Trollstigen und Geiranger: landschaftliche Höhepunkte

Norwegen überrascht uns mit weiteren Highlights: wir kommen ausgerechnet an dem Tag über den Trollstigen-Pass, an dem er nach überlanger Wintersperre wieder geöffnet wird. Grandios. Nicht genug mit den tollen Blicken, erwartet uns der Geirangerfjord mit seiner Märchenlandschaft. Viel Stoff für zwei ereignisreiche Tage.


Heute ändern wir unsere Reiserichtung. Ab heute geht es wieder nach Süden. Mit Ålesund und Åndalsnes haben wir die nördlichsten Punkte unserer Reise erreicht. Unsere Route runter wird weiter östlich im Landesinneren verlaufen als die nach oben. Die nächste Etappe ist der Trollstigen. Mit unserem Übernachtungsplatz am Fuße des Trollveggen im Romsdal sind wir nicht weit davon entfernt. Der Tag verspricht spannend zu werden. Haben wir doch erst vor wenigen Tagen zufällig erfahren, dass der Trollstigen-Pass nicht - wie selbstverständlich angenommen - offen ist, sondern dass die Schließung über den Winter nach einen Erdrutsch im Frühjahr noch andauert.

Wir dokumentieren unsere Reise auf Video und stellen parallel zu unseren Blogeinträgen jeweils einen Film auf Youtube bereit.  Dieser Beitrag ist auf zwei Videos aufgeteil, Trollstigen und Geiranger. Die Videos betten wir am Ende des Beitrags ein. 

Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr unsere Videos anschaut, sie liked und unseren Kanal abonniert. Dafür herzlichen Dank.

Wir haben aber gleichzeitig auch im Internet gelesen, dass die Öffnung für heute 13 Uhr vorgesehen ist. Das ist ein Wahnsinnszufall, ein großes Glück, denn seit ich über eine Norwegenreise nachdenke, habe ich den Wunsch, über den Trollstigen zu fahren. Sollte es also doch Wirklichkeit werden?

Der Tag beginnt trüb, hier unten im Tal hängen die Wolken tief. Wie es wohl weiter oben aussehen wird?

Wir sind wie immer früh reisefertig und fahren vom Parkplatz am Trollveggen Besucherzentrum zurück nach Åndalsness. Bevor wir auf den Pass fahren und dort gegebenenfalls wandern und irgendwo in der Einsamkeit übernachten, wollen wir noch unsere Vorräte auffüllen. Im großen Gewebegebiet am Ortseingang von Åndalsnes sind die üblichen Supermarktfilialen am Start, wir fahren zu Kiwi. 

Der Einkauf ist schnell erledigt, zurück auf die E136 nach Süden. Schon nach wenigen Kilometern zweigt die kleine Regionalstraße 63 nach rechts ab, überquert den Fluss Rauma und steigt hinter dem Tal sanft an. Die wenigen Schilder weisen auf die Straßensperrung hin. Sicherheitshalber stoppen wir am Straßenrand und checken im Internet, ob es tagesktuelle Informationen gibt.

Während wir das tun, überholt uns ein deutscher Audi und hält an. Eine Frau steigt aus und kommt zu uns. Sie sagt, wir wollten sicher zum Trollstigen, falls wir es nicht wüssten, der öffnete heute. Ihr Mann kommt hinzu. Das ist sehr nett, wir lachen herzlich miteinander und stellen fest, dass wir die gleiche Informationsquelle haben. Wir fahren also weiter, der Audi kommt etwas schneller voran. 

Wir sind bereits in dem Seitental, das sich zum Trollstigen hin erhebt. Es geht durch einen dichten grünen Wald, einige Fahrzeuge sind unterwegs, wir passieren einen Campingplatz, kurven über leichte Serpentinen, bis wir schließlich die geschlossene Schranke zum Pass erreichen. Davor liegt ein Parkplatz, auf dem bereits viele Fahrzeuge, überwiegend Wohnmobile, stehen. Aber sowohl für den Audi als auch für uns ist noch Platz, auch wenn das den jüngeren Leuten aus dem Camper neben uns aus irgendeinem Grund nicht gefällt.

