönen Häusern kommen wir am Runde Miljøsenter vorbei, übersetzt Umweltzentrum. Es hat schon geöffnet. Die Mitarbeitenden halten gerade eine Teamsitzung im Café ab und ignorieren uns. An der Theke sind appetitlich aussehende Kuchen aufgebaut, eine Glaskanne auf einer Wärmeplatte arbeitet kräftig daran, das Aroma des Kaffees in ihr zu vertreiben.

Auch hier die üblichen Souvenirs, ein wenig Outdoorkleidung, T-Shirts und Mützen, alles recht teuer. Eine Treppe führt ins obere Stockwerk, die Ausstellung im Nebenraum ist gerade wegen Umbau geschlossen. Vorne im Raum zeigen Vitrinen die lokale Fauna, das ist schon beeindruckend, denn darunter sind auch ausgestopfte große Seeadler.

Wir sind hier am östlichen Zipfel von Runde, der Küstenverlauf knickt nach Südwesten ab. Von hier aus sehen wir schon die Nachbarinseln Remøy und Leinøya, Es ist schwer festzustellen, wo die Inseln aufhören und das Festland beginnt. In der Ferne leuchten schneebedeckte Berge. Keine Wolke am Himmel, alles strahlt in Blau, der Himmel und das Meer. 

Auf der Südostseite von Runde stehen die meisten der insgesamt wenigen Häuser. Es ist die vom offenen Nordmeer abgewandte, halbwegs geschützte Seite.  Ein kleiner, von Kaimauern umgebener Hafen. Hier starten die Boote, die das Birdwatching vom Meer aus ermöglichen. 

Im Garten eines Hauses neben der Straße sitzt eine Frau, relaxed am Smartphone lesend. Das wird bei dem Klima selten genug möglich sein. Die Straße schwingt sich, dem Küstenverlauf folgend, vor bis zur Brücke, die Runde mit Remøy verbindet. Praktisch. Diese aufwendig errichteten Netze aus Brücken und Tunneln vom Festland auf die Inseln sind, neben den Fähren, die Voraussetzung dafür, dass hier heute noch Menschen vernünftig leben können. Bemerkenswert, wie gut Norwegen das hinbekommen hat. 

Die Rundebrua ist einspurig, der größere Teil der Verbindung zwischen diesen beiden Inseln verläuft über einen ebenen Damm, nur an einer Stelle erhebt sich die geschwungene Brücke über das Wasser, um Natur und Schifffahrt nicht aufzuhalten.

Auf Remøy verschwindet die Straße hinter der nächsten Kurve in einem Tunnel, dem Sæviktunnelen, knapp einen Kilometer lang. Hier müssen wir auch mit den Rädern durch, es gibt keine Alternative. Der Tunnel ist wie immer nur schwach beleuchtet, die Wände und Decke naturbelassen, an den Wänden tropft das Wasser, die Ränder sind abschüssig. 

Es ist unangenehm dunkel, der Boden reflektiert das Licht der Radfunzeln kaum. Zum Glück ist kaum Verkehr, so dass die wenigen passierenden Fahrzeuge ausreichend Platz zum Ausweichen haben. Es gibt eine Besonderheit: Vor beiden Einfahrten und in der Tunnelmitte sind orange rotierende Leuchten angebracht, die blinken, während wir durchfahren. Es handelt sich um eine Warnanlage, die uns registriert und den Autoverkehr auf uns Radfahrende aufmerksam macht: Syklist i tunnel - Radfahrende im Tunnel.

Der Tunnel ist passiert, die Südseite der kleinen Insel erreicht, die Straße biegt nach Osten ab, gegenüber sehen wir schon Fosnavåg, das kleine Zentrum der Region, hervorlugen, obwohl die Kleinstadt erst auf der übernächsten Insel liegt. Wir passieren wieder einen kleinen geschützten Hafen, in dem ein Fischtrawler liegt und biegen ab zur Remøybrua, der Verbindung nach Leinøya.

Die kleinen Inseln mögen noch so abgelegen sein, überall stehen Wohnhäuser beieinander, die Siedlungen sehen auch nicht anders aus als jedes andere Vorstadtviertel irgendwo in Europa. Die Häuser sind neu und modern, die Außenanlagen gepflegt, die Autos davor neu und groß. In Norwegen sind auffallend viele Elektroautos auf den Straßen, man sieht Marken und Modelle, die in Deutschland nicht im Straßenbild zu finden sind. 