Die Schranke wird von Mitarbeitern der Straßenverwaltung gesichert. Ab und zu kommt ein Lastwagen vorbei, dann öffnen sie die Schranke. Es wird also noch auf der Strecke gearbeitet, vermutlich mit Hochdruck. Jemand von den Wartenden hat nochmal gefragt, wann denn der Pass freigegeben wird, und kam nur mit einer vagen Auskunft zurück: heute. Hoffentlich bleibt es bei 13 Uhr.

Die Wolken hängen so tief, dass wir kaum bis zur oberen Kante der Trollstigen-Schlucht sehen können. Darunter ist der Blick frei. Ob wir oben vom Aussichtspunkt überhaupt etwas sehen können? Im Moment wohl eher nicht.

Wir vertreiben uns die Zeit. Unterhalb des Parkplatzes fließt der kleine Fluss entlang, der von der Höhe als mächtiger Wasserfall fällt. Über einen kleinen Steg können wir ihn überqueren, um dann den gegenüberliegenden steilen Hang hochzuklettern. Es gibt ein paar Pfade in dem sonst sehr unwegsamen Gelände, darauf sind einige Leute unterwegs, um sich wie wir die Wartezeit interessant zu gestalten.

Der Weg scheint nicht häufig benutzt zu werden, er ist durch Geröll und umgestürzte Bäume blockiert, das erschwert das Weitergehen, so dass wir wieder umkehren. Von der erhöhten Position, auf der wir uns jetzt befinden, haben wir einen schönen Blick ins Tal und auf den Parkplatz, auf dem unser Camper mal wieder den bunten Klecks im weißgrauen Einerlei gibt. 

Der Parkplatz hat sich bis zum letzten Platz gefüllt. Auch entlang der Straße reihen sich die wartenden Autos auf. Motorräder drängeln nach vorne und knäulen sich vor der Schranke. Es entsteht eine regelrechte Volksfeststimmung. 

In der Schlange stehen zwei deutsche VW-Busse. An dem einen sehe ich einen Instagram-Account-Aufkleber und spreche den jungen Fahrer an. Er ist alleine in Skandinavien unterwegs und kommt gerade vom Nordkapp. Sein T5 ist ein ehemaliges Polizeifahrzeug mit Automatikgetriebe, er hat es selbst ausgebaut. Tolles Auto und tolle Leistung. 

Er war gestern schon hier, weil er nicht wusste, dass der Pass geschlossen ist, und ist die Strecke zu Fuß abgelaufen. Heute Nacht stand er mit dem Bus etwas abseits der Straße.

Als er unseren Camper sieht, stutzt er und sagt, am Morgen habe ihn eine Bekannte darauf hingewiesen, dass der Trollstigen heute öffne und dabei einen Post, den ich auf Instagram zu dem Thema abgesetzt hatte, weitergeleitet. Ist ja irre.

Ein paar Presseleute sind aufgetaucht, sie interviewen, machen Fotos, filmen. Dann steigt ein älterer Mann aus einem Auto, offensichtlich ein offzieller Vertreter einer Behörde - der Kommune oder der Straßenverwaltung. Er wird ausführlich interviewt. 

Irgendwann baut ein Straßenbauer das Schild an der Schranke ab, das auf die Sperrung hinweist. Es wird langsam hektisch. Die Motorräder versammeln sich direkt vor der Schranke, so dass kein Durchkommen mehr ist. Die Fahrzeugschlange ist unübersehbar lang geworden, auch auf dem Parkplatz bringen sich die ersten in Positition, um schnell starten zu können.

Um Punkt 13 Uhr öffnet der Offizielle tatsächlich die Schranke, fotografiert und gefilmt von der Presse. Als erstes darf ein Fahrradfahrer passieren und fährt zügig den Berg hinauf. Die Motoren der Zweiräder dröhnen, sie fahren im Pulk los, dann folgen die Autos. 

Wir schaffen es auch, den Parkplatz zu verlassen und uns einzufädeln. In einer schier endlosen Kolonne geht es los. Wir sind auf dem Trollstigen.

Steil geht es bergauf, zunächst ein paar Kurven nach links, die ersten Serpentinen, dann führt die Straße nach rechts in den Hang hinein, immer höher hinauf unterhalb eines steilen Abschnittes des Hangs. Das Tempo ist niedrig, die Abstände zwischen den Fahrzeugen groß, es kommt kein Gegenverkehr - noch nicht.

Nach der langen Geraden, die uns auf die andere Talseite bringt, quert die Straße den Stigfossen, den Trollstigen-Wasserfall, natürlich über die Stigfossbrua. Die Brücke ist nicht viel breiter als der Teilintegrierte vor uns. Der Wasserfall zischt und schäumt und fällt mit einem Mordsgetöse nach unten. 

Die Straße biegt jetzt nach rechts, dem Verlauf des Hangs folgend, so dass wir nach vorne einen freien Blick ins Tal Richtung Åndalsnes haben, unten das grüne Tal, links und rechts steile Hänge und oben drauf Schnee. Rechts können wir schon zurückschauen auf den Pass unter uns, Auto an Auto, Kurve um Kurve. Darüber ragt majestätisch die massive Trollwand in den Himmel.

Jetzt kommen die ersten Motorräder entgegen, sieht so aus, als wäre die Zufahrt von Süden her zur gleichen Zeit freigegeben worden. Tatsächlich, es kommen jetzt auch Wohnmobile von oben. Da hilft nur ausweichen, anhalten und warten. 

Eilig haben wir es ohnehin nicht. Wir wollen schauen, den Ausblick genießen, die Fahrt auf der kurvenreichen Passstraße. Jetzt kommt die nächste Haarnadelkurve, und schon fahren wir in der entgegengesetzten Richtung weiter, die Wand und den Wasserfall vor uns. Bis zur nächsten Kurve und noch einmal zurück.

Jetzt nimmt der entgegenkommende Verkehr deutlich zu. Auch hier sind es überwiegend Wohnmobile, ein paar Geländewagen mit geländegängigen Wohnanhängern, ganz wenige PKW. Da bleibt es nicht aus, dass der Verkehr in beiden Richtungen zum Stillstand kommt. Die Straße ist eng, der geeignete Ausweichplatz muss erst einmal eingenommen werden. Macht nichts, alle haben Zeit.

Wir haben den Hang hinter uns gelassen, eine leichte Rechtskurve und dann geht es wieder steiler nach oben - und zwar in den Schnee hinein. Hier steht jemand mit einer orangen Weste und stoppt den Gegenverkehr. Es wird also doch ein wenig geregelt, sonst wäre das Chaos wohl perfekt.

Zweihunder Meter weiter biegen wir auf den großen Parkplatz des Trollstigen Utsiktpunkts. An den Rändern türmt sich der Schnee, die Motorräder stehen hier schon alle aufgereiht, auch viele Wohnmobile und PKW. Wir finden einen Platz schräg hinter einem Lastwagen, das sollte in Ordnung gehen. 

Als wir durch den Schnee über den Platz stapfen, sehen wir, dass das Cafégebäude noch geschlossen ist. Hier hat der Erdrutsch zugeschlagen, ebenso wie bei den Toiletten weiter hinten am Platz. Die Schäden konnten noch nicht beseitigt werden. Nur der Souvenirladen ist bereits geöffnet, und  für die fehlenden WC wurden durch eine lange Reihe an Dixieklos aufgestellt. 

Hinter den Häusern führt der Fußweg den kleinen Fluss entlang zur Kante der Schlucht. Der Fluss fällt in den Stigfossen, die Fußgänger haben eine tolle Aussichtsplattform. Nein, zwei. Der Fußweg verläuft noch ein Stück den Hang entlang und mündet in eine zweite Plattform. 