Sie sind deutlich weiter als die Deutschen, die sich gerne als Weltmeister in allen Disziplinen sehen. Aber je weniger Mensch mitbekommt, was sich in anderen Ländern so abspielt, desto leichter lässt sich diese Überzeugung leben.

Hier in der Bucht zwischen zwei Inseln stehen etliche Gewerbegebäude in Ufernähe. Vermutlich hat der Fischfang in der Vergangenheit eine größere Rolle gespielt und man versucht, zeitgemäße Erwerbsformen zu etablieren. Aber da stehen zwei weitere große Fischereischiffe im Hafen vertäut, es gibt es also doch noch, das Leben auf See. 

An der Kreuzung biegen wir nach rechts ab Richtung Fosnavåg, von links sind wir vorgestern auf die Inseln gekommen. Wir sind auf dem Damm, der auf die Insel Bergsøya führt, die sich westlich an Leinøya anschließt. Sie scheint etwas dichter besiedelt zu sein, neben Fosnavåg ist Eggesbø ein zweiter, gar nicht so kleiner Ort.

Der Weg führt entlang der gutbefahrenen Straße, links und rechts davon mehren sich Firmenhallen und Läden, einige Supermärkte und Fastfood-Imbisse. Nach einer Rechtskurve steigt die Straße über mehrere Kilometer an. Auf der rechten Seite geht es zu einem Schwimmbad, dann kommen wir an der Herøy kyrkje vorbei, ein dunkler, moderner Bau.

In einer S-Kurve erreicht die Straße ihre höchste Stelle, jetzt fällt sie deutlich ab Richtung Stadtzentrum. Es ist leer, fast ausgestorben. In Hafennähe das Geschäftszentrum, ebenfalls menschenleer. Wir fahren bis zum Kai. Vereinzelt sind ein paar Leute unterwegs, hier entsorgt jemand Altglas in einen Container, dort sitzt jemand anderes auf einer Bank, das ein oder andere Auto fährt langsam vorbei.

Wir haben ein wenig Verpflegung mitgenommen und halten eine kleine Brotzeit mit Blick aufs Meer. Rechts von uns steht eine steinerne Skulptur: eine Frau, die auf das Meer blickt, die linke Hand am Auge, als Schutz vor der Sonne, auf dem rechten Arm ein Kleinkind. Ein weiteres Kind steht links neben ihr, ebenfalls gebannt aufs Meer schauend. Fiskarkona, die Frau des Fischers. Ein selbsterklärendes Motiv, das die Tragödien, die das Leben mit dem Meer den Menschen oft genug zugemutet hat, erahnen lässt.

Leider hat auch das einzige zentrale Café heute geschlossen, wir fahren also wieder zurück. Der Sparmarkt außerhalb hat jetzt geöffnet, für die Sonntagsöffnung ist ein kleiner Bereich des großen Supermarktes eingerichtet, es ist gut was los. Wir kaufen ein wenig Gebäck für den Nachmittagskaffee. 

An der Ausfallstraße bietet ein Burgerladen Sitzgelegenheiten in der Sonne. Wir nehmen kurzentschlossen einen Kaffee, auch wenn er im Pappbecher serviert wird. Eine Gruppe von offensichtlich schwer- und mehrfach behinderten Menschen in Rollstühlen und ihre Betreuer vertreiben sich hier ebenfalls mit kleinen Snacks die Zeit, es sieht so aus, als wäre in der Nähe eine Wohneinrichtung. 

Mangels Alternativen nehmen wir dieselbe Strecke zurück. Das ist alles andere als langweilig, auch weil die Sonne jetzt anders steht und die Landschaft auf eine neue Weise ins Licht rückt. Auf Runde sehen wir  einen Graureiher langsam auf seinen langen Beinen am Ufer entlangstelzen, den Kopf auf dem langen Hals hin und her schwingend, dabei aufmerksam die Wasseroberlfäche scannend. Ein paar schwarze Krähen schauen ihm dabei zu.

Im Besucherzentrum ist jetzt mehr los als heute morgen. Einige Gäste des Campingplatzes essen hier zu Mittag oder trinken Kaffee. Wir erledigen das auf dem Platz, schließlich haben wir einen Tisch und Bänke vor dem Auto stehen. 