Allerdings ist der Weg zum Teil noch durch sehr viel Schnee blockiert, ein einzelner Mann schaufelt ihn unermüdlich zur Seite. Bis dahin müssen wir noch an der Stelle vorbei durch den Schnee im Hang laufen. Das gelingt nicht jedem gleich gut und sorgt für einen ordentlichen Fußgängerstau mit den entsprechenden Meinungsbekundungen.

Während wir den Trollstigen hinauf fuhren, sind auch die Wolken langsam angestiegen und lösen sich nach und nach auf. Die Sonne kommt durch. Der Blick wird von Minute zu Minute klarer. Von hier aus sehen wir fast jeden Abschnitt der Passstraße, sehen die vielen Fahrzeuge bergauf und bergab fahren.

Zwischendrin große Reisebusse, solchen sind wir zum Glück nicht begegnet, die mit den engen Haarnadelkurven kämpfen. Besonders die dreiachsigen Zwölfmeterbusse müssen in den Kurven vor und zurück navigieren, um herumzukommen. Sie sorgen für Staus hinter ihnen und vor ihnen beim Gegenverkehr. 

Da hilft nur vorausschauendes Fahren. Wenn der Gegenverkehr schon frühzeitig stoppt und Platz macht, dann schafft es ein Bus auch um die Kurve und durch die Engstelle. Auf vielen Youtube-Videos ist zu sehen, wie Lastzüge den Trollstigen entlangfahren und mit welcher Mühe sie aneinander vorbeikommen. Das scheint heute nicht mehr möglich zu sein, Lastzüge sehen wir überhaupt keine, nur Solo-LKW, und für Busse besteht laut dem Portal alpenpässe.de eine Längenbegrenzung auf 13,10 Metern.

Auch wenn es mitunter etwas dauert, bisher hat noch jede Fahrzeugbegegnung funktioniert. Das sollte auch ängstliche Gemütern beruhigen.

Auf halber Strecke des Fußwegs zur Plattform, die in den sehr steilen Hang hineingehauen wurde, geht steil nach oben ein Pfad ab. Den nehmen wir jetzt. Weiter oben verzweigt er sich, nach links geht es hoch zum Sattel und Richtung Trollveggen. 

Ursprünglich hatten wir die Wanderung zur Trollwand geplant, aber schnell wieder verworfen, als wir ausrechneten, dass uns die Fahrt den Trollstigen hinauf bereits den halben Tag kosten wird. Nächstes Mal. Wir gehen heute nur bis zum Wasserfall, der in der östlichen Ecke des Kessels herunterfällt. 

Auch von hier aus haben wir einen tollen Blick auf den Trollstigen und die steilen Berge auf der Westseite. Jetzt den Weg zurück und ein Stück über die Felsen weiter nach oben. Von dort sehen wir auf den großen Parkplatz des Besucherzentrums. Der hat sich rapide geleert, denn der Nachmittag ist weit fortgeschritten. Auch der Verkehr auf der Straße hat nachgelassen. Wer jetzt hier entlang fährt, ahnt nichts von dem Getümmel, das am Mittag hier herrschte.

Zurück am Parkplatz werfen wir einen Blick in den Souvenirladen. Ich muss gestehen, die Teelichthalter in Form von Wikingerbooten haben es mir angetan. Es gibt sie mit einem, mit zweien und mit drei Teelichtern. Für den Camper kaufe ich die kleinste Variante sowie eine mittlere als Geschenk.

Vom Besucherzentrum steigt die Straße noch mehrere hundert Meter stark an. Wir sind jetzt mitten im hohen Schnee, zum Glück ist die Straße frei und trocken. Oben auf der Kuppe halten wir, jetzt sehen wir in beide Richtungen, nach Norden Richtung Trollstigen und Åndalsness, nach Süden ins Valldal und Richtung Norddalsfjord. Die Fjorde sind natürlich nicht von hier aus zu sehen.