Später ziehen wir dann zu Fuß los, den schon bekannten Weg den Berg hinauf zum Vogelfelsen. Heute ist tatsächlich weniger Betrieb als am gestigen Sonntag, wir finden leichter einen Platz in der ersten Reihe am Abhang, wo es mehrere hundert Meter steil nach unten ins Meer geht, und warten auf die Papageientaucher.

Sie lassen sich nicht lange bitten. Zuerst sind sie noch weiter entfernt und fliegen mit hoher Geschwindigkeit unter uns vorbei, vereinzelt lässt sich ein Tier auf einem Stein nieder und ruht sich auf. Links und rechts werden große Spiegelreflexkameras mit langen Telezoomobjektiven hochgehalten. Immer wenn sich ein Papageientaucher auch nur ansatzweise zeigt, surren die Motoren. 

Dafür bin ich nicht ganz optimal gerüstet, extrem lange Brennweiten benötige ich selten. Nur die kleine Sonykompaktkamera kommt umgerechnet auf mehr als 700 Millimeter Brennweite, allerdings ist der Zoom sehr träge, und da die Kamera sehr leicht ist, verzieht sie schnell. Heute nutze ich ihre Videofunktion, obwohl die Kamera nur Full-HD liefert. Aber die ersten, entfernt sitzenden Puffins kann ich damit gut filmen. 

Die zweite Kamera, die ich im Einsatz habe, ist die Canon EOS 77D. Sie hat einen APS-C-Chip, wodurch die Brennweiten gegenüber dem Vollformat um den Faktor 1,5 vergrößern. Mit dem hochwertigen 24-105 Milllimeter-Objektiv komme ich damit auf einen akzeptablen Bildausschnitt, außerdem lassen sich die hiermit aufgenommenen Fotos gut vergrößeren.

Jetzt setzt sich ein Papageientaucher in unserer Nähe auf einen Stein. Der Vogel hatte sich schon vorher unterhalb des Steins aufgehalten und hüpft einfach hoch. Er schaut interessiert auf die ihn beobachtenden Menschen, dreht putzig seinen kleinen Kopf in alle Richtungen. Jetzt kann ich auch mit dem iphone filmen und habe damit die volle 4K-Qualität. 

Nach ein paar Minuten verliert der Papageientaucher die Lust daran, sich zur Schau zu stellen, und verschwindet wieder hinter dem Stein. Immer mehr Vögel kommen in unsere Nähe, alleine, paarweise oder auch zu dritt. Die Kameras surren, ich weiß gar nicht mehr, wo ich hinschauen soll. Es sieht so aus, als gäbe das viele tolle Fotos und Filmsequenzen. Links filmen, rechts knipsen, die dritte Kamera um den Hals hängend.  Geht doch.

Wir stehen gut zwei Stunden hier vorne am Abhang, als es dann langsam genug ist. Den Puffins reicht es auch, sie ziehen sich in ihre Felsen weiter unten zurück. Der Platzbetreiber sagte schon bei unserer Anreise, dass es nur ein kurzes Zeitfenster am Abend sei, an dem sich die Vögel zeigen. 

Wir gehen also zurück, genießen ein letztes Mal die Fernsicht vom Felsen auf das Meer und die Inselwelt um Runde herum. Die Sonne steht tief, das Meer glitzert. Auf dem Rückweg kommen wir an mehreren Schafherden vorbei. Hier oben sind bemerkenswert viele Schafe mit dunkler Wolle unterwegs - schwarze Schafe. Ob es an der Tageszeit liegt? Sie führen sich auf, als wären wir bei Shaun dem Schaf, und der Bauer ist gerade abgelenkt. Die jungen Tiere springen auf die Felsen und machen sich gegenseitig spielerisch den Platz streitig. Ein großes Tier wälzt sich auf den Rücken und streckt alle vier Beine von sich. Es kratzt sich den Rücken.

Im Westen über dem Meer ist der Himmel vollkommen rot eingefärbt, je tiefer die Sonne sinkt, desto kälter wird es jetzt. Grund genug, sich ins Wohnmobil zurückzuziehen. Zeit für das Abendessen, dann für ein Glas Wein, anschließend einen Tee. Der morgige Tag will geplant werden, wir werden nach Ålesund weiterfahren. Neue Abenteuer warten auf uns. 


Das Video zu dieser Episode könnt ihr gleich hier oder auf Youtube anschauen:




















































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