Hier sind einige Leute auf Skiern unterwegs, ohne Ski wäre abseits der Straße überhaupt kein Durchkommen, so hoch liegt der Schnee. Die Straße fällt jetzt stetig bergab, irgendwann hört auch der Schnee auf, wir sind in einer Frühlingslandschaft angekommen, als hätten wir nie Schnee gesehen.

Die kleinen Flüsse, die immer wieder unter der Straße entlang fließen, führen sehr viel Wasser mit sich und haben daher ein Mordstempo drauf. Die Straße ist endlos, aber irgendwann kommen wir tatsächlich in Sylte an, ein hübscher Ort am Norddalsfjord. Sollen wir uns hier einen Platz suchen? Wir können uns nicht recht entschließen, sind noch zu sehr im Flow, also fahren wir weiter.

Am Anleger der Fähre über den Norddalsfjord soll es einen Übernachtungsplatz geben, sagt die zuständige App. Der ist aber offensichtlich einer Baustelle zum Opfer gefallen. Fahren wir also auf die Fähre, die Vorfreude auf den Geirangerfjord zieht uns weiter, auch wenn es hier schon wieder wunderschön ist. Am Ufer gegenüber im Abendlicht liegt der Ort Norddal.

Es verkehren zwei Fähren im Wechsel, wir müssen nicht lange warten, bis eine anlegt, die große Frontklappe sich öffnet und die wenigen Fahrzeuge von der Fähre herunter fahren. Mit uns sind ebenfalls nur ein paar Autos auf dem Weg nach Süden, die Fähre bleibt weitgehend leer. 

Ein Mitarbeiter schreibt die Kennzeichen auf, hier ist man wohl technisch noch nicht so weit wie auf anderen Fähren. Aber viel viel weiter als auf allen Fähren in Deutschland.

Auch dieses Boot hat ein ordentliches Bordrestaurant, kein Wunder, bei den Fährstrecken, die hier so zurückgelegt werden müssen. Aber wir bleiben draußen und schauen auf den Fjord im Licht des frühen Abends. 

Der Norddalsfjord ist Teil eines gewaltigen Fjordsystems, das sich von der Atlantikküste bei Ålesund bis runter nach Geiranger erstreckt. Der Arm, den der Norddalsfjord bildet, führt am weitesten nach Osten ins Landesinnere hinein. Von Sylte aus besteht auch eine Fährverbindung durch die Fjorde bis runter nach Geiranger. Aber wir bleiben auf der Straße.

Schnell ist der Fjord überquert, wir folgen der 63 nach Süden, die nächste Anhöhe hinauf, vorbei am Eidsvatnet und durch den Opskredtunnelen. Wir stoppen nochmal an einem Parkplatz namens Korsmyra. Vorne an der Spitze können wir weit bergab schauen - und tatsächlich: da unten liegt er, der Geirangerfjord. Dunkel schimmert das Wasser. Wir sind gleich da.

Weiter den Berg hinab, bis die Straße am Hang des Fjords aus dem Wald herauskommt. Hier in der ersten Haarnadelkurve ist der Ørnesvingen Utsikspunkt, eine erhöhte Plattform. Nach Südosten haben wir einen Blick bis runter ans Ende des Fjordes, nach Geiranger. Dahinter steigt die Landschaft zwischen den Bergen stark an, irgendwo da oben im Dunst liegt der Dalsnibba, der Hausberg des Geiranger.

Nach Westen folgt unser Blick der Biegung des Geirangerfjords, die Wände der ihn umgebenden Berge fallen fast senkrecht ab. Kein noch so kleiner Raum für einen Weg, erst recht nicht für eine Straße. 

In etlichen Serpentinen führt die Straße runter zum Fjord, dann parallel zum Wasser bis in das Dorf Geiranger. Neben den dunklen Holzhäusern sehen wir einige moderne große Hotelbauten, erhöht blickt die weiße Kirche ins Tal. 

Wir passieren den kleinen Hafen, in dem eine Fähre liegt, sie scheint heute nicht mehr fahren zu wollen, ob nach Sylte oder nach Hellesylt, heute nicht mehr. Die große Anlegestelle wartet auf die Kreuzfahrtschiffe, jetzt ist sie leer. 

Vor dem modernen Hotel biegt eine Straße nach rechts Richtung Zentrum und Campingplatz ab. Wir parken auf dem zentralen Parkplatz der kleinen Ortsmitte, direkt vor dem Fjord. Hier stehen schon einige Wohnmobile. Ein Schild weist darauf hin, dass Camping verboten ist.  Das haben wir schon in Park4Night gelesen.

Wir lassen den Camper stehen und gehen zu Fuß zum Campingplatz. Der ist auch schon überfüllt. Der Betreiber hat aber noch Platz für uns, wenn es uns nichts ausmacht, am Ufer neben dem Bach zu stehen, der gerade vom Wasserfall aus in den Fjord fließt. Der sei nämlich recht laut. 

Ingrid fragt, ob wir nicht auch auf dem Parkplatz stehen bleiben können. Der Campingplatzchef sagt, das sei kein Problem, das würde nicht kontrolliert und schon gar nicht geahndet werden. Damit ist es entschieden. Wir lassen den Camper stehen, wo er ist. Für zwei Nächte.

Jetzt ist Entspannung angesagt, Zeit für ein Abendessen. Heute mit Blick auf diesen schönen Fjord. Das Abendlicht schimmert rötlich über den Bergen und spiegelt sich im Wasser. Wir gehen noch ans Ufer, um das Spiel der Farben aus der Nähe zu sehen. 

Am nächsten Morgen sind wir bereits um 9 Uhr in der Touristeninformation am Hafen und kaufen zwei Tickets für das Boot, das uns über den See zum Startpunkt einer Rundwanderung zurück nach Geiranger bringen soll. Diese Wanderung wird sowohl im Rother-Wanderführer als auch im Reiseführer aus dem Michael-Müller-Verlag vorgeschlagen. 

Das Boot ist recht groß und gut besetzt. Mit uns fährt Georg, der mit seinem Mercedes-Camper ebenfalls auf dem Parkplatz übernachtet hat und dem Ingrid von der Wanderung erzählt hat. Im Hafen liegt heute morgen ein Kreuzfahrschiff, allerdings ein überschaubar großes. Die Reisenden werden mit kleinen Booten an Land gebracht, das Schiff legt nicht am Kai an, sondern ist abseits verankert.

Unser Boot erreicht schnell die Biegung des Fjords, langsam kommen die großen Wasserfälle, die beidseitig von den steilen Hängen in den Fjord stürzen, ins Bild. Auf der rechten Seite sind es vor allem die sieben Schwestern, eine breite Ansammlung mehrerer paralleler Fälle. Gegenüber ist besonders eindrucksvoll der Brudesløret, der Brautschleier, er fließt an einer nicht ganz so steilen Stelle den Hang hinunter und hat tatsächlich Ähnlichkeit mit einem Brautschleier. 

Das Boot hat bereits die Richtung geändert und um 180 Grad gedreht. Es hält auf das Ufer zu. An einer schmalen Stelle fährt es mit dem Bug voraus bis an eine hervorstehende Landzunge. Ein Besatzungsmitglied klettert raus und legt einen Steg aus. Über den Steg steigen jetzt alle von Bord. Wir sind da.

Die Bucht ist nur ganz klein und bietet nicht genügend Platz für alle. Dahinter steigt eine Treppe den Hang hinauf. Hier führt der Weg entlang. Wir reihen uns gleich ein und gehen nach oben. 

Der Weg ist steil, die Stufen erleichtern das Gehen jedoch sehr. Durch die vielen Menschen, die gleichzeitig hier entlang wollen, und die fehlenden Ausweichmöglichkeiten, ist das Tempo zu Beginn forciert, bis sich die Menge etwas entzerrt hat.

Der Weg ist solide, aber schmal, und führt dicht am Hang entlang. Meter um Meter kommen wir höher. An jeder Ecke lockt eine andere Aussicht auf den Fjord und die Ufer. Das Wetter spielt mit, es ist trocken und recht freundlich. 

Wir kommen aus der steilen Wand heraus auf einen breiten grasbewachsenen Absatz. Weiter oben sehen wir einige grasbedeckte Holzhäuser. Das ist der Skagaflå. Seit dem Mittelalter wurden hier oben Ziegen gehalten. Erst im Jahr 1916 wurde der Hof aufgegeben, und dass, obwohl bereits 1873 ein Felsabsturz Teile der Weideflächen unbrauchbar machte. 

Es ist schwer vorstellbar, wie einsam und beschwerlich das Leben an einem solch abgelegenen Ort gewesen sein muss, zu dem nur ein extrem steiler Pfad vom Fjord aus gebaut werden konnte, und nur ein ebenso steiler Weg weiter in den höchst unwegsamen Wald früherer Tage als Alternative denkbar war. 

Der Hof ist trotz allem in gutem Zustand und scheint hin und wieder bewohnt zu sein, der Blick ins erhöhte Küchenfenster weckt die Phantasie, gleich werden wir zum Essen gerufen. Irgendwo habe ich gelesen, dass das norwegische Königspaar hier oben seinerzeit seine Silberhochzeit gefeiert habe. 

Vorbei an einem kleinen Wasserfall steigt der Weg weiter an. Der Wald bleibt dicht, aber hier am Hang erhaschen wir immer wieder Ausblicke nach unten. An einer sehr schönen Stelle halten wir eine kleine Brotzeit. Jetzt haben wir die Höhe erreicht und es geht lange ebenerdig weiter. Der Berg steigt zu unserer Rechten weiter an, links fällt der Hang in den Fjord, wir bleiben mittig. Abseits des Wegs ist ohnehin kein Fortkommen.

Wir erreichen erneut eine Gruppe alter Häuser: Homlungsætra, eine alte Alm mit Blick nach Osten auf den Fjord. Von hier aus sehen wir schon den Ørnesvingen Aussichtspunkt, den wir gestern Abend passierten.

Der Weg fällt jetzt ab, sehr viel Wasser kommt die Hänger runter, sogar der Pfad ist hier überschwemmt. Teilweise wird es recht steil und steinig. Es kommen immer mehr Wanderer entgegen, die von Geiranger oder Homlong aus losgegangen sind.

Es zieht sich hin, bis wir den Weiler Homlong erreichen. Obwohl es ständig bergab geht, ist das Fortkommen noch anstrengender als der Aufstieg, da wir jeden Schritt sehr vorsichtig setzen müssen. An einer Stelle ragt ein grasbewachsener Felsen aus der Erde, er ist flach wie ein Tisch und sieht aus wie ein menschengemachter Unterschlupf. Naja, wir sind in Norwegen, wahrscheinlich sitzen hier morgens die Trolle beim Frühstück.

Noch oberhalb des Weilers kommt der Ort Geiranger ins Bild, er liegt am Ende des Fjords in seiner Bucht, hinter ihm steigt das Gelände schräg an, steigt und steigt hinauf bis zum Dalsnibba. Wir kommen aus dem Urwald in kultiviertes Gelände, passieren Obstbäume und erreichen die ersten Häuser, in deren Gärten wahre Blumenprachten angelegt sind. 

Unten ein schöner Campingplatz mit Aussicht. Wir kommen mit einem deutschen Paar ins Gespräch, deren sehr kurzer Suzuki-Jeep ein riesiges Klappzelt auf dem Dach trägt. Im Heck des Autos sehen wir ein sehr ausgefeiltes Staufachsystem. Halb so lang wie unser Ducato und trotzdem extrem praktisch und geräumig.

Am nächsten Tag treffen wir Sonja und Matthias von camperflower.de wieder (das ist eine andere Geschichte, nämlich die nächste), die uns erzählen, dass sie mit ihrem Camper genau an dieser Stelle standen und die beiden im Suzuki auch noch kennengelernt haben. 

Nach Geiranger geht es entlang der Straße am Fjord. An der Kajakschule findet gerade Trockenunterricht statt. Die hübschen Holzhäuser hier auf der rechten Seite werden offenbar als Ferienhäuser genutzt, es stehen Fahrzeuge mit schwedischen Kennzeichen davor.

Der kleine Fluss, der beim Campingplatz in den Fjord mündet, fällt nur wenige Meter weiter oben als Wasserfall ins Tal. Ein breiter Weg aus Holzstegen und Treppen führt gleich neben dem Wasser nach oben, dicht am Getöse und immer im Radius eines feinen Sprühregens. Der Wasserfall ist zur Zeit so stark, dass eine Stelle der Plattform vollkommen unter Wasser steht,  eine Frau traut sich für ein Foto trotzdem dort hin, wird klitschnass und erhält zum Ausgleich anfeuernden Aplauss von Ihren Begleitern.

Weiter oben steht das große moderne Gebäude des Fjordcenters. Wie so oft kommen wir kurz vor der Schließung an, aber für einen Ausstellungsbesuch fehlt uns jetzt gerade auch die Geduld, die Wanderung in der Natur hat uns zu sehr aufgeputscht. Das obligatorische Café mit Souvenirshop hat noch geöffnet, die Kuchen in der Auslage lachen mich an, ich lache aber nicht zurück, sondern bleibe stark.

Hinter dem Gebäude liegt ein sehr großer Parkplatz, auf dem außer ein paar Campern aber kaum ein Fahrzeug steht. Das Vier-Sterne-Hotel nebenan hat seine eigenen Parkplätze. Es ist sehr gut besucht, hinter den großen Scheiben sitzen viele Gäste beim späten Fünfuhrtee oder frühen Abendessen. 

Weiter unten liegt die Kirche von Geiranger, ein weißer achteckiger Holzbau aus dem 19. Jahrhundert. Wie üblich in Norwegen ist sie ein Gotteshaus der evangelisch-lutherischen Norwegischen Kirche. Der Innenraum ist erfreulich schlicht und sachlich gehalten, ein Raum zum Verweilen. Sie liegt auf einem Vorsprung im Hang und ist deshalb, obwohl sie recht klein ist, gut zu sehen.

Die kleine Bäckerei in der Gasse zum Hafen lockt uns, alleine schon mit dem Geruch der frischen Backwaren. Die Produkte in der Auslage sehen großartig aus, da gehen uns die Augen über. Statt der kleinen Zimtschnecken nehmen wir einen ganzen Zimtkuchen mit, außerdem ein Vollkornbrot mit Nüssen. Beides erweist sich als exzellente Wahl!

So ist es also an der Zeit, im Camper Kaffee zu trinken und ein Stück des Kuchens zu essen, natürlich mit Blick auf den Fjord. Später fängt es leicht zu regnen an. Via Instagram hatten wir die ganze Zeit über sporadisch Kontakt zu Sandra und Marcus und wussten, dass sie auf derselben Route unterwegs sind. Am Trollstigen kamen sie an, als wir schon weitergezogen waren, und haben dort auf dem Parkplatz übernachtet. 

Ingrid hatte sie bereits am Hafen gesehen, jetzt entdecke ich zufällig ihren weißen Camper ein Stück hinter uns auf dem Parkplatz. Wie nett. Wir tauschen unsere Erlebnisse aus, bis der stärker werdende Regen uns ins Auto jagt. Von Georg, dessen Mercedes-Bus auf der anderen Seite steht, verabschieden wir uns, da er morgen in die andere Richtung weiterfährt.

Unser Plan sieht vor, dass wir morgen weiter nach Süden fahren. Der erste Stopp wird der Dalsnibba sein, der Ausblick auf den Geirangerfjord ist umwerfend, wie wir schon auf Fotos sehen konnten. Danach geht es Richtung Oslo weiter, wir werden spontan entscheiden, durch welche Gegend wir fahren werden.


Wie immer am Schluss des Beitrags betten wir die Videos der Episode ein und verlinken zu Youtube:




